Augsburger Panther:Sogar der Hausmeister weint

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Zeichens des Abschieds? Panther-Trainer Mike Stewart nach dem Spiel am Dienstagabend vor der Augsburger Fankurve. (Foto: Christian Kolbert / Imago)

Nach dem 0:2 im letzten Halbfinalspiel gegen München bangen die Augsburger um ihren Coach. Es wird gemunkelt, Mike Stewart habe sich für einen Wechsel nach Köln entschieden.

Von Johannes Schnitzler

Im ersten Moment war da nur: Stille. Tiefe Stille und Tränen. Als Mike Stewart die Kabine der Augsburger Panther betrat, sagte niemand ein Wort. Bis der Trainer eine kurze Ansprache hielt. Darin kamen Wörter vor wie Stolz, Charakter und Arbeitsmoral. "Alle waren leise", sagte Stewart. Dann habe er jeden Spieler umarmt. "Einige hatten Tränen in den Augen."

Während draußen die Fans des AEV sangen und ihr Team nach dem 0:2 im entscheidenden siebten Halbfinale gegen den EHC Red Bull München feierten, als wären sie soeben in die Endspielserie der Deutschen Eishockey Liga gegen Mannheim eingezogen, begann drinnen die Trauerarbeit. Einer der Traurigsten war Brady Lamb. Der Kanadier hat 40 Prozent der Spielzeit auf dem Eis verbracht - in der gesamten Serie. Kein Spieler stand in den Playoffs länger auf dem Eis als der 30-jährige Abwehrchef, der seit fünf Jahren bei den Panthern seinen Dienst versieht. Wie ein Hausmeister, der die Scherben dieser WG-Party aus dem vierten Stock aus dem Hinterhof fegt, schaufelte er Scheibe um Scheibe aus der eigenen Zone, alle zwei Tage dieselbe Plackerei. Lamb, 1,85 Meter groß, 107 Kilo schwer, schwarzer Vollbart, ginge auch als Vorarbeiter einer Baumfällerbrigade durch oder als Präsident eines Biker-Klubs. Ab und an findet er ein wenig Abwechslung von des Alltags Last. Dann schiebt dieser Lamb seine 107 Kilo mit zwei, drei kräftigen Schlittschuhschritten in die gegnerische Zone, parkt an der Blauen Linie, holt einmal mächtig aus und hat den Puck ins Tor, dass es fast das Netz zerreißt. In den Playoffs hatte der Verteidiger vier Treffer erzielt, zwei gegen München, einen davon zum 2:1-Auswärtssieg in Spiel drei.

Und dann unterläuft ausgerechnet diesem Muster an Arbeitsmoral dieses demoralisierende Missgeschick: Beim Stand von 0:1 aus Augsburger Sicht schickt Münchens Patrick Hager einen Pass vor das Tor von Olivier Roy. Hager war bereits nach außen abgedrängt, es war ein Pass wie tausend andere zuvor, die Lamb aus der eigenen Zone geschaufelt hatte, Münchens Yasin Ehliz hatte er unter Kontrolle. Und dann springt dieser Puck von Hager an den linken Schlittschuh Lambs und von dort ins eigene Tor, unhaltbar selbst für den famosen Roy, der ihnen nicht nur in dieser Serie so oft den Hintern gerettet hatte. Dieses 0:2 (26.) nach Mads Christensen Führungstreffer (16.), "das war wie ein Dolchstoß", sagte Lamb. Augsburg sollte sich davon nicht mehr erholen.

"Wir hatten ein Ziel: ins Finale zu kommen und Meister zu werden", sagte Lamb. Im Moment überwiege die Enttäuschung den Stolz auf eine grandiose Saison. Jetzt wolle er nur abschalten, sich erholen. "Und dann geht es zurück ins Gym. Hoffentlich sind wir nächstes Jahr besser." Lambs Ehrgeiz und Loyalität sind verbrieft: Für die kommende Saison hat er einen neuen Vertrag bei den Panthern unterschrieben, auf seinem Oberarm prangt ein Tattoo des Augsburger Rathauses. "Das sind gute Leute hier", sagt er. Augsburg sei "a fun place to be", die Fans des AEV seien "mit Abstand die besten der Welt". Als eine halbe Stunde nach Spielende die Pressekonferenz beginnen sollte, feierten sie in der Kurve immer noch ihr Team. Ob dieses Team weiter von Mike Stewart gecoacht wird, ist indes fraglich.

Mehrere Quellen wollen wissen, dass der 46-Jährige sich für einen Wechsel nach Köln entschieden hat. "Unser Ziel war es, Meister zu werden, und wir waren nur einen Tick davon weg. Das tut weh", sagte Stewart am Dienstag. Auch für ihn sei die Situation "sehr emotional". Er werde ein paar Tage brauchen, um die Niederlage zu verarbeiten, und sich Zeit nehmen, "um alles zu bereden". Auf den Weg in die Kurve nahm er seinen gesamten Stab mit. Es sollte eine Geste der "Anerkennung" sein für die "unglaubliche Arbeit" aller, aber es sah nach Abschied aus. Hauptgesellschafter Lothar Sigl sagt: "Ich glaube, er wird sich die Entscheidung sehr schwer machen."

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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