Interview am Morgen: SPD in der Groko:"Dann müssen wir uns woanders umschauen"

Kutschaty warnt vor Mietsteigerungen durch Grundsteuerreform

Thomas Kutschaty, der SPD-Fraktionsvorsitzende in Nordrhein-Westfalen.

(Foto: dpa)

Thomas Kutschaty, SPD-Oppositionsführer in NRW, spricht darüber, warum er eine große Koalition unter CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer schwierig fände. Und über sein kürzliches Treffen mit Linken-Politiker Dietmar Bartsch.

Interview von Jana Stegemann und Christian Wernicke

Für manche Genossen in Berlin ist der Mann längst ein rotes Tuch: Thomas Kutschaty, seit knapp einem Jahr als Fraktionsvorsitzender der SPD der Oppositionsführer in Nordrhein-Westfalen, war von Anfang an gegen die Verlängerung der Großen Koalition mit CDU und CSU. Es war auch sein Sieg, dass sich die SPD von der (einst eigenen) Hartz-IV-Reform distanzierte. Im Gespräch verlangt der 50-jährige Jurist, die SPD solle ihre neue Sozialpolitik auch in der Regierung durchsetzen. Und obendrein den Reichen - per Vermögenssteuer - höhere Tribute abverlangen. Und wenn nicht? Eine bessere Koaliton als die Groko könne man allemal finden.

SZ: Herr Kutschaty, Sie sind bekennender Gegner der großen Koalition, Sie wollen die SPD nach links rücken. Angesichts von Umfragewerten unter 20 Prozent - plagt Sie nie die Sorge, Ihre Partei per Linkskurs endgültig zur Randerscheinung zu machen?

Thomas Kutschaty: Nein, die schlechten Werte zeigen mir: Es muss sich etwas ändern, wir müssen für eine moderne Politik streiten. Wir müssen fundamentale Fragen beantworten: Wie wollen wir in Zukunft leben, wie halten wir unsere zunehmend gespaltene Gesellschaft zusammen? Das verlangt neue Antworten. Sie nennen das links, ich sage: Das ist moderne Politik. Links ist modern.

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

Und Hartz IV ist unmodern? Sie gehörten zu den ersten, die von der SPD die Widerrufung von Hartz IV verlangten.

Hartz IV war vielleicht ein nötiges Medikament vor 13 oder 15 Jahren. Aber die Lage hat sich verändert, ich muss diese Medizin nicht ewig schlucken. Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich enorm verändert, die Wirtschaft sucht händeringend Fachkräfte. Und Hartz IV verursacht enorme Nebenwirkungen. Zwei Millionen Kinder leben heute abhängig von Hartz IV in Armut, und Hartz IV hat dafür gesorgt, dass zwei Millionen Menschen so wenig verdienen, dass ihr Lohn mit Sozialleistungen aufgestockt werden muss. Das Medikament ist längst unverträglich.

Aber Hartz IV ist noch immer Gesetz. Die SPD hat zwar widerrufen - aber Ihre Partei ist in einer Regierung, die weiterhin dieselbe Medizin verabreicht.

Genau deshalb werbe ich ja für andere Koalitionen, für eine Regierung jenseits der Union.

Bleibt Hartz IV, muss die SPD raus aus der Groko?

Jedenfalls kann es nicht weitergehen wie bisher. Wir haben als SPD konkrete Themen auf den Tisch gelegt, darauf muss die Union antworten. Etwa die Grundrente oder die grundlegende Reform des Sozialstaats inklusive der Abschaffung von Hartz IV. Wir müssen Parteibeschlüsse in Regierungshandeln umsetzen. Das muss konkrete, für die Menschen spürbare Politik werden. Wenn das in dieser Regierung nicht möglich ist, dann müssen wir in die Opposition gehen. Das müssen wir als SPD beim Revisionsparteitag im Dezember genau prüfen.

Eine der ersten CDU-Stimmen gegen die Abschaffung von Hartz IV war Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue Parteichefin. Mit ihr ginge die Groko gar nicht?

Mit Frau Kramp-Karrenbauer würde das sehr schwierig. Falls Angela Merkel vorzeitig aufhört, bedeutet das nicht, dass wir als SPD die CDU-Chefin automatisch zur Kanzlerin küren. Deren Vorstellungen etwa zur Ehe für alle stammen aus dem vorletzten Jahrhundert. Im Vergleich zu Merkel wäre sie ein Rückschritt. Die Abschaffung von Hartz IV, die Reform des Sozialstaats - das sind Kernanliegen von uns! Wenn das mit der Union nicht geht, dann müssen wir uns woanders umschauen.

War das der Grund, warum Sie sich kürzlich mit Dietmar Bartsch getroffen haben, dem Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag?

Herr Bartsch und ich haben nicht gleich die gesamte Weltpolitik besprochen. Aber klar ist, dass ich mit ihm bei den Themen Sozialstaat und Arbeitsmarktreform mehr Gemeinsamkeiten habe als etwa mit Frau Kramp-Karrenbauer. Nur, daraus folgt nicht, dass wir jetzt mit der Linken im Bund koalieren wollen. Da gibt es große Differenzen, etwa in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Fordern Sie auch eine rote Steuerpolitik - also höhere Steuern für Reiche?

Wir brauchen einen starken Staat. Das zeigt die Wohnungsnot, das sehen Sie bei maroden Straßen, Schulen, Brücken. Das muss ich bezahlen können, und zwar gerecht finanziert.

Wollen Sie höhere Einkommenssteuern - oder gar eine Vermögenssteuer?

Beides! Wenn ich die Freibeträge der Einkommenssteuer auf 1000 Euro im Monat erhöhen will, dann muss der Spitzensteuersatz steigen. Am lautesten rufen oft Besserverdienende nach mehr Lehrern und mehr Polizisten. Oder nach weniger Staus. Einverstanden, aber dann sollen sie auch ein paar Prozentpunkte mehr Steuern zahlen. Und ich halte es nur für gerecht, große Vermögen mehr an den Steuereinnahmen zu beteiligen. Damit ziele ich auch auf große Erbschaften, die sind arbeitsloses Vermögen. Unsere Steuersätze für Millionen-Erben sind zu gering.

Wie stark wollen Sie denn zulangen?

Jedenfalls mehr als bisher. Bisher tragen die Vermögen in Deutschland - per Erbschafts- und per Grundsteuer - nur karge 2,9 Prozent zu den Steuereinnahmen bei. In den USA oder Großbritannien sind es zehn Prozent - und dort ist nicht der Sozialismus ausgebrochen.

Das ist doch mit CDU und CSU nie machbar - schon gar nicht, falls Friedrich Merz demnächst Wirtschaftsminister würde ...

Auch das wird mit der Union schwierig, klar. Und Friedrich Merz hätte da sicher pointiertere Vorstellungen als Peter Altmaier. Dass die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer mit Herrn Merz möglich wäre, bezweifle ich - dazu wäre der Mann davon zu sehr persönlich betroffen.

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