Jahn Regensburg:Der Aufräumer

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Vier Jahre war Torwart Philipp Pentke ein Rückhalt der Regensburger Erfolgsgeschichte.

Von Johannes Kirchmeier

Immer wenn ein Raunen durch das Stadion ging, dann wusste er: Bald kommt wieder Arbeit auf ihn zu, denn gerade flog wieder eine Sitzschale los. Die Plastikungetüme wurden vor zwei Jahren zur Ursache, dass der Fußball-Torwart Philipp Pentke, 33, vom SSV Jahn Regensburg zeitweise als Müllmann aushelfen musste und so zum Hauptprotagonisten aufstieg an jenem denkwürdigen Abend in der Arena im Münchner Norden. Weil Pentke beim 2:0 für den Zweitliga-Aufsteiger hielt, was er halten musste, aber auch wegwarf, was er wegwerfen musste.

Der unterlegene Relegationsgegner TSV 1860 München spielte, wie sich später herausstellen sollte, zum letzten Mal in seiner Vereinsgeschichte dort als Gastgeber, er stürzte von der zweiten in die vierte Liga ab. Sitze und Fahnenstangen warfen die Löwen-Fans in Pentkes Strafraum, nachdem sie sich in aussichtsloser Lage entschieden, zum Abschied die Nordtribüne abzubauen. "Dass ich mit zehn Ordnern alles beseitigt habe, während woanders auf dem Spielfeld gerade der Ball rollte, das war schon eine extreme Situation - auch nervlich. Aber ich war so fokussiert, da hätte alles kommen können und ich hätte es irgendwie hingekriegt", sagt Pentke am Gründonnerstag auf der Tribüne des Regensburger Trainingsgeländes am Kaulbachweg.

Er hat einen Kaffeebecher in der Hand, die Sonne scheint auf die roten und weißen Holzbänke der Tribüne, vor Pentke spritzen die Rasensprenger das Gras nass, die übliche Ruhe vor dem Training. Der Torwart wird hier allerdings nicht mehr lange über den Rasen hüpfen, er wird den Verein nach seinem Vertragsende nach der Saison verlassen. Vier Jahre lang war er dem Jahn ein überragender Rückhalt. Mit dem gebürtigen Freiberger stieg der Klub von der vierten in die zweite Liga auf und schaffte, das steht in dieser Saison bereits fest, auch in der zweiten Zweitliga-Spielzeit den Klassenverbleib, was noch nie gelang. Weil er fast unwirklich viel Erfolg in der Oberpfalz hatte, geht Pentke auch mit einer Mischung aus Freude und Traurigkeit.

Die Freude zieht er daraus, dass er künftig wohl mehr Zeit mit seiner Lebensgefährtin, der niederländischen Handballerin Maura Visser (SG BBM Bietigheim), und seiner einjährigen Tochter Mexie-Sophia verbringen kann. "Meine Tochter ist das Wichtigste für mich. Das bedeutet nicht, dass ich nächste Saison beim FSV 08 Bissingen in der Oberliga spiele", sagt er und lacht. "Aber ich möchte meiner Tochter näher sein." Sein neuer Klub werde den Wechsel zu gegebener Zeit verkünden. Ob Pentke sich auch sportlich verbessert? "Das liegt im Auge des Betrachters", sagt er. "Es ist immer schön, wenn das Sportliche und das Private zufriedenstellend sind."

In Regensburg drängte ihn sein bevorstehender Weggang beim 2:2 bei Union Berlin zuletzt in eine ungewohnte Rolle: Dort spielte sein Ersatzmann André Weis, 29. Der sollte unter Betriebsbedingungen für die Zukunft testen, Pentke saß auf der Bank, nicht unbedingt glücklich, aber verständnisvoll. "Wir brauchen einen Torwart, der was ausstrahlt, der eine Abwehr leiten und lenken kann, wie es Philipp die letzten Jahre getan hat", sagt Trainer Achim Beierlorzer. Das will er von Weis sehen, der auch am Sonntag gegen Magdeburg (13.30 Uhr) starten wird. Unabhängig von Weis' Leistungen werde noch ein weiterer Torhüter dazukommen.

Die Geschichte jenes Abends im Mai 2017 in München, der ihn und seinen Verein ganz Deutschland bekannt machte, hat Pentke oft erzählt. Trotzdem hält er inne, als er gerade darüber redet, was wohl passiert wäre, wenn ihn eine Sitzschale getroffen hätte. Wie gefährlich das damals wirklich war, hat er erst realisiert, als das Adrenalin abgebaut war. "Das wird so wohl kein zweites Mal vorkommen. Mittlerweile würde das alles sofort unterbunden werden", meint er. "Die Aktion ist idiotisch. Aber dass die Leute so einen Zorn haben, verstehe ich." Vier Jahre spielte er schließlich für die zweite Mannschaft des TSV 1860. "Das war für die Menschen damals so, wie wenn man ihnen das Herz rausreißt." Gemeinsam mit dem Schiedsrichter Daniel Siebert und der Polizei entschied er, weiterzuspielen und in ruhigen Sekunden aufzuräumen.

Seinem Ruf als Torwart hat das sicher nicht schlecht getan. Wenn einen so ein Spiel in München nicht umhaut, dann haut einen ein Schuss eines Zweitliga-Stürmers auch nicht um. Seine Standhaftigkeit in Eins-gegen-eins-Situationen ist ohnehin eine seiner Stärken - vielleicht auch, weil er bis zur B-Jugend immer mal wieder als Stürmer spielte. Meistens sieht er dem Gegner schon an, wenn er eine Idee hat. "Dann versuche ich, ihm so lange wie möglich nichts anzubieten. Er muss ins Denken kommen. Und in dem Moment, in dem er damit anfängt, schnappe ich zu." Das sind die Situationen, in denen Philipp Pentke das Raunen im Stadion dann gar nicht mehr so richtig wahrnimmt.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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