Geldanlage:"Ein ganz langweiliges Produkt"

Lesezeit: 4 min

Wegen ihrer passiven Strategie eignen sich börsengehandelte Fonds für die langfristige und günstige Geldanlage, sagt der Ökonom Andreas Hackethal. Sparer sollten jedoch bloß nicht Trader spielen.

Interview von Lea Weinmann

Exchange Traded Funds (ETF) werden an Börsen gehandelt, wie etwa hier in New York. Online können sich Anleger günstig ein Depot zusammenstellen. (Foto: imago/Westend61)

Börsengehandelte Fonds sind zu einem beliebten und günstigen Einstieg in die Geldanlage geworden. Doch angesichts eines immer größeren Angebots fällt es privaten Anlegern zunehmend schwer, das Richtige für sich zu finden. Andreas Hackethal ist Wirtschaftsprofessor an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und beschäftigt sich mit dem Anlegerverhalten privater Haushalte und der Digitalisierung der Finanzbranche. Im Interview spricht er darüber, wie man die Vorteile von Exchange Traded Funds (ETF) für sich nutzen kann - und was man lieber lassen sollte.

SZ: Was sind ETF überhaupt?

Andreas Hackethal: Wie der Name "Exchange-Traded Funds" schon sagt, sind das Investmentfonds, die auf Börsen gehandelt werden. Klassischerweise bilden ETF einen Index ab: Ein DAX-ETF zum Beispiel spiegelt die 30 DAX-Aktien in der entsprechenden Gewichtung. Wenn der Dax also um zwei Prozent steigt, so macht dies auch der ETF.

Was ist der Unterschied zu klassischen Fonds?

Ein ETF wird über die Börse bezogen, klassische Fonds entweder direkt von der Fondsgesellschaft oder mittels Bankberatung. Für die Beratung werden bei Fonds Ausgabeaufschläge fällig. Die gibt es beim ETF nicht - dafür gibt es Handelskosten. Der zweite Unterschied: Die größten ETF bilden einen Index ab und verfolgen damit passive Anlagestrategien. Es gibt keinen Fondsmanager, der die Zusammenstellung des Fonds ändert, sondern der ETF ist fest an den Index gekoppelt. Man könnte sagen, ein ETF ist ein ganz "langweiliges" Produkt.

Wo liegen die Vorteile dieser "langweiligen" Geldanlage?

Tatsächlich predigen die Lehrbücher für gesunde Geldanlagen genau solch eine langweilige Strategie. Dort steht: Streuen Sie Ihre Mittel so weit wie möglich über Länder und Branchen, halten Sie die Fondskosten möglichst klein und teilen Sie Ihr Geld so zwischen riskanten und sicheren Anlagen auf, wie es Ihrem Risikoappetit entspricht. Das lässt sich mit ETF leicht umsetzen. Sie bilden oft große Aktienmärkte ab - einen europäischen, amerikanischen oder gar einen weltweiten Index und sind damit fast immer breit gestreut. Die Kosten von ETF liegen weit unter denen normaler Aktienfonds. Und da das Risikoprofil eines ETF klar umrissen ist, können Sie sie gut als Baustein für eine Risikoverteilung nach Ihrem Geschmack verwenden.

Für wen bieten sich ETF an und für wen sind sie gar nichts?

Die drei Vorteile machen ETF zum Freund langfristiger Anleger mit ruhiger Hand. Sie sollten ein Grundverständnis für Wertpapierindizes und Fondskosten mitbringen, denn es gibt mittlerweile tausende ETF. Natürlich kann man Vergleichswebseiten, Finanztests oder Medienberichte zur Information nutzen. Anleger sollten ETF jedoch nicht zweckentfremden. In einer umfassenden Untersuchung zum Umgang von Hobbytradern mit ETF fanden wir heraus, dass ETF auch eingesetzt wurden, um auf bestimmte Marktphasen oder enge Teil-märkte zu wetten. Einige Trader verwenden also diese vermeintlich langweiligen Produkte, um selbst Fondsmanager zu spielen. Im Ergebnis lagen diese Anleger deutlich schlechter, als wenn sie einen Welt-ETF gekauft und ihn einfach liegen gelassen hätten.

Wie hoch ist das Risiko bei ETF?

Klassische Aktienfonds und Aktien-ETF nehmen sich in dieser Hinsicht nicht viel. Sie nutzen beide die Risikoreduktion durch Streuung aus. Gemäß einer Faustregel ist das Risiko eines breiten Index in etwa halb so groß wie das einer einzelnen Aktie - bei gleicher Renditeerwartung. Die Fondsbranche nimmt für sich in Anspruch, dass aktive Fondsmanager zudem hohe Verluste vermeiden können, weil sie ein Gespür dafür hätten, wann die Märkte nach unten gehen und dann umschichten können - während der ETF immer vollständig den Markt abbildet. Die Empirie spricht aber dagegen: Diese Paradedisziplin der Geldanlage - nämlich zum richtigen Zeitpunkt kaufen und verkaufen - beherrscht niemand. Dazu sind die Märkte einfach zu hart umkämpft.

Welche Gebühren fallen bei ETF an?

Es gibt geringe Transaktionskosten für den Kauf und Verkauf von ETF, die liegen bei Onlinebanken oft noch niedriger. Der zweite Kostenblock sind wie bei klassischen Fonds auch Verwaltungsgebühren, die direkt vom Anlagevolumen abgezogen werden. Die bewegen sich bei ETF zwischen null und einem Prozent. Mittlerweile liegen sie für bekannte Indizes unter 0,3 Prozent, weil der Konkurrenzdruck zwischen den Anbietern steigt.

Es gibt auch ETF, die keinen Leitindex abbilden, sondern wie klassische Fonds auf aktive Anlagestrategien bauen. Was halten Sie davon?

Hier wird die Grundidee eines ETF konterkariert, nämlich breite Streuung, niedrige Kosten, passive Strategien. Mittlerweile gibt es auch ETF, die Extrarenditen durch ausgefeilte aktive Strategien versprechen und bei denen die Kosten denen von klassischen Fonds kaum noch nachstehen. Nicht alles, wo ETF draufsteht, bietet auch die gemeinhin damit verbundenen Vorteile.

Zu welchem Basiswert raten Sie denn?

Zu den Klassikern: vor allem Aktien, aber auch Unternehmensanleihen und Staatsanleihen. Überzeugende Immobilien-ETF gibt es sehr wenige und eine geringe Beimischung von Rohstoff-ETF eignet sich erst bei größeren Anlagevolumina. Unter 50 000 Euro empfiehlt sich eine einfache Aufteilung auf drei breit gestreute Aktien-ETF und einen breit gestreuten ETF auf Staatsanleihen.

Was muss ich konkret machen, wenn ich ETF kaufen will?

Sie können einen Berater hinzuziehen, der für seine Leistung ein extra Honorar verlangen wird, weil er an einem ETF sonst nichts verdient - wegen des fehlenden Ausgabeaufschlags. Zweite Möglichkeit: Sie machen es allein und stellen sich online ein Depot aus ETF zusammen. Das geht zum Üben auch schon mit kleinen Beträgen - zum Beispiel 25 Euro pro Monat - um erst einmal ein Gefühl für Rendite und Risiko zu bekommen. Oder Sie arbeiten mit einem Robo Advisor, der Ihnen gegen Gebühr ein Portfolio aus ETF zusammenstellt, und zwar nach Ihrem persönlichen Risikowunsch und unter permanenter Prüfung.

Würden Sie bei ETF zu Robo Advisors, also einer automatisierten Geldanlage, raten?

Gerade am Anfang haben Geldanleger viele Fragen: Welchen ETF soll man wählen? Wie viel Risiko? Welche Aufteilung? Das kann überfordern und kostet Zeit. Für diejenigen, die sich das selbst nicht zutrauen und denen eine normale Beratung zu teuer ist, lohnt sich ein Robo Advisor.

Es gibt mittlerweile auch Robo Advisors, deren Algorithmen aktive Anlagestrategien verfolgen.

Die meisten Robo Advisors sind aus gutem Grund passiv ausgelegt. Denn aktive Robo Advisors werben letztendlich mit demselben Anspruch wie klassische Fonds, nämlich bestimmte Marktphasen vorauszusagen und auszunutzen. Jedoch gilt für Robo-Algorithmen dasselbe wie für Fondsmanager: Langfristig müssen sie sich dem Markt geschlagen geben.

© SZ vom 27.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: