Bayer:Der Niedergang ist atemberaubend

Jahresrückblick 2018

Kein Zweifel: Bayer ist in einer schwierigen Lage.

(Foto: Oliver Berg/dpa)

Vorstands- und Aufsichtsratschef sollten auf das berechtigte Misstrauen der Anteilseigner reagieren und Platz für eine neue Führung machen. Bleiben sie einfach, schadet das der ganzen deutschen Wirtschaft.

Kommentar von Caspar Busse

So etwas gab es noch nicht: Der amtierende Vorstandsvorsitzende eines Dax-Unternehmens erhält auf der Hauptversammlung von seinen Aktionären keine Entlastung. 55,5 Prozent der Bayer-Anteilseigner haben Konzernchef Werner Baumann am Freitagabend nach einer 12-stündigen Diskussion ihr Misstrauen ausgesprochen, als Politiker wäre er abgewählt. Und was macht der Aufsichtsrat? Er stärkt Baumann sofort den Rücken. Das Gremium, das eigentlich die Interessen der Anteilseigner vertreten soll, teilte kurz nach der Abstimmung mit, man stehe "geschlossen hinter dem Vorstand".

Es ist ein Skandal, mit welcher Arroganz hier offenbar der Wille der Aktionäre ignoriert werden soll. Auch wenn die klare Ablehnung rechtlich in keiner Weise bindend ist, kann sie nicht einfach so übergangen werden, sondern muss Konsequenzen haben. Konzernchef Baumann und auch der Chef des Aufsichtsrats, Werner Wenning, der Vorvorgänger Baumanns an der Vorstandsspitze, sollten schnell ihre Posten räumen. Die beiden hatten gemeinsam vor zwei Jahren die folgenreiche Übernahme des amerikanischen Saatgutproduzenten Monsanto eingeleitet. Kursabsturz, Milliardenklagen in den USA und ein rasanter Imageverlust sind die Folgen. Baumann und Wenning müssen Verantwortung übernehmen und Platz für eine neue Führung machen.

Das Drama, das sich gerade in Leverkusen abspielt, dürfte nicht nur unabsehbare Folgen für das traditionsreiche Pharmaunternehmen haben, das 1863 gegründet und mit Medikamenten wie Aspirin weltweit bekannt wurde. Es kann auch zu einer ernsthaften Gefahr für die deutsche Wirtschaft und die Aktionärsdemokratie hierzulande werden. Denn falls sich Vorstand und Aufsichtsrat über das Votum ihrer Anteilseigner einfach hinwegsetzen, werden die alljährlichen Aktionärstreffen und die anschließende Abstimmung über die Entlastung der Gremien endgültig zur Farce, die man sich auch sparen könnte. Wer kontrolliert dann die Manager?

Inzwischen gibt es in den USA mehr als 13 000 Klagen

Wenn Unternehmen und deren Manager in die Kritik der Öffentlichkeit oder der Politik geraten, betonen sie gerne, dass sie ausschließlich ihren Eigentümern verpflichtet seien. Das stimmt auch. Den Aktionären gehört das Unternehmen, sie können und müssen den Kurs bestimmen. Sie haben das Sagen, sie kontrollieren das Management. Bei der Deutschen Bank etwa wurden die beiden Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen 2015 zwar mehrheitlich entlastet, aber nur mit 61 Prozent. Beide traten in der Folge zurück. Als bei Siemens 2006 ein umfangreicher Korruptionsskandal aufgedeckt wurde, gaben der Vorstandschef Klaus Kleinfeld und der Chefaufseher Heinrich von Pierer auf Druck von Investoren ihre Posten auf und machten einen Neuanfang möglich.

Das ist nun auch bei Bayer notwendig. Die Verwerfungen, das hat das Aktionärstreffen in aller Deutlichkeit gezeigt, sind inzwischen unüberbrückbar groß, die Frustration der Anleger ist riesig, seien es Privatleute oder große Investoren. Vorstandschef Baumann und seine Kollegen haben die Folgen der Übernahme von Anfang an unterschätzt. Sie haben gedacht, es reiche, den belasteten Namen "Monsanto" zu löschen. Die Idee, sich mit dem Kauf von Monsanto eine weltweit führende Position im Bereich der - zweifellos wichtigen - Agrochemie zu verschaffen, mag ja plausibel gewesen sein. Doch dabei ging offenbar der Blick für die Risiken verloren. Hat der Aufsichtsrat dabei kritisch genug hingesehen? Chefaufseher Wenning, selbst acht Jahre lang Bayer-Chef, gilt als großer Förderer Baumanns.

Inzwischen gibt es in den USA mehr als 13 000 Klagen wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat, das Monsanto entwickelt hat. Es gibt noch keine endgültigen Urteile. Ob Glyphosat wirklich Krebs verursacht, ist ungeklärt. Aber der Schaden für Bayer ist schon da. Statt auf seiner Position zu beharren und diese bis zum Ende durchzufechten, wäre Bayer gut beraten, auf die Kläger zuzugehen und eine Lösung zu finden, auch wenn es für einen Vergleich vielleicht noch zu früh ist. Klar ist allerdings, dass ein Rücktritt des Vorstandschefs, obwohl nötig, nicht nur hilfreich wäre, weil der wie ein Schuldeingeständnis aussehen und die Verhandlungsposition in den USA schwächen könnte.

Kein Zweifel, Bayer ist in einer schwierigen Lage. Monsanto einfach wieder abzustoßen, ist keine Option. Aber es geht um viel: Bayer gehörte noch vor Kurzem zu den wertvollsten Firmen in Deutschland, das Bayer-Kreuz steht in aller Welt für die deutsche Wirtschaft. Doch der Niedergang ist atemberaubend, rasanter noch als bei Siemens, VW, Deutscher Bank oder Daimler. An Bayer hängt viel: 117 000 Mitarbeiter, viele Kunden und Patienten, die Bayer-Produkte brauchen, und nicht zuletzt Wissenschaftler, die an neuen Medikamenten forschen. "Ich bin mit mir im Reinen", hatte Baumann noch vor Kurzem gesagt. Für die Aktionäre trifft das jedenfalls nicht zu.

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