Medizin:Das richtige Händchen

Ebersberg Kreisklinik Hand-OP

Chefarzt Timm Engelhardt und leitender Oberarzt Marcus Dieter von der Abteilung Plastische Chirurgie und Handchirurgie bei einer mikrochirurgischen Operation mit Hilfe des Operationsmikroskops.

(Foto: Alexander Zettl/oh)

Dank moderner Technik gelingt in der Kreisklinik Ebersberg eine nicht alltägliche Operation: Einen schon weit fortgeschrittenen Tumor an der Hand zu entfernen, ohne Nervenfasern zu beeinträchtigen

Interview von Sybille Föll

Zum ersten Mal konnte Dr. Timm Engelhardt, Chefarzt der Abteilung Plastische Chirurgie und Handchirurgie der Kreisklinik Ebersberg, eine nervenerhaltende Tumoroperation an der Hand einer Patientin durchführen. Im Interview spricht der Spezialist für Mikrochirurgie über die Besonderheit des Eingriffs.

SZ: Dr. Engelhardt, um welche Art von Tumor handelte es sich bei der Patientin?

Timm Engelhardt: Glücklicherweise um einen gutartigen Nervenscheidentumor - das ergab eine vorausgegangene Gewebeprobe - am sogenannten Nervus medianus der rechten Hand. Es ist der wichtigste Nerv in der Hand und zuständig für die Beweglichkeit des Daumens sowie für die Sensibilität der meisten Fingerkuppen. Der Nerv zieht vom Karpaltunnel im Handgelenk kommend in die Handinnenfläche und verzweigt sich dann in die Finger führenden Nervenfasern. Man kann sich das wie ein Stromkabel vorstellen, aus dem die Drähte hervorschauen. In der rechten Hand innerviert (red. Ergänzung: ein Körperteil mit Nervenreizen versorgen) der Nervus medianus die Beugeseite am Daumen, Zeige- und Mittelfinger sowie eine Hälfte des Ringfingers, für den Rest sind andere Nerven zuständig.

Was war die größte Herausforderung bei der Operation?

Es war außergewöhnlich, dass der Tumor genau an der Stelle saß, an der sich die Nerven verzweigen. Zudem war er bereits fünf Zentimeter lang und drei Zentimeter breit und dabei, die Nerven zu verdrängen. Für mich als Operateur waren sie mit bloßem Auge nicht mehr leicht zu erkennen, auch war die Unterscheidung zwischen Tumor- und gesunden Nervenanteilen im Weichteilgewebe schwierig.

Die Nerven konnten trotzdem erhalten werden?

Zum größten Teil - dank des Operationsmikroskops, welches die Kreisklinik im letzten Jahr angeschafft hat und das unverzichtbar für die Mikrochirurgie ist. Entlang der Tumorhülle konnten dadurch auch kleinste, nicht betroffene Nervenfasern herauspräpariert und der Tumor völlig unversehrt entfernt werden. Bei Verletzung der Hülle hätte das Risiko bestanden, dass Tumorreste zurückbleiben und sich rasch eine neue Geschwulst bildet. Einen Nervenast zu Zeige- und Mittelfinger, der nicht erhalten werden konnte, haben wir mit Hilfe einer Transplantation wiederhergestellt. Dazu wurde aus dem Unterschenkel der Patientin in etwa ein bis zwei Zentimetern Tiefe ein Hautnervenast entnommen und in der entstandenen Nervenlücke in der Hand eingepflanzt. Der Nerv wächst idealerweise einen Millimeter pro Tag, so dass in zirka drei Monaten das Feingefühl in den Fingern der Patientin wiederkehren wird. Die Gefühlseinbußen, die sie dadurch am Unterschenkel haben wird, sind sehr gering.

Welche Folgen hätte es gehabt, wenn der Tumor nicht entfernt worden wäre?

Je größer eine solche Geschwulst wird, desto unwahrscheinlicher ist es, Nerven erhalten zu können. Daher entschlossen wir uns in Absprache mit der Patientin rasch zur frühen Operation - obwohl sie kaum Beschwerden hatte. Sie hatte lediglich eine Schwellung in der Handfläche, die über einige Monate hinweg größer wurde. Unter Schmerzen litt sie nicht, sie beobachtete nur, dass bei Druck auf die Schwellung Teile ihrer Finger taub wurden. In fortgeschrittenem Stadium kann es beim Beklopfen der Schwellung zu einem heftigen, einschießenden Schmerz am 'Ziel' des Nervs kommen, etwa in der Fingerspitze, ähnlich wie bei einem elektrischen Schlag. Hinzu kommen Gefühlsstörungen und Taubheitsgefühle, die mit Unterbrechungen auftreten können, bis hin zu einer kompletten Lähmung, etwa der Daumenmuskulatur, wenn es die Hand betrifft.

Wie kann so eine Geschwulst entstehen?

Die Ursachen sind nicht bekannt. Aber gutartige Tumore des peripheren Nervensystems, also außerhalb von Gehirn und Rückenmark, treten häufiger auf als bösartige. Man nennt sie Neurinom oder Schwannom, weil sie von den Schwann-Zellen ausgehen. Deren Aufgabe ist es, die Nervenfasern zu umhüllen und zu schützen. Bösartige Nervenscheidentumore sind äußerst selten, haben jedoch eine schlechte Prognose und müssen immer sehr frühzeitig behandelt werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: