Streik:Demo unterm Glockenspiel

Druckerstreik Marienplatz

Wenn die Gespräche scheitern? "Dann treffen wir uns am nächsten Tag wieder auf diesem Platz."

(Foto: Florian Peljak)

Warum es im Tarifstreit der Druckindustrie etwas Hoffnung gibt.

Von Detlef Esslinger

Aus der Perspektive von Lesern und Kunden wird dieser Arbeitskampf immer härter, immer schärfer: Erst zum Wochenende wurde die Süddeutsche Zeitung von ihren Druckern bestreikt, nun läuft seit Montag- und bis zu diesem Mittwochnachmittag die nächste Welle; am Dienstag kam noch ein Solidaritätsstreik in Redaktion und Verlag hinzu. Aus dieser Ballung darf man schließen: Der Konflikt, der seit Oktober läuft, nähert sich seinem Ende.

Frank Werneke, Verhandlungsführer und Vize der Gewerkschaft, deutet es am Dienstag auf dem Münchner Marienplatz selber an. Einige hundert Drucker, Journalisten und Verlagsangestellte sind zur Demo gekommen; an diesem Mittag brechen sie zwar noch nicht den Widerstand der Arbeitgeber, aber immerhin den des Rathaus-Glockenspiels. Sehen können die Touristen das Spielwerk mit dem Ritter und den Schäfflern. Zu hören gibt es indes nur Trillerpfeifen, Sambatrommeln, und eben Werneke. Er hat sich eine Metapher aus der Leichtathletik zurechtgelegt: "Wir kommen in die Zielgerade. Aber jetzt wollen wir dieses Rennen auch gewinnen."

Das ist deshalb so lang und hart, weil es nicht nur um den Lohn geht, sondern weil der Bundesverband Druck und Medien auch den Manteltarifvertrag gekündigt hat. Mit 35-Stunden-Woche, einem Weihnachtsgeld von 95 Prozent, Urlaubsgeld von 70 Prozent sowie "Antrittsgebühren", die an Sonntagen den Stundenlohn um bis zu 170 Prozent erhöhen, ist er ihnen zu teuer geworden. Verdi wiederum will ihn unbedingt bewahren. Der Funktionär Werneke sagt am Dienstag zwei Sätze, von denen er vorerst nicht mehr wegkommt; auch, weil er im September an die Spitze der Gewerkschaft rücken will: "Wir werden keinen Manteltarifvertrag unterschreiben, der Verschlechterungen für unsere Mitglieder bringt. Darauf könnt ihr euch verlassen."

Wie kann angesichts solcher Positionen eine Lösung absehbar sein? Ohne dass einer blamiert ist oder der Lüge geziehen werden kann? Nach dem bislang letzten Treffen vor einer Woche machten Arbeitgeber und Gewerkschaft beide eine Andeutung: Der Bundesverband Druck setzt den Manteltarif für eine gewisse Zeit wieder in Kraft; Verdi wiederum verspricht, während dieser Zeit Verhandlungen über einen neuen - und zwar bei Friedenspflicht. Am 2. Mai trifft man sich wieder. Vorher sollen Streiks in dichter Taktfolge plus Demo finalen Druck machen und den Beschäftigten ihr Gemeinschaftserlebnis verschaffen.

Falls aber die Gespräche scheitern? "Dann treffen wir uns am nächsten Tag wieder auf diesem Platz", sagt Werneke. Woraufhin der Sambamann besonders laut trommelt; auch die Trillerpfeifen geben alles. Wer eher auf zarte Töne steht, muss bis 17 Uhr warten. Dann ist wieder Glockenspiel.

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