Anschläge in Sri Lanka:Wenn der Glaube mit dem Leben bezahlt wird

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Die Attentäter von Sri Lanka haben den Tag des Mordens - das Osterfest - mit zynischer Berechnung gewählt. Wer betende Menschen umbringt, hat die Menschlichkeit insgesamt im Visier.

Kommentar von Matthias Drobinski

Besser - in einem ebenso zynischen wie makaberen Sinn - hätten die angeblich islamistischen Attentäter in Sri Lanka ihre Mordtaten nicht planen können. Sie schlugen zu, als die Christen dort Ostern feierten, das Fest der Auferstehung und der Hoffnung darauf, dass Tod und Leid, Hass, Gewalt und Ungerechtigkeit nicht das letzte Wort in der Geschichte haben werden. Die Gewalt gegen die Betenden ist der nihilistische Gegenentwurf zu diesem Osterglauben.

Und die Täter haben bewusst und unter Beachtung der Gesetze der weltweiten Medienaufmerksamkeit die Christen im Land zum Ziel gewählt. In Sri Lanka sind sie eine Minderheit von nur sieben Prozent der Bevölkerung, doch in den Vorstellungen ihrer Mörder stehen sie für "den" verhassten Westen. Ein Anschlag gegen Buddhisten, gegen Angehörige der Mehrheits- und Staatsreligion also, hätte möglicherweise das Entsetzen außerhalb des Landes begrenzt. So aber tritt am Ostertag ein sichtlich erschütterter Papst Franziskus vor die Gläubigen in Rom; über der weltweiten Osterfreude der Christen liegt ein Schatten.

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Es vergeht kaum noch eines der Hauptfeste der Christenheit, ohne dass von irgendwoher Gewalt und Terror gegen Christen und ihre Kirchen gemeldet wird. Man sollte Angaben der Organisation "Open Doors" mit höchster Vorsicht begegnen, der zufolge die Christen die mittlerweile am meisten verfolgte Religionsgemeinschaft der Welt sind. Aber tatsächlich bezahlen viele Christen, ob in Indien oder Pakistan, im Mittleren Osten oder in Afrika, ihren Glauben mit ihrer ökonomischen und gesellschaftlichen Existenz, ihrer Heimat, ihrer Gesundheit und auch ihrem Leben.

Feinde ohne Lebensrecht

Sie zahlen den Preis dafür, dass für die längst noch nicht besiegten islamistischen Terroristen und ihre ideologischen Helfershelfer Christen nicht die respektierten Schriftbesitzer sind, wie es im Koran heißt und wie es also dem Islam gemäß wäre, sondern Feinde ohne Lebensrecht. Sie zahlen den Preis dafür, dass ökonomische, ethnische und regionale Konflikte zunehmend religiös instrumentalisiert und aufgeladen werden - in Sri Lanka zum Beispiel auch durch den regierungsamtlichen Buddhismus, der die Christen bedrängt und auch die muslimische Minderheit, die nun, nach den Anschlägen, neue Repression treffen dürfte. Und sie zahlen den Preis dafür, dass es auch im Westen Kreuzzugsprediger gibt, die daran glauben, dass die Welt vor der großen Endschlacht um die Herrschaft der wahren Religion stehe.

Wer betende Menschen ermordet, hat die Menschlichkeit insgesamt im Visier; und dort, wo die Religionsfreiheit getreten wird, geht es meist auch den anderen Menschenrechten schlecht. Papst Franziskus, der Erschütterte, hat am Ostersonntag deshalb die richtige Antwort auf die Ermordung der Betenden gegeben: Er hat gebetet, für alle Menschen, die von der Gewalt getroffen sind und von der globalen Gleichgültigkeit gegenüber ihrem Schicksal - ob Muslim oder Christ, ob gläubig oder nicht.

Ja, Polizisten und Ermittler müssen ihre Arbeit tun, und auch in Deutschland ist ein hartes Nein nötig zu jedem aggressiven religiösen Fundamentalismus, der dem Nicht- und Andersgläubigen das Existenzrecht bestreitet. Die stärkste Antwort der Christen aber wäre ihre Osterhoffnung: Hass, Gewalt und Menschenverachtung werden nicht bestehen bleiben.

© SZ vom 23.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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