Ukraine:Wahlsieger sagt Korruption den Kampf an

Der künftige Präsident Wolodymyr Selensky verspricht zudem, sich um ein Ende des Krieges mit Russland zu bemühen.

Von Frank Nienhuysen

Nach seinem Triumph bei der Präsidentenwahl in der Ukraine hat der bisherige Schauspieler Wolodymyr Selensky eine Erneuerung des Landes versprochen. Er wolle nun "als einfacher Mensch" das von Korruption geprägte System zerstören, kündigte der 41 Jahre alte designierte Staatschef an. In Bezug auf den Krieg im ostukrainischen Donbass versprach Selensky, alles zu versuchen, um "die Feindseligkeiten zu beenden". Das Wichtigste sei, "unsere Jungs lebend nach Hause zu bringen" und alle Gefangenen freizubekommen. Selensky hatte am Sonntag in einer Stichwahl mit 73 Prozent der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Petro Poroschenko gewonnen, der lediglich auf etwa 24 Prozent kam. Die Ukraine steht nun vor einer Zäsur, denn noch nie hat ein politisch derart unerfahrener Kandidat eine Präsidentenwahl gewonnen.

Selensky ist als Protagonist der Comedy-Serie "Diener des Volkes" bekannt geworden, in der er einen Präsidenten spielt. Bei der Stichwahl profitierte er maßgeblich von der Schwäche Poroschenkos, dem viele Ukrainer vorhalten, dass er in seiner fünfjährigen Amtszeit die Korruption nicht eingedämmt habe und der Konflikt im Osten des Landes noch immer ungelöst sei. Trotz der zuletzt leicht gewachsenen Wirtschaft ist die Armut eines der gravierendsten Probleme geblieben; viele Ukrainer spüren trotz der Visafreiheit für Reisen in die EU kaum Fortschritte.

Poroschenko, der 2014 das Präsidentenamt nach dem Sturz und der Flucht von Viktor Janukowitsch nach Russland übernommen hatte, räumte seine Niederlage ein und kündigte an, dass er zwar aus seinem Amt, aber keinesfalls aus der Politik ausscheiden werde. Im Parlament, das im Herbst ebenfalls neu gewählt wird, hat das Poroschenko-Lager noch eine Mehrheit.

Selensky strebt wie Poroschenko eine Annäherung des Landes an die Europäische Union an. Für einen möglichen Beitritt zur Nato will er zuvor die Bevölkerung in einem Referendum befragen. Vor allem jedoch erwarten die Ukrainer greifbare Fortschritte beim Lebensstandard sowie einen massiven Einsatz gegen Korruption und für eine transparentere Justiz. Unklar war allerdings auch am Tag nach seinem Wahlsieg, mit welchem Personal Selensky die nötigen Reformen erreichen will. Entsprechend reagierten viele Staaten auf Selenskys Erfolg mit einer Mischung aus Zuversicht und dezenten Mahnungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, die Stabilisierung der Ukraine liege ihr "ebenso am Herzen wie die Durchführung zentraler Reformen der Justiz, der Dezentralisierung und der Korruptionsbekämpfung". Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sowie Ratspräsident Donald Tusk riefen zur Reform von Justiz und des Energiesektors auf. Sie versicherten, dass die EU Kiew dabei unterstütze. Verhalten reagierte Russland auf die Wahl Selenskys. Regierungschef Dmitrij Medwedjew sprach von einer Chance auf eine "bessere Zusammenarbeit", der Kreml hielt es aber auch am Montag für verfrüht, um Selensky zur Wahl zu gratulieren.

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