Feuer in Notre-Dame:Kampf um das Herz der Stadt

  • Nach dem verheerenden Feuer in der Pariser Kathedrale Notre-Dame ist der Brand nach Angaben der Feuerwehr "vollkommen unter Kontrolle".
  • Die Grundsubstanz der Kirche sowie die Fassade mit den beiden Haupttürmen konnten den Angaben zufolge gerettet werden.
  • Offenbar ebenso wie wichtige Gemälde, Kunstgegenstände und Reliquien, darunter auch die traditionell verehrte Dornenkrone Jesu.

Von Nadia Pantel, Paris, und Xaver Bitz

Um 6 Uhr morgens meldet die Feuerwehr, dass der Brand "vollkommen unter Kontrolle" ist. Auf dem Pont de la Cité, gleich gegenüber von Notre-Dame sammeln sich um diese Uhrzeit schon die Kamerateams. Hunderte Objektive auf die Kathedrale gerichtet, als stünde sie gleich bereit für ein Interview. Auf dem rechten der beiden Türme steht eine Gruppe Feuerwehrleute, auf dem Vorplatz blinkt das Blaulicht der Einsatzwagen. Von dieser Seite, vom Hauptportal aus, sieht man Notre-Dame kaum an, wie das Feuer gestern den gesamten Dachstuhl vernichtete. Schaut man von der Seite, hat man Blick auf das rußschwarze Kirchenschiff. Die Löschfahrzeuge pumpen Wasser in die Höhe. Der Strahl trifft dort auf die Kirche, wo bis gestern der Dachreiter in den Himmel ragte.

Elf Stunden lang kämpften Feuerwehrleute um den Sakralbau im Herzen der Stadt. Dabei war eine Zeit lang auch zu befürchten, dass die beiden 69 Meter hohen Türme einstürzen könnten. Frankreichs Kulturminister Franck Riester sagte dem Sender LCI am Dienstagmorgen, es habe die reale Gefahr bestanden, dass der Nordglockenturm bei dem Brand zerstört wird. "Und das hätte dann zur völligen Zerstörung von Notre Dame de Paris geführt." Mit bis zu eintausend Grad Celsius wütete das Feuer zeitweise auf dem Dach. Die Feuerwehr konzentrierte sich vor allem darauf, deren Struktur zu schützen und dadurch auch den Absturz der tonnenschweren Glocken zu verhindern. Die Statik des Gebäudes soll nun mit Hilfe von Lasern untersucht werden. Am Dienstagmorgen meldete die Feuerwehr die vollständige Löschung aller verbliebenden Brandherde.

Währenddessen retteten Helfer die wichtigsten religiösen und kulturellen Schätze aus Notre-Dame. Darunter auch die Dornenkrone, die Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll. Millionen von katholischen Pilgern kommen allein wegen ihr jedes Jahr nach Paris. Auch die weltberühmte Orgel blieb durch das Feuer unbeschadet. Das teilte der stellvertretende Bürgermeister von Paris, Emmanuel Gregoire mit. Die Orgel wurde erst vor sechs Jahren im Rahmen des 850-jährigen Jubiläums aufwändig restauriert. Unklar ist noch, wie es um die weltberühmten Rosettenfenster steht.

Für die Rettung der Schätze improvisierten die Helfer innerhalb von kurzer Zeit auch unter Gefahr für das eigene Leben. Medienberichten zufolge wurde ein Feuerwehrmann dabei verletzt. Als der Spitzturm im Zentrum des Mittelschiffes einbrach, zogen sich die Feuerwehrleute aus dem Inneren der Kirche zurück und setzten einen Roboter ein.

Während die Kathedrale brannte, blieb Paris wach. Bis weit nach Mitternacht sammelten sich Schaulustige, schockierte Bewohner der Stadt, Touristen und gläubige Katholiken rund um die Kirche, so weit es die Absperrungen zuließen. Vor der kleinen Kirche St Julien le Pauvre spielten zwei junge Frauen Geige, Dutzende sangen das Ave Maria. Das Herz von Paris war voller Menschen - und still. Wer nicht singen konnte oder wollte schwieg.

Vor allem blickten die Franzosen und die Pariser aber auch wieder schnell nach vorne. Präsident Emmanuel Macron kündigte den Wiederaufbau Notre-Dames an, noch in der Nacht startete die Kulturerbe-Stiftung Fondation du Patrimoine eine Spendensammlung. Eine der reichsten Familien des Landes kündigte daraufhin an, sich mit 100 Millionen Euro daran beteiligen zu wollen: Die Familie von François-Henri Pinault, dem Chef des Luxuskonzerns Kering, zu dem Modemarken wie Gucci, Brioni und Yves Saint Laurent gehören. Der superreiche Franzose ist außerdem als Kunstliebhaber und Mäzen bekannt. Milliardär Bernard Arnault und sein Luxuskonzern LVMH stellten gar 200 Millionen Euro an Spenden in Aussicht. Das Bauwerk sei ein Symbol Frankreichs, seines Erbes und seiner Einheit, teilte LVMH am Dienstag in einer Stellungnahme mit.

Nun müsse man an den Wiederaufbau denken, sagte Kulturminister Riester. "Wir haben immer noch die Fachkenntnis, ein solches Gebäude zu bauen."

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