Sterbehilfe:Der Wille des Patienten sollte Gesetz sein

Sterbehilfe - Intensivstation

Das Bundesverfassungsgericht hält offenbar eine vorsichtige Liberalisierung der Sterbehilfe für denkbar.

(Foto: dpa)

Das Bundesverfassungsgericht erwägt, den Deutschen ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben zu gewähren. Das ist gut so.

Kommentar von Wolfgang Janisch

Manchmal gibt es diesen Moment, in dem sich neue Ideen auf eine klare Formel verdichten. Wenn die Zeichen nicht trügen, dann war die Karlsruher Anhörung zur Sterbehilfe ein solcher Moment. Immer wieder kreisten die Fragen der Richterinnen und Richter um die Autonomie am Lebensende, ein ums andere Mal hakten sie nach, ob man schwer kranke, lebensmüde Menschen wirklich nur auf Hospize und Palliativmedizin verweisen darf. Oder ob man nicht doch auch denjenigen ärztliche Hilfe zur Seite stellen muss, die ihr Leben selbst beenden wollen. Anders ausgedrückt: Das Bundesverfassungsgericht erwägt ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.

Es wäre gut, wenn das Gericht diesen Schritt wagen würde. Die Zeit ist reif dafür, und letztlich ist der Gedanke gar nicht so neu. Der Suizid ist straflos, da respektiert das Recht den Willen zum Tod. Auch die Beihilfe dazu war es, bevor der Bundestag sie im Jahr 2015 in ihrer "geschäftsmäßigen" Form unter Strafe gestellt hat. Und beim Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen vollzieht sich seit Jahren eine grundlegende Wende. Heute kann jeder mit einer Patientenverfügung verbindlich festlegen, ob er Magensonde oder Beatmungsmaschine will - oder lieber den Tod. Der Wille des Patienten ist Gesetz, oder sollte es jedenfalls sein.

Dabei war das Ziel des umstrittenen Paragrafen richtig. Der Bundestag wollte Sterbehilfevereinen das Handwerk legen und damit eine Entwicklung verhindern, an deren Ende der Suizid im heiteren Mäntelchen der gesellschaftlichen Normalität daherkommt. Denn der Freitod ist keineswegs immer so frei, wie es der Begriff suggeriert: In 90 Prozent geht er einer Studie zufolge Hand in Hand mit einer Krankheit - Depression, Alkoholsucht, Schizophrenie. Jede Form von Suizidbeihilfe muss also garantieren, dass hinter dem Entschluss ein freier Wille steht und nicht der Dämon einer Krankheit. Dass der Gesetzgeber hier Vereinen misstraut, die dafür Geld nehmen, ist ihm nicht zu verdenken.

Der Wunsch, auch beim Sterben die Kontrolle zu behalten

Das Gesetz hat aber zugleich ausgerechnet dort Unsicherheit gestiftet, wo Vertrauen die wichtigste Währung sein müsste. Indem es die "geschäftsmäßige", also die auf Wiederholung angelegte Beihilfe zum Suizid untersagt, schafft es eine strafrechtliche Gefahrenzone auch für Ärzte - und erschwert damit ausgerechnet den Profis die letzte Hilfe. Dies aber geht zu Lasten eines kleinen Teils von Suizidwilligen, deren Willensfreiheit außer Frage steht.

Menschen, die sich sehr gut überlegt haben, dass sie diesen letzten Gang nicht gehen wollen, bis der Tumor das Gehirn überwuchert oder die zerstörte Lunge sie ersticken lässt. Die Palliativmedizin bietet fast allen Patienten Schmerzlinderung, das ist richtig; aber nicht alle Patienten wollen diesen Weg auf sich nehmen. Der Wunsch, auch beim Sterben die Kontrolle zu behalten, wurzelt eben auch in einem medizinischen Fortschritt, der die Kontrolle über diese Phase übernommen hat.

Ein selbstbestimmtes Sterben, das Suizidbeihilfe umfasst, wird mit Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet sein müssen. Möglicherweise müssen Gremien eingesetzt werden, um die Last nicht auf den Schultern einzelner Ärzte abzuladen. In der Anhörung wurde aber deutlich: Es geht nicht nur ums Sterben, sondern auch ums Leben. Der Schmerz, sagen viele Patienten, wird erträglicher, wenn man weiß, dass es einen Notausgang gibt.

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