Indonesien:Wahlkampf-Tour nach Mekka

Indonesian Presidential Election 2019

190 Millionen Indonesier waren zur Wahl in dem riesigen Inselstaat aufgerufen.

(Foto: Ulet Ifansasti/Getty Images)

Auch nach der Wahl bleibt Präsident Joko Widodo wohl im Amt - dank einer Allianz mit konservativen Muslimen. Kurz vor der Wahl pilgerte Widodo nach Mekka.

Von Arne Perras, Singapur/Yogyakarta

Präsident Joko Widodo steuert nach ersten Hochrechnungen auf einen neuerlichen Wahlsieg in Indonesien zu. Demnach lag der 57-jährige frühere Möbelfabrikant etwa zehn Prozentpunkte vor seinem Herausforderer Prabowo Subianto. Der Ex-General und Schwiegersohn des verstorbenen Diktators Suharto war schon bei der Wahl vor fünf Jahren erfolglos. Jokowi, wie die Indonesier ihren Präsidenten nennen, kann nach vorläufigen Berechnungen mit etwa 55 Prozent der Stimmen rechnen. Wenn sich der Trend verfestigt, ist ihm eine zweite Amtszeit von fünf Jahren sicher.

Indonesien ist die drittgrößte Demokratie der Welt, 90 Prozent der Bewohner sind muslimischen Glaubens. Mehr als 190 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, ihre Stimmen abzugeben. Gewählt wurden der Präsident, das Parlament und Provinz- und Kommunalvertretungen, was die Abstimmung zur aufwendigsten in der Geschichte des Inselstaates machte. Elefanten, Pferde, Motorräder, Boote, Flugzeuge - jedes nur erdenkliche Transportmittel kam zum Einsatz, um die Urnen zu den Wählern zwischen Sumatra und Papua zu bringen.

Lange war Indonesien für einen moderaten Islam bekannt, doch konservative Strömungen haben an Gewicht gewonnen, was religiöse und sexuelle Minderheiten ängstigt. Besonders harsch ist die Lage in der Provinz Aceh, wo das Strafrecht der Scharia gilt und drakonische Prügelstrafen öffentlich vollzogen werden. Das zunehmende Gewicht des Islam im täglichen Leben und Denken spiegelte sich auch in den Strategien der Kandidaten wider. Herausforderer Prabowo zeigte keine Scheu, mit radikalen islamistischen Gruppen zu paktieren. Aber auch Amtsinhaber Widodo zog die religiöse Karte, was ihm früher kaum jemand zugetraut hätte. Als seinen Vize-Kandidaten berief er Ma'ruf Amin, einen konservativen Kleriker aus der größten muslimischen Vereinigung, Nahdlatul Ulama (NU), die dann auch prompt eine Wahlempfehlung für Jokowi aussprach. Traditionell steht die NU im Ruf, einen gemäßigten Islam zu vertreten, allerdings hatte Ma'ruf Amin maßgeblich die Demontage des christlichen Gouverneurs von Jakarta vorangetrieben. Basuki Purnama, genannt Ahok, galt als fähiger Manager, viele trauten ihm zu, den Moloch Jakarta in eine bessere Stadt zu verwandeln. Doch dann gelang es religiösen Eiferern, seinen Ruf zu zerstören und ihn wegen angeblicher Blasphemie vor Gericht zu zerren. Ahok musste ins Gefängnis, was liberale Indonesier schockte und auch seinen Vertrauten, Präsident Jokowi, beeindruckt haben dürfte. Auch er hatte mit Attacken aus dem religiösen Lager zu kämpfen. Gegner versuchten, ihn als anti-islamisch darzustellen oder rückten ihn in die Nähe der Kommunisten.

Viele Anhänger des Präsidenten fürchten nun um Toleranz und Pluralismus

Dass sich Jokowi einen konservativen Kleriker als Partner suchte, hat ihn vermutlich vor weiteren Angriffen abgeschirmt. Kurz vor der Wahl pilgerte er nach Mekka, alle sollten Jokowi als frommen Muslim sehen. Das kam an.

Die Allianz mit den religiösen Kräften irritierte aber auch viele seiner liberalen Anhängern. Sie fürchten um Toleranz und Pluralismus, wenn islamische Strömungen politisch so stark hofiert werden. Sie würden ihr Land lieber säkular ausrichten. Programmatisch lagen Jokowi und Prabowo nicht weit auseinander, doch der 67-jährige Ex-General schürte die Angst, das Land könne ohne einen starken Mann auseinander brechen. Schließlich machte er auch das Verhältnis zu China zum Wahlkampf-Thema, ein Punkt, der wegen der wohlhabenden, aber oft diskriminierten chinesischen Minderheit im Land sehr sensibel ist. Indonesier mit chinesischen Wurzeln litten im Laufe der Geschichte oft unter blutiger Verfolgung. Jokowi setzt auf chinesische Milliardeninvestitionen, das aber befeuert Vorwürfe, der Präsident werfe sich Peking in die Arme, mache sich abhängig, verrate nationale Interessen. Auch stößt vielen auf, dass Jokowi - mutmaßlich aus Rücksicht auf Peking - keine Kritik an der Verfolgung muslimischer Uiguren wagte. Jokowi verdankt seinen Aufstieg einem volksnahen und pragmatischen Stil. Eselang ihm, die Infrastruktur zu verbessern und Unternehmen zu fördern. Weniger erfolgreich war er beim Schutz von Minderheiten.

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