Suizidhilfe:Zum Sterben in die Schweiz

Sterbehilfe

Ein Pfleger hält die Hand einer Frau in einem Zimmer eines Pflegehauses in Berlin. (Archivbild)

(Foto: picture alliance / dpa)
  • In der Schweiz steigt die Zahl der assistierten Suizide seit Jahren an: von weniger als 200 um die Jahrtausendwende bis zu mehr als 1000 im Jahr 2017.
  • Die Sterbehilfe wird nicht sehr weitgehend geregelt. Aus "selbstsüchtigen Motiven" darf allerdings keine Suizidhilfe geleistet werden.
  • Nur wenige Schweizer stören sich an der liberalen Praxis.

Von Isabel Pfaff, Bern

Es ist ein dürrer Satz im Strafgesetzbuch, der die Schweiz zur Destination Nummer eins für Sterbewillige gemacht hat: Nur wer "aus selbstsüchtigen Beweggründen" jemandem beim Suizid unterstützt, erhält eine Strafe. Anderenfalls bleibt die Beihilfe zum Suizid - also der assistierte Freitod, bei dem die sterbewillige Person das tödliche Medikament selbst einnimmt - straffrei. Ein Gesetz, das die Sterbehilfe darüber hinaus regelt, gibt es in der Schweiz bis heute nicht.

Allerdings hat sich über die Rechtsprechung und ärztliche Richtlinien eine gewisse Sterbehilfe-Praxis etabliert. Demnach dürfen Ärzte nur dann ein Rezept für tödliche Medikamente ausstellen, wenn das Lebensende eines Patienten naht. Die sterbewillige Person muss urteilsfähig sein - vielen psychisch Kranken bleibt der Weg also verwehrt. Und der Suizidwunsch muss wohlerwogen, ohne äußeren Druck entstanden und dauerhaft sein.

In der Schweiz existieren etwa ein halbes Dutzend Sterbehilfe-Organisationen. Die größte und mit Abstand bekannteste ist der 1982 gegründete Verein "Exit". Er hat etwa so viele Mitglieder wie die stärkste Partei des Landes: mehr als 100 000. "Exit" richtet sich nur an Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Die zweite große Organisation ist "Dignitas", von ihr können sich auch Ausländer beim Sterben begleiten lassen.

Suizidhilfe-Organisationen haben großen Zulauf

Die Zahl der assistierten Suizide pro Jahr steigt seit Jahren: von weniger als 200 um die Jahrtausendwende bis zu mehr als 1000 im Jahr 2017. Offenbar fahren auch immer mehr Ausländer zum Sterben in die Schweiz: Seit 2000 stieg ihre Zahl stark an, inzwischen beläuft sie sich auf etwa 200 Fälle pro Jahr. Die meisten Ausländer, die sich in der Schweiz beim Sterben helfen lassen, kommen laut einer Studie von 2014 aus Deutschland.

Nur wenige Schweizer stören sich an der liberalen Sterbehilfe-Praxis ihres Landes. Die Suizidhilfe-Organisationen haben stetigen Zulauf. Das Argument der Selbstbestimmung im Leben wie im Tod scheint viele Schweizer zu überzeugen. Im Kanton Zürich scheiterten gleich zwei Volksinitiativen zum Thema, eingebracht von christlichen Kräften: "Nein zum Sterbetourismus im Kanton Zürich" sowie "Stopp der Suizidhilfe". Beide wurden mit rund 80 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.

Zuletzt flammte die Debatte jedoch noch einmal auf. Medienberichten zufolge erhalten wiederholt auch gesunde Menschen Sterbehilfe in der Schweiz. Offenbar findet sich immer ein Arzt, der es mit den Richtlinien nicht genau nimmt.

Im Oktober versuchte die Schweizer Ärzteschaft, diesem Trend entgegenzutreten: Sie sprach sich klar gegen eine Aufweichung der Regeln aus, wie sie die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften vorgeschlagen hatte. Demnach sollten sich Ärzte künftig nicht am "nahen Lebensende" eines Patienten orientieren, sondern an seinem "unerträglichen Leiden". Die Ärzteschaft hält bislang an der alten Regelung fest.

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