China:Die Größe macht's

Die deutsche Autoindustrie setzt trotz Krise auf China. Kein Wunder: Die Marke Volkswagen verkauft dort die Hälfte ihrer Produktion.

Von Max Hägler, Shanghai

Wie nah das große Glück und das enorme Risiko zusammenliegen für Volkswagen, das projizieren die Manager hier in einem Besprechungszimmer der Shanghai Autoshow an die Wand: 4,2 Millionen Autos hat der Konzern im vergangenen Jahr hier verkauft. Von insgesamt gut zehn Millionen Wagen in der Welt. Draußen auf den Straßen in Shanghai und anderswo prägt die Marke das Straßenbild, mit Modellen wie dem Jetta oder dem Santana, mit dem Golf und dem Tiguan. Mit geschickten Kooperationen hat sich der Konzern seit dem Jahr 1978 zum größten Autohersteller im größten Land der Erde aufgeschwungen.

Die Marke führt das Mittelklasse-Segment an; die Konzerntochter Audi sowie die anderen beiden deutschen Hersteller BMW und Daimler dominieren hier in der Oberklasse die Straßen. Wobei die Automodelle hier immer ein wenig anders sind, meist länger und mit verspielteren Bedieninstrumenten. "Der Bildschirm auf der Rückbank spielt hier beispielsweise eine große Rolle", sagt BMW-Finanzchef Nicolas Peter. Aber das lässt sich gut machen, zumal die meisten Autos in beiden Fabriken hier im Land gebaut werden. Und so haben auch die Münchner gut verkauft: 650 000 Autos, das ist mehr als ein Fünftel des Gesamtumsatzes. China, das ist für die deutsche Autoindustrie bislang das große Glück, das für schöne Gewinne sorgt.

Doch da tauchen auch rote Zahlen auf - nicht zuletzt in den VW-Unterlagen: Verluste, mit Minuszeichen. Im vergangenen Jahr ist der chinesische Markt in die Krise gerutscht. Im letzten Quartal 2018 ging es hier für die Branche um 16 Prozent nach unten. Der Analyst Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach spricht davon, dass der chinesische Automobilmarkt "zunehmend in einer kritischen Situation" sei. Auch im laufenden Jahr geht er von einem Minus von fünf Prozent aus. Das sei auch für die deutsche Industrie eine Gefahr - angesichts dieser großen Abhängigkeit von China.

Doch die Manager von VW, Audi, BMW und Daimler wollen auf der Automesse in Shanghai nicht groß über solche Bedenken reden. Sie sehen den Einbruch letztlich als kleine Delle. In China leben 1,3 Milliarden Menschen, durchschnittlich besitzt nur jeder Fünfte einen Wagen, in Europa ist die Quote doppelt so hoch. 84 Millionen Autos wurden 2018 auf der Welt verkauft, 23 Millionen in China. Und bald wachsen Kuchen und Kuchenstück wieder, sagt Volkswagen-Markenchef Jürgen Stackmann: "Wir rechnen damit, dass der Markt zurückkommen wird."

Aber die Abhängigkeit? Nun, was soll's, wenn das Geschäftsergebnis doch so schön ist? Stackmann unterteilt die Welt bei seinen Planungen stets in zwei Regionen. China - und den Rest. In China hält die Marke VW im Wesentlichen zwei Joint Ventures mit Staatsbetrieben, eines im Norden, eines im Süden, so wie es die Regierung in Peking noch allen ausländischen Firmen vorschreibt. "Jedes Joint Venture verkauft so viele Autos wie wir in Europa", sagt Stackmann und lächelt.

Ein paar Meter weiter sagt Daimlers China-Chef Hubertus Troska Ähnliches: Die Entwicklung hier sei "atemberaubend", und der Markt werde schon wieder anziehen, denn gerade sei ja die Mehrwertsteuer abgesenkt worden: um drei Prozent. Ein gewaltiges Konjunkturprogramm der Regierung in Peking, das zum Kaufen anstiften soll. Und das die Chancen der deutschen Industrie aufs Geldverdienen weiter erhöht.

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