Tennis:Nur der Name ändert sich

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Neue Bälle, neuer Name: Das Tennisturnier in Halle wird in Zukunft anders heißen. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Der Hauptsponsor des wichtigsten Männer-Turniers in Deutschland ist insolvent. Die Organisatoren in Halle/ Westfalen sind zuversichtlich, dass es dennoch weitergeht. In diesem Jahr ist das Feld so stark besetzt wie noch nie.

Von Ulrich Hartmann, Halle/Westfalen

Als die Pleite des Modekonzerns "Gerry Weber" die Runde machte, klingelte in der Roger-Federer-Allee 4 das Telefon - am anderen Ende war Roger Federer. Der Schweizer machte sich Sorgen um eines seiner liebsten Tennisturniere: die "Gerry Weber Open" im ostwestfälischen Halle. Federer hat 16 Mal dort gespielt, zwölf Mal das Finale erreicht, neun Mal gewonnen. Er hat vertraglich zugestimmt, bis zum Ende seiner Karriere jedes Jahr bei diesem Rasenturnier mitzuspielen. Zum Dank haben sie in Halle die Straße zum Tennisstadion nach ihm benannt. Nun wollte Federer also wissen, ob er helfen kann. "Sein Commitment war wirklich toll", sagt Turnierdirektor Ralf Weber. Aber wenn alles so klappt, wie Weber sich das vorstellt, dann muss Federer nicht als Sponsor einsteigen, und das Turnier wird künftig auch nicht "Roger Federer Open" heißen. Eine Änderung wird es trotzdem geben. "Der Name Gerry Weber wird ersetzt", sagt Weber - noch nicht in diesem Jahr beim Turnier vom 17. bis 23. Juni, aber 2020. Man sei in aussichtsreichen Gesprächen mit potenziellen Titelsponsoren.

Ralf Weber ist der Sohn des Firmengründers Gerhard Weber, er war erst Vorstandsvorsitzender und dann Aufsichtsratsmitglied jener Aktiengesellschaft, in der nun ein Insolvenzverwalter das Sagen hat. Rund drei Millionen Euro hat die AG jedes Jahr zu dem nach ihr benannten Tennisturnier beigesteuert, in diesem Jahr ist es schon keine ganze Million mehr, vom nächsten Jahr an wird es womöglich kein Cent mehr sein. Das Turnier ist von der Insolvenz des Modekonzerns aber nicht direkt betroffen, weil es von einer autarken Event-GmbH veranstaltet wird, die den Gerry-Weber-Gründerfamilien Weber und Hardieck gehört. Im Tennisstadion werden auch Konzerte veranstaltet. Der Jahresumsatz der Event-GmbH liegt bei geschätzt 20 Millionen Euro, etwa die Hälfte davon entfällt wohl auf das Tennisturnier.

Halle ist mit 2,2 Millionen Euro das höchstdotierte deutsche Tennisturnier der Männer vor Hamburg (1,86 Millionen), Stuttgart (755 000), München (586 000). 1993 haben sie in Halle mit 375 000 Dollar Preisgeld angefangen, die Premiere gewann der Franzose Henri Leconte. Danach wuchs das Turnier kontinuierlich, weil auch die Gerry Weber AG immer größer wurde. 1993 hatte der Modekonzern 1993 einen Jahresumsatz von 321 Millionen Mark, 2015 kratzte er zum ersten und einzigen Mal an der Umsatz-Milliarde in Euro. Dann ging es dramatisch abwärts. Im Januar meldeten sie Insolvenz in Eigenregie an.

Das Lebenswerk der Familie Weber mag zerstört sein, ihr Tennisturnier aber dürfen sie behalten, auch wenn es bald nicht mehr ihren Namen tragen wird. Der Ruf des Turniers sei makellos, habe weiterhin "Strahlkraft", sagt Ralf Weber. Er habe in den vergangenen Wochen nicht nur Anfragen von möglichen Titelsponsoren erhalten, sondern auch konkrete Angebote für die Lizenz. "Momentan fließt unheimlich viel Geld in den Tennissport", sagt Weber, entsprechend lukrativ wäre ein Verkauf der Lizenz gewesen für jenes Turnier, das zwischen den French Open und Wimbledon in jeder Hinsicht gut platziert ist. "Ich habe diese Anfragen höflich abgelehnt", sagt Weber, "das Turnier ist das Kerngeschäft unserer Stadiongesellschaft und es ist gewissermaßen mein Baby." So etwas gibt man nicht einfach her.

Es ging in Halle auch nie nur um Geld. Sie haben sich in all den Jahren geradezu liebevoll um ihre Stars gekümmert. André Agassi haben sie zu einem Reiterhof gefahren, wo er Pferde streicheln durfte, Boris Becker haben sie samt Familie zum Safaripark nach Stukenbrock chauffiert und Federers Gattin Mirka wurde mit den Kindern zum Spielplatz eskortiert. Philipp Kohlschreiber genoss abends entspanntes Golfen auf dem nur fünf Minuten entfernten Platz. "Halle ist wie Wellness-Urlaub in familiärer Atmosphäre", hat Federer einmal gesagt. "Man kümmert sich um uns, das gibt uns ein gutes Gefühl", sagte Kohlschreiber. All das soll so bleiben, auch unter neuem Namen.

Sportlich hat man sich ja weiterentwickelt. Vor vier Jahren wurde das Turnier zu einem sogenannten 500er-Masters aufgewertet. Seitdem besitzen sie die Lizenz der Spielervereinigung ATP "unbegrenzt", sagt Weber. Solange man alle Bedingungen erfüllt, droht kein Ende, das sind gute Voraussetzungen für das Engagement eines neuen Titelsponsors. Weber spricht liebevoll über Charme und Wettbewerbsvorteile seines Turniers: Insgesamt rund 100 000 Zuschauer, Übertragung in 130 Länder und dieses Jahr mit allein vier Spielern aus den Top-Sechs der aktuellen Weltrangliste: Alexander Zverev, Roger Federer, Dominic Thiem und Kei Nishikori. So gut wie bei seiner 27. Auflage war das Turnier nominell noch nie besetzt.

Weber ist froh, dass er die Frage, ob Deutschlands wichtigstes Turnier erhalten bleibt, "mit einem klaren Ja" beantworten kann: Er werde Turnierdirektor bleiben, man stelle gerade die Weichen für die Zukunft. Roger Federer muss sich keine Sorgen machen.

© SZ vom 16.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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