Tiefgründige Mantras:Kurze Texte - lange Wirkung

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Text und Musik in harmonischer Einheit: Sofia Greißel umrahmt die Lesung von Bernhard Winter. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bernhard Winter liest in Markt Schwaben aus seinem Buch "Kurz und glücklich"

Von Michaela Pelz, Markt Schwaben

Wie er da steht, erst an der Tür, dann sicher und souverän mitten im Raum, lächelnd die Leute begrüßt, viele davon mit Namen, da merkt man schon, dass das ein Heimspiel ist für Bernhard Winter. Fast hundert "Freunde, Fans, Begleiter" haben den Weg in den ersten Stock des Markt Schwabener Kolpinghauses angetreten, um den Psychotherapeuten, Ex-Bürgermeister, seit 2009 auch Lyriker bei der ersten Lesung seines jüngsten Werkes in seiner Heimatgemeinde zu erleben. Die Kolpingsfamilie hat ihn eingeladen, weswegen die erste Vorsitzende, Emmi Lohrmann, die Begrüßung übernimmt und zunächst erklärt, was eigentlich unter einem Mantra zu verstehen ist. Als "Segensspruch" oder "magische Formel" soll es Energien freisetzen.

Beim Autor hat das offenbar schon funktioniert: Obwohl gesundheitlich leicht angeschlagen, wie der gelegentliche Husten verrät, trägt der geübte Redner mit kraftvoller Stimme und ausladenden Gesten insgesamt 32 Texte vor. Für die musikalische Umrahmung sorgt Zehntklässlerin Sofia Greißel. Die Markt Schwabenerin scheint komplett eins mit ihrer Gitarre, während sie dieser mal zart, mal kraftvoll Klänge entlockt, die wahlweise zum Weinen schön sind oder zum Träumen einladen.

Außerdem gibt es immer wieder Berührungspunkte zwischen Text und Musik. Zum Beispiel, als Winter den Musiktitel "Noahs Traum" als Überleitung nutzt, um auf seine demnächst bevorstehende Lesung im Augsburger Zoo hinzuweisen. Tiere werden dort im Zentrum seiner dargebotenen Werke stehen, wie sie auch in "Kurz und glücklich" zahlreich vorkommen. So wie Menschen und Pflanzen - die ganze Schöpfung eben. Denn im dritten Kapitel seines Buches geht es um die Liebe - zu einem Partner, zu Gott, zur Natur. Die anderen beiden heißen "Lassen" (im Sinne von "Dinge weglassen/gelassen werden") und "Lernen". Hier ist die zentrale Botschaft: Lernen macht Spaß und alles ist möglich! Überhaupt steckt eine ganze Menge Lebensweisheit in den heiteren, aber auch spöttischen, hintersinnigen, kraftvollen, zuweilen kämpferischen Texten. Gib nicht auf! Schluck nicht alles! Bleib in Bewegung, sei offen für Veränderung! "und wenn alles verloren ist / alles, wirklich alles, so ist / doch in Wirklichkeit nichts / verloren, überhaupt nichts."

Damit er ein Werk als gelungen empfindet, müssen für den gebürtigen Augsburger "Sound, Rhythmus, manchmal auch die grafische Anmutung" stimmen. Teilweise setzt der Psychotherapeut die Aphorismen auch ganz konkret in seiner Praxis ein - bei Managern ebenso wie bei Kindern. Gern gibt er ihnen dieses Mantra mit auf den Weg: "mit dem Schlimmsten rechnen / und / an das Beste glauben". Das ergänzt er mit dem Hinweis: "Das Zweite ein bisschen mehr und das Erste nicht vergessen!"

Was man auf keinen Fall vergessen darf zu erwähnen sind die wunderbaren Zeichnungen von Miri Haddick aus Wasserburg am Bodensee, die das Buch zu einem wahren Schatz machen. Die Zusammenarbeit mit der Illustratorin führte sogar zuweilen dazu, dass der Inhalt mancher Gedichte ganz leicht angepasst wurde - etwa, wenn es bereits ein fast passendes Bild gab. Und weil das zauberhafte, gelockte Engelsmädchen verzückt den kleinen Vogel in seiner Hand anlächelt, wurde so aus "dein lachen" "dein lächeln". Und verwandelt sich durch die Aussage "...dass es leicht / für / vier drittel reicht" beim Publikum in den ursprünglichen Titel zurück. Alle müssen laut lachen.

Die Zuhörer freuen sich aber nicht nur über die Inhalte, sondern auch über jedes der Bilder mit seinen kraftvoll leuchtenden Farben, wenn Winter beim Vorlesen das Buch immer wieder in die Runde hält. Vor allem die großen Kulleraugen der Figuren haben es alt und jung gleichermaßen angetan. Beide Gruppen sitzen im Saal: Neben Dorothea Mittermeier, 92, die Winter schon ganz lange kennt und "schon im Garten mit ihm gesungen" hat, sind etwa auch Lara, 10, und Bruder Cooper, 8, gekommen, denen alles "supergut" gefallen hat.

Wie auch den anderen Besuchern, alle durchgängig hoch konzentriert - da klirrt kein Glas, klappert kein Teller und das trotz des reichhaltigen kulinarischen Angebots.

Nach einer Stunde ist alles vorbei. Auch hier gilt: Kurze Texte - lange Wirkung. Kurze Veranstaltung - klingt lange nach. Die Bürgermeistertätigkeit fehlt Winter übrigens nicht, wie er sagt: "Ich habe es genossen, bis zum Schluss - heute verändere ich auf andere Weise die Welt!" Seine Mantras sind dazu ein ganz hervorragendes Mittel.

"Kurz und Glücklich. Vierzig Mantras für ein gutes Leben" von Bernhard Winter mit Bildern von Miri Haddick, Verlag Neue Stadt, 80 Seiten, ISBN 978-3-7346-1160-5

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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