Nachtleben:München soll einen "Nachtbeauftragten" bekommen

Nachtschwärmer auf dem Gärtnerplatz in München, 2014

Im Sommer wird es auf dem Gärtnerplatz nicht nur laut, die Nachschwärmer hinterlassen auch Flaschen und Müll.

(Foto: Florian Peljak)
  • Um Konflikte und Probleme rund um das Nachtleben künftig besser schlichten oder beheben zu können, plant das Sozialreferat eine neue Fachstelle.
  • Welche Aufgaben die Fachstelle genau bekommen soll, ist noch nicht bekannt.
  • Clubbetreiber sind zufrieden mit den Vorschlägen.

Von Stefan Mühleisen

München wird zwar keinen "Nachtbürgermeister" bekommen, wie es ihn in anderen Städten gibt - dafür aber womöglich einen "Nachtbeauftragten". Wie Sozialreferentin Dorothee Schiwy bestätigt, soll dem Stadtrat noch vor der Sommerpause ein Beschluss zur Einrichtung einer "Fachstelle nächtliches Feiern" vorgelegt werden, deren Chefinnen- oder Chefposition der oder die "Nachtbeauftragte" ausfüllen soll. "München lebt von seiner Kultur- und Nachtszene, die auch immer wieder zu Konflikten mit der Anwohnerschaft an den Feier-Hotspots führt. Mit dem Nachtbeauftragten setzt die Stadt München auf gegenseitige Verständigung", sagt Schiwy.

Die neue Behördeneinheit ist das Ergebnis eines fast zwei Jahre andauernden Diskussionsprozesses. Der Stadtrat hatte im Sommer 2017 dem Sozialreferat den Auftrag erteilt, eine gesamtstädtische Strategie für das nächtliche Feiern in der Stadt zu erarbeiten. Denn der Druck auf die öffentlichen Plätze und Grünanlagen steigt; die Münchner wollen des nächstens mehr draußen sein und urbanes Nachtleben genießen. Damit häufen sich die Konflikte mit Anwohnern, nicht nur an den Feier-Hotspots Gärtnerplatz oder Müllerstraße, auch an Plätzen in den Stadtvierteln.

Dabei ist das Nachtleben ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um Touristen und Arbeitskräfte. Es gibt in der Stadt laut einer Erhebung des Wirtschaftsreferats vom Juli 2018 zwischen 300 und 500 Betriebe, die zwischen 22 Uhr und den Morgenstunden offen haben. Nach einer Schätzung des Verbands der Münchner Kulturveranstalter hält sich der Jahresumsatz allein der 70 Mitgliedsbetriebe die vergangenen Jahre konstant bei insgesamt 113 Millionen Euro. Gemäß einer deutschlandweiten Gästebefragung rangiert das hiesige Party- und Nachtleben an achter Stelle der wichtigsten Gründe für einen München-Besuch.

Die Kehrseite ist allerdings: Lärm und Müll - und allerlei Reibereien mit Anwohnern. Der Strategieprozess des Sozialreferats wollte eine möglichst liberale Lösung finden, um die Belange der Bevölkerung, der Verwaltung und der Club-Betreiber unter einen Hut zu bekommen. Zunächst wurden sie dafür an acht Terminen mit Vertretern aus Bezirksausschüssen und Stadtrat an einen Tisch gebracht, um möglichst alle Aspekte durchzudeklinieren, vom Wildbieseln bis zu Sachbeschädigung.

Als Konsequenz wurde ein Nachtbürgermeister verworfen, also eine solitäre, städtisch finanzierte Schaltstelle, wie es sie in London, Amsterdam oder auch in Mannheim gibt - und wie sie die Stadtratsfraktion der Grünen/Rosa Liste per Antrag gefordert hatte. Das Sozialreferat hält eine Fachstelle, welche die heterogenen Problemstellungen bearbeitet, für sinnvoller - ein Querschnittsamt als Vermittler zwischen Politik, Wirten, Anwohnern und Verwaltung. "Regelmäßige Kontakte zu Club-Betreibern und zu Anwohnern als auch ein runder Tisch mit allen Betroffenen sollen unter anderem ermöglichen, künftig nicht nur zu reagieren, sondern auch proaktiv Lösungen zu finden", formuliert Sozialreferentin Schiwy ihre Vorstellung für die Fachstelle und die Nachtbeauftragten-Position.

In der Clubszene kommt der Plan gut an

Über Kompetenzen und Stellenausstattung will sie vor der Befassung im Stadtrat keine Aussagen machen. Angedacht ist, dass der oder die Nachtbeauftragte mit Team an die Stabsstelle "Allparteiliches Konfliktmanagement in München" (Akim), angesiedelt beim Amt für Wohnen und Migration im Sozialreferat, angeschlossen wird. "Wir haben uns jahrelang bemüht, ein Netzwerk mit Nachtkulturbetreibern aufzubauen", sagt Stabsstellenleiterin Eva Jüsten. Die Fachstelle könne dafür ein zentraler Anlaufpunkt sein, "auch, weil wir viel Erfahrung mit Konflikten mit Anwohnern und einen sehr guten Draht zu Club-Betreibern haben", so Jüsten.

In der Clubszene kommt der Plan ziemlich gut an, zumindest zeigt sich der Vorsitzende des Verbands der Münchner Kulturveranstalter und Betreiber des Clubs "Harry Klein", David Süß, angetan. "Es ist eine sehr gute Lösung", sagt der 53-Jährige, der seit mehr als 30 Jahren im Münchner Nachtleben als Veranstalter aktiv ist. Die Pop- und Subkultur mache München, neben der Hochkultur, lebenswert, betont er. "Doch bisher hat die Nachtkultur in Politik und Verwaltung keine Lobby."

Süß hat an den Strategiesitzungen teilgenommen, zusammen mit Kollegen wie Kulturveranstalter Daniel Hahn oder "Urban League"-Geschäftsführer Dierk Beyer. "Von einem Nachtbeauftragten, der bei Akim angesiedelt ist, haben wir mehr als von einem einzelnen Nachtbürgermeister", sagt Süß. Die Akim-Mitarbeiter stünden mit allen Beteiligten in Kontakt, wüssten um spezifische Probleme. Indes sieht Süß den "Nachtbeauftragten" nicht nur als Fürsprecher, sondern auch als Vordenker: "Es braucht strategische Überlegungen, wo und wie Nachtkultur zukünftig in München stattfinden soll, wie sie überhaupt erhalten werden kann und wo es Freiräume für junge Menschen gibt."

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