Pierre-Emile Hojbjerg:Das einstige Großtalent des FC Bayern dreht auf

Premier League - Watford v Southampton

Schlüsselspieler: Ralph Hasenhüttl schwärmt von seinem Kapitän Pierre-Emile Hojbjerg (r.).

(Foto: REUTERS)
  • Pierre-Emile Hojbjerg, das einstige Großtalent des FC Bayern München, spielt nun beim FC Southampton unter dem früheren Leipziger Trainer Ralph Hasenhüttl.
  • Dort hat Hojbjerg am Wochenende als jüngster Kapitän der Premier League den Klassenverbleib geschafft.
  • Sein Klub nährt sich von großen Transfers. Hojbjerg könnte das nächste Beispiel dieser Hauspolitik sein.

Von Dariusch Rimkus

Die Augen von Hermann Gerland sind bekanntlich geschult wie wenig andere. Der 64-Jährige hat als Trainer der Amateure des FC Bayern, als Assistenztrainer bei den Profis und aktuell als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums der Münchner Hunderte Jugendliche gesichtet und ausgebildet. Erkennt er in einem Spieler die besondere Begabung, so wird es oft auch was mit der Karriere. 2013 sagte Gerland über den damals 17 Jahre alten Pierre-Emile Hojbjerg: "Er wird ein großer Spieler."

Am frühen Samstagabend ist Hojbjerg die Erleichterung anzusehen. Freudig umarmt er Ralph Hasenhüttl, seinen Trainer. Hojbjerg spielt seit 2016 für den FC Southampton in der höchsten englischen Spielklasse. Soeben haben sich "The Saints", die Heiligen, den Klassenverbleib gesichert, die Abstiegsränge sind an Huddersfield Town, an den FC Fulham und vermutlich an die Waliser von Cardiff City vergeben; als Aufsteiger stehen schon Norwich City und Sheffield United fest.

Ursprünglich hatte Southampton höhere Ziele, dass der Klub die Kurve am Ende doch noch bekam, daran hat Hojbjerg seinen Anteil. Nach zwei durchwachsenen Spielzeiten hat er sich durchgesetzt, er ist Führungsspieler mit erst 23 Jahren - und aktuell der jüngste aller 20 Teamkapitäne der Premier League. Hojbjerg ist Gerlands Prognose ein Stück nähergekommen.

Hojbjerg lässt sich ausleihen, dann geht er nach England

Vor seiner Zeit in England hat der dänische Nationalspieler von 2012 bis 2016 eine Ausbildung bei den Bayern genossen und dort unter Jupp Heynckes und Pep Guardiola gespielt, Hermann Gerland assistierte beiden. 25 Pflichtspiele absolvierte Hojbjerg für den Rekordmeister, darunter war der 102-minütige Einsatz in dem nach Verlängerung 2:0 gewonnenen Pokalfinale 2014 gegen Borussia Dortmund. Trotzdem ließ er sich nach Augsburg und Schalke ausleihen.

Der Weg führte nicht zurück, sondern gegen eine Ablöse von etwa 15 Millionen Euro nach Southampton, einem Klub, der ebenfalls für gute Augen bekannt ist: Der mittlerweile bei Real Madrid tätige Gareth Bale wurde dort ausgebildet, Verteidiger Virgil van Dijk und Stürmer Sadio Mané (beide heute beim FC Liverpool) dockten dort in der Premier League an. "Für mich war es wichtig, dass ich Erfahrung bekomme, dass ich in einer Mannschaft bin, in der ich wichtig bin. Wenn du 17, 18, 19 bist, wirst du in wenigen Mannschaften ernst genommen", sagt Hojbjerg zurückblickend. Trotzdem habe er in München viel gelernt, vor allem, sich täglich zu fordern.

Hojbjerg spricht viel von "Mentalität", von "DNA" - "die Basics sehr gut zu meistern, das ist vielleicht meine größte Stärke". Als typischer Box-to-box-Spieler, als Autorität zwischen beiden Strafräumen, vertritt Hojbjerg das einfache Spiel: "Ich kann als Mittelfeldspieler auch anfangen, auf dem Flügel zu dribbeln und eine Show zu machen, aber das hilft meinem Spiel nicht. Es geht um schnelle Füße, gute Technik, gutes Passspiel."

In Southampton profitiert er von Ralph Hasenhüttl

Zum Spielführer wurde er, als sich Amtsvorgänger Ryan Bertrand im November 2018 verletzte. Später wechselte Trainer Hasenhüttl nicht mehr. Stolz erklärt Hojbjerg: "Es ist die größte Anerkennung in meiner Karriere, Kapitän zu sein. Die Verantwortung lässt mich als Mensch und Spieler wachsen." Es gehe um Charakter und Persönlichkeit, "darum, das Herz auf den Platz zu bringen". Dabei klingt er authentisch, selbstbewusst - ein typischer Däne wohl. Und Hasenhüttl ist jetzt der erste Österreicher, der eine Elf in der Premier League zum Klassenverbleib coachte - kein Wunder: Er ist der erste österreichische Trainer überhaupt in dieser Liga.

Der 51 Jahre alte Hasenhüttl, einst Trainer bei RB Leipzig (2016 bis 2018) und seit Dezember in Southampton auf der Bank, schwärmte im Interview mit dem Southern Daily Echo: "Pierre ist einer der Typen, um die du ein Team aufbauen kannst. Er ist professionell, arbeitet hart und ist einer unserer Schlüsselspieler." Am Tag nach seiner Ankunft in der Hafenstadt, aus der einst die Titanic zur letzten Reise aufbrach, führte Hasenhüttl einen Tag lang Einzelgespräche mit den Spielern. Seitdem ist Hojbjerg begeistert: "Ich sagte zu meiner Freundin: Das ist ein Trainer, der so denkt wie ich. Er ist ambitioniert, motiviert und legt viel Wert auf tägliche Arbeit. Es war eine große Befreiung für mich."

Noch einmal die Champions League erleben

Nachdem Hasenhüttl die Saints von Mark Hughes übernahm, holten sie 25 Punkte aus 20 Spielen (zuvor acht aus 15), sind vom Abstiegsrang 18 zwei Plätze nach oben geklettert und spielen attraktiveren Fußball. "Unser Coach hat die Dynamik im Team geändert, das war natürlich ein riesiger Boost." Die Schubkraft half, am drittletzten Spieltag wurde der Klassenverbleib besiegelt - ein 3:3 im Südküstenderby gegen den FC Bournemouth genügte.

Hojbjerg kam in 29 der bislang 36 Saisonspiele zum Einsatz, erzielte vier Tore, gab vier Torvorlagen. Ob er seinen Dienst in Southampton fortsetzt, lässt er offen. So wohl er sich bei den Saints fühlt, so vielversprechend die Zukunft mit Hasenhüttl als Trainer erscheint - den Gewinn von Titeln wird er dort kaum realisieren können. Der Klub gehört nur noch zu zwanzig Prozent den Erben aus der Schweizer Liebherr-Dynastie, 80 Prozent wurden 2017 an die chinesische Geschäftsfamilie Gao verkauft.

Doch vor allem nährt sich der Klub von lukrativen Transfers. Hojbjerg könnte das nächste Beispiel dieser Hauspolitik sein, auch wegen seines eigenen Anspruchs: "Egal wo ich bin, ob in Southampton oder anderswo, ich muss jeden Tag spüren: Hier wird was getan, um Nummer Eins zu werden, um das Bestmögliche zu erreichen." Sein Ziel ist definiert: Er will noch einmal die Champions League erleben. 2013, als der FC Bayern im Finale gegen Dortmund siegte, war er, damals 17, ja nicht direkt dabei, nur in der Nähe.

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