Autofreie Straßen:Wo Fußgängerzonen besonders schön wären

Sendlinger Straße in München, 2017

Zumindest zeitweise könnten weitere Orte in München autofrei werden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die CSU fordert, Straßen im Sommer für Autos zu sperren. Wir hätten da neun Vorschläge, welche Orte sich dafür anbieten.

Von Dominik Hutter, Sebastian Krass, Berthold Neff, Andreas Schubert und Melanie Staudinger

Einfach mal dort spazieren gehen, wo sonst Autos und Lastwagen rollen. Einfach mal keinen Verkehrslärm ertragen müssen, sondern den öffentlichen Raum zu Fuß erobern. Die CSU wünscht sich, dass dies in München im Sommer vorübergehend möglich wird. Deshalb hat die Stadtratsfraktion kürzlich beantragt, an verschiedenen Sonntagen abwechselnd in jedem Stadtbezirk an geeigneten Straßenabschnitten temporäre Fußgängerzonen auszuweisen. Die Bürger täten ihrer Gesundheit etwa Gutes und leisteten gleichzeitig einen Beitrag zur Luftreinhaltung. Die Stadt, so die Überlegung der CSU, könnte dabei diese temporären Fußgängerzonen eigenständig "bespielen", also etwa über Themen wie Naturschutz und Gesundheitsprävention informieren oder auch touristische Aspekte präsentieren.

Die Idee, Straßen für den Verkehr vorübergehend zu sperren, ist beileibe nicht neu, die Grünen hatten es in der Vergangenheit wiederholt versucht. Und immer wieder hat die Stadtverwaltung eine Abfuhr erteilt. Denn so einfach ist es offenbar nicht. Für eine temporäre Sperrung braucht es laut Straßenverkehrsordnung einen konkreten Anlass, etwa eine Baustelle. Aber auch für ein Fest dürfen Straßen gesperrt werden. So entstanden seinerzeit aus der ursprünglichen Idee, die Ludwig- und Leopoldstraße kurzzeitig den Fußgängern zu überlassen, das Street Life Festival und der Corso Leopold. Es müsste sich also auch in den jeweiligen Stadtbezirken irgendein Anlass finden, eine Straße umzuwidmen.

Eine reizvolle Vorstellung: Jeden Sommersonntag ein Straßenfest, irgendwo in München.

Bunt und lebendig

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(Foto: Robert Haas)

Würde man die Westendler fragen, wo denn die zentrale Meile des Stadtviertels verläuft, hätte die Schwanthalerstraße bestimmt gute Chancen. Natürlich nicht die mehrspurige Schneise unterhalb der Hangkante, sondern der holprige, enge und nur wenig gentrifizierte Abschnitt zwischen der mächtigen Betonburg an der Schießstättstraße und der Ganghoferstraße. Hier geht es alles andere als repräsentativ zu, jeder Vergleich mit Schnösel-Furten à la Leopoldstraße verbietet sich. Dafür ist es bunt und lebendig auf den eigentlich viel zu schmalen Gehwegen, an den Tischen der - nun ja - nicht immer und jederzeit nach Michelin-Sternen schielenden Imbiss-Lokale sowie in den zumeist recht kleinen Läden. Das östliche Entree verheißt Nostalgikern eine Reminiszenz an den längst untergegangenen Ostblock: Dort steht das "Gasthaus zum Riedwirt" vulgo das "Döner macht schöner"-Haus - ein seit vielen Jahren leer stehender und längst völlig verrotteter Altbau, der so marode ist, dass schon die Gehwege drumherum mit Absperrungen gesichert sind. Den Gegenpol bildet ein gepflegtes französisches Lokal nur eine Kreuzung weiter, dem wiederum ein dazugehörendes Café mit dem Namen eines Pariser Stadtviertels gegenüberliegt. So ließe es sich flanieren vom Ostblock in Richtung Westen, vorbei an Lokalen wie dem "Schweizerhaus" oder dem "Schwarzen Dackel" - was viel angenehmer wäre, wenn statt der parkenden Autos jede Menge Tische und Stühle mitten auf der Straße aufgestellt wären. Sommer im Westend, es könnte so schön sein.

Im Kreisel sitzen

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(Foto: Robert Haas)

Ein Nachmittag in der Sonne. Ein Eis am Gärtnerplatz. Man sitzt auf einer der vielen Bänke, blickt auf das Gärtnerplatztheater, das endlich nicht mehr verhüllt ist. Man lauscht und hört nichts außer - den Dutzenden Autos, die ständig um einen herumkurven. Es mag auf Besucherinnen aus einer anderen Stadt erst einmal befremdlich wirken, dass sich die Münchner mitten in einen Kreisverkehr voller Blumenbeete legen, aber die Touristen und Tagesausflügler können auch nicht wissen, dass die Mitte des Platzes vor mehr als zehn Jahren noch eine Wiese war. Der Gärtnerplatz sah wie ein kleiner Park aus, und auch heute gibt es wirklich keinen Grund, warum so viele Autos und so viele Busse durch das Viertel fahren sollten. Vom Gärtnerplatz ist es nicht weit zur Trambahn, Haltestelle Reichenbachstraße. Und auch nicht weit zur U-Bahn. Haltestelle Fraunhoferstraße. Das Viertel verbindet die Innenstadt und die Isar, es gibt Dutzende kleine Geschäfte sowie Cafés und Bars und wenn die vielen parkenden Autos nicht wären, könnte man schon heute hervorragend durch die Straßen flanieren. Manche Menschen im Viertel wünschen auch sich eine Fußgängerzone, im vergangenen Jahr sammelte eine Initiative mehr als 800 Unterschriften ein. Die Leute forderten, dass nur noch Anwohner und im Viertel Arbeitende mit dem Auto in die Straßen fahren dürfen und die Reichenbachstraße zu einem Boulevard ganz ohne störende Fahrzeuge werde. Inmitten der Straße könnte man dann vom Viktualienmarkt zum Fluss laufen. Und wenn man inmitten des Kreisverkehrs sitzt, ist diese Vorstellung ziemlich schön.

Museen verbinden

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(Foto: Robert Haas)

Geht es um die Aufhübschung des Museumsareals in der Maxvorstadt, taucht stets auch die Idee wieder auf, die Barer Straße für Autos dichtzumachen. Denn die nach einem französischen Kriegsschauplatz (Bar sur Aube) benannte Trasse bildet eine Schneise zwischen Alter und Neuer Pinakothek auf der einen und Pinakothek der Moderne plus Brandhorst-Museum auf der anderen Seite. Sie zu sperren, könnte eine großzügige autofreie Fläche inmitten der Maxvorstadt schaffen, einen künstlerischen Spazierweg zwischen 14. und 21. Jahrhundert sozusagen. Umfahrungsmöglichkeiten gibt es für Autofahrer zuhauf, die verkehrliche Bedeutung der Barer Straße ist überschaubar - auch wenn sie im Stadtplan noch wie eine Hauptverkehrsader daherkommt. Eher ungeschickt wäre es wohl, auch noch die Trambahn aus dem Straßenzug herauszunehmen - da die Pinakotheken gut per MVV erreichbar bleiben sollten, müssten die Flaneure diese Kröte wohl schlucken. Man kann dann ja, wenn man fußmüde ist, auch einsteigen. Vor allem, wenn es zu regnen beginnt.

Ohnehin fast perfekt

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(Foto: Robert Haas)

Eigentlich erfüllt die Occamstraße zwischen Feilitzschstraße und Haimhauserstraße schon jetzt fast alle Kriterien, die für eine Fußgängerzone wichtig sind: Sie liegt zentral zwischen Englischem Garten und Münchner Freiheit. Sie beherbergt eine beträchtliche Zahl an Restaurants mit sonnigen Freischankflächen - japanische Küche ist ebenso vertreten wie die US-amerikanische in Form von Burgern oder die italienische. Dazu kommen Bars und das Vereinsheim mit der Kleinkunstbühne. Einzig die Autos, die den Straßenrand zuparken, stören das Bild. Das aber ließe sich problemlos durch ein schlichtes Durchfahrverbot lösen. Und die Parkplätze fehlen wahrscheinlich kaum jemanden. Wer mal ein paar Stunden dort in der Sonne verbracht hat, kommt schnell zu der Überzeugung, dass ohnehin niemand, der sein Fahrzeug dort einmal abgestellt hat, es je wieder bewegt. Die einzigen Autos, die vorbeifahren, sind diejenigen, die eine Abstellfläche suchen. Und das müssten sie dann halt woanders machen.

Von der Weißenburger Straße bis zur Ehrengutstraße

Einfach verlängern

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(Foto: Robert Haas)

In der Weißenburger Straße ist der Anfang schon gemacht. Seit 1975 ist der Abschnitt zwischen Rosenheimer Platz und Weißenburger Platz Fußgängerzone, die erste in München "außerhalb des City-Bereichs", wie OB Georg Kronawitter zur Eröffnung sagte. Morgens sitzen die Leute vor den Cafés bei Espresso und Croissant. Abends tagen sie vor dem Italiener bei Wein und Pasta. Die streunenden Kinder brauchen sie nur mit einem Auge im Blick zu haben. Ab und zu fährt ein Radler verbotenerweise und etwas zu forsch vorbei. Aber das regt hier keinen auf. Der weitere Verlauf der Weißenburger Straße über den Pariser Platz bis zum Orleansplatz hingegen nervt. Weil die Straße beliebt zum Einkaufen ist, sind die Bürgersteige oft zu eng. In der Mitte wiederum kurven Pkw, Lieferwagen und Radler ständig im Zickzack umher, weil einer in der zweiten Reihe steht. Wenn die Autos aus der Straße verschwinden und der Lieferverkehr auf den Morgen beschränkt ist, dann wird das schöne Haidhausen noch menschenfreundlicher.

Flanieren im Ortskern

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(Foto: Robert Haas)

Das Scheppern der Masskrüge, das Stimmengewirr der Gäste in den Bier- und Wirtsgärten: Mehr wäre nicht zu hören beim Flanieren durch den alten Ortskern von Großhadern - wenn die Heiglhofstraße auf ihrem letzten Abschnitt, zwischen Marchionistraße und der Kreuzung zur Würmtalstraße, für den Autoverkehr gesperrt wäre. Dass so etwas funktioniert, ist jeden Samstag in der Guardinistraße zu besichtigen. Die wird dann vormittags auf einem Teilabschnitt gesperrt, weil am Haderner Stern der Wochenmarkt stattfindet. Mittwochs hingegen, wenn von 13 bis 18 Wochenmarkt in der Heiglhofstraße ist, quält sich die Autokolonne daran entlang. Ohne die Karossen könnten die Fußgänger gefahrlos von einer Seite zur anderen wechseln, von St. Peter, der alten Ortskirche mit dem kleinen Friedhof, hin zum Biergarten des Erdinger Weißbräus, vorbei an ehemaligen Bauernhöfen. Dann noch schnell in der Konditorei Widmann sündigen, zum Schluss beim Haderner Augustiner vorbeischauen - und mit der U-Bahn oder dem Rad nach Hause fahren.

Viel zu gewinnen

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(Foto: Robert Haas)

Manche Geschäfte stehen schon seit Ewigkeiten leer, manche immer wieder. Verrückt eigentlich, schließlich ist die Tegernseer Landstraße zwischen Ostfriedhof und Mittlerem Ring eine wunderbare Stadtviertelmeile. Diesen Abschnitt komplett zur Fußgängerzone mit Trambahnverkehr zu erklären, wäre verwegen. Aber zumindest das Stück zwischen Tegernseer Platz und Wirtstraße samt Grünspitz autofrei zu machen, damit wäre für die Giesinger schon einiges gewonnen - zumal die Straße dort ohnehin nur einspurig stadteinwärts führt. Derzeit nämlich ist die Tela, wie manche sie liebevoll abkürzen, auf diesem engen Stück für Fußgänger wenig attraktiv, weil für sie zwischen Tramgleisen, Fahrbahn und Parkplätzen kaum Raum bleibt. Wenn der Autoverkehr hier aber wegfiele, dann könnten Lokale Tische und Stühle vor die Tür stellen. Und man bekäme Lust, einmal vorbeizubummeln und in das eine oder andere Geschäft zu schauen, das dann hoffentlich dazukäme.

Knifflige Aufgabe

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(Foto: Robert Haas)

Zugegeben: Man müsste sich etwas einfallen lassen. Für die Mieter der vollautomatischen Anwohnergarage etwa, die man ja nicht einfach rausschmeißen kann, um das kostspielige Technikmonster mit Erde aufzufüllen. Und in der Mitte gibt es einige Bereiche, die gastronomisch wie einkaufsmäßig eher als Wüstenei zu bezeichnen sind. Diese Probleme sind aber sicher lösbar, denn in der von stattlichen Altbauten gesäumten Schneise zwischen Arnulfstraße und Rotkreuzplatz ist richtig viel Platz. So viel Platz, dass man die paar Anwohnerautos wohl noch durchschleusen könnte, und außerdem mitten auf der heutigen Fahrbahn nach Vorbild von Städten wie Barcelona kleine Kioske und Café-Hütten aufstellen könnte. Nebst Tischen und Stühlen natürlich. Die Breite ist der ganz große Vorteil der Donnersbergerstraße, deren Namensgleichheit mit einer benachbarten Brücke verrät, dass hier jemand an Bedeutung verloren hat. Und zur Sackgasse wurde, die sich ideal als Fußgängerzone eignet.

Sicherer Spielen

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(Foto: Robert Haas)

In der Ehrengutstraße zwischen Roecklplatz und Dreimühlenstraße gilt auf einem kleinen Abschnitt Tempo 10. Das entspannt die Eltern der Kinder, die sich auf dem Spielplatz tummeln, sowie die Gäste des Eiscafés Italia gegenüber vom Spielplatz. Was die Freude ein wenig trübt, sind die Autos, die trotzdem durch die Straße rollen. Schon vor fünf Jahren hatten die Grünen beantragt, im Sommer den Abschnitt an Sonntagen tagsüber für den Verkehr zu sperren. Doch die Verwaltung lehnte dies ab. Die Straße habe eine Erschließungsfunktion, zudem sei Kindern nicht vermittelbar, dass sie diese nur an Sonntagen gefahrlos queren können, an anderen Tagen nicht. Da die Dreimühlenstraße noch vier weitere Zufahrten hat und somit durchaus erschlossen ist, könnte man die Idee noch einmal aufgreifen und die Straße bis zur Dreimühlenkreuzung gleich den ganzen Sommer über als Fußgängerzone widmen. So bliebe auch der Schleichverkehr durchs Viertel fern, wenn die Isartalstraße mal wieder verstopft ist.

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