Schleswig-Holstein:Erst reden, dann suchen

Wohin mit dem Atommüll? In Kiel beginnt eine Informations-Tour zur Fahndung nach einem Endlager, die beim skeptischen Volk Vertrauen schaffen soll.

Von Peter Burghardt, Kiel

Irgendwo muss das höllische Zeug eines Tages hin, so viel steht fest. "Endlager gesucht", steht auf einer gelben Leinwand, darum geht's. Das wissen alle der Wissenschaftler, Funktionäre, Honoratioren und gewöhnlichen Neugierigen, die an diesem Mittwochabend in diesem Saal im Kieler Landeshaus sitzen, obwohl draußen das Wetter so schön ist. Drinnen steht die Frage auf dem Programm, wo Deutschlands Atommüll landen soll.

Der Mann, der als oberste Instanz diese existenzielle Suche leiten soll, ist ein 61 Jahre alter Lübecker, Mitglied der Grünen: Wolfram König, früher Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz und nun Präsident des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit, kurz BfE - "fürchterliches Wort", findet er. König beaufsichtigt ein "Thema, das nicht immer mit Freude versehen ist, aber gelöst werden muss", wie er es nennt. Denn Deutschland braucht ein Endlager und will es in Deutschland entdecken, nicht im Ausland, auch wenn es niemand gerne in seiner Nähe haben will, wie vor allem die jahrelangen Proteste in Gorleben illustrierten.

So haben sich Politiker und Experten dieses BfE entschieden, durch die Republik zu touren und das skeptische Volk über den Suchvorgang zu informieren. Den Anfang macht also Norddeutschland, Schleswig-Holstein, wo noch ein Meiler am Netz ist (Brokdorf, bis 2021) und zwei schon abgeschaltet sind (Brunsbüttel und Krümmel) im Rahmen des nach der Katastrophe von Fukushima 2011 beschlossenen Atomausstiegs. "Nicht im Elfenbeinturm" will König sein und "Akzeptanz herstellen", das wird nicht ganz einfach.

1900 Behälter mit hoch radioaktivem Inhalt fallen bis 2022 an, sogenannte Castoren, auf Waggons verladen wäre das ein Zug von elf Kilometern Länge, wie das Publikum erfuhr. Es ist ein Jahrhundertprojekt, mehr noch: Am besten soll das Ergebnis eine Million Jahre lang halten, und die Castoren sollen notfalls 500 Jahre lang wieder herausgeholt werden können. Andererseits soll es schnell gehen: Bis 2031 will sich der Bundestag festlegen, bis 2050 die Einlagerung beginnen. Gefahndet wird nach einem "Ort, den man vergessen kann" (König), unter mindestens 300 Metern Gestein und umgeben von mindestens 100 Metern Tongestein, Steinsalz oder Stein wie Granit.

Ausgeschlossen sind nur Gebiete mit Vulkanismus, Erdbeben, Bergbau und dichter Besiedelung. Man habe bei der Suche aus den Fehlern von Gorleben und der Asse gelernt, so König. "Ich hoffe, wir kriegen dafür Vertrauen." Die Ablehnung eines bayerischen Endlagers in Bayerns Koalitionsvertrag hält er für ungeeignet, um das Vertrauen in ein faires Verfahren zu erhöhen. Dann meldet sich ein älterer Zuhörer: Er vermute, man werde zwölf Jahre lang suchen, an ausgewählter Stelle auf massiven Widerstand der Bevölkerung stoßen und wieder anfangen.

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