Konzert:Berliner Erleuchtung

"Orte sind ein starkes Gewürz, das man einsetzt wie einen Geschmacksverstärker", sagt Sven Regener von der Band "Element of Crime". Nun ist sie - mal wieder - im Münchner Circus Krone zu Gast

Von Michael Zirnstein

Als Ort für das Interview hat Sven Regener das Hofbräuhaus bestimmt. "Wenn schon, denn schon - gehen wir dahin, wo's wehtut", sagt der Hanseat und mahnt: "Der Tourismus ist auch Teil der Stadt, die Japaner gehören dazu, man soll bloß nicht so tun als Einheimischer, als hätte man damit nichts zu tun." Es ist dann aber in der Wirtschaft im ersten Stock Japaner-frei, was Regener und Jakob Ilja - seit 1985 die Keimzelle von Element of Crime - auch okay finden. Von unten wabert Blasmusik herauf. Stört Regener nicht. Er begann mit 15 in Bremen, Trompete zu spielen. "Weil ich Louis Armstrong so mochte." Als Kind hatte er Platten mit den Mariachi-Bläsern gehört, ein Mitbringsel seiner Patentante von den Olympischen Spielen in Mexiko. Als er doch nicht Jazzer wurde, sondern Jungkommunist, kam er mit 20 nach Berlin, wo alle gerade Funk spielten, und war als Trompeter ein gefragter Typ.

Konzert: Lichtgestalten der Popmusik: die "Element of Crime"-Musiker David Young, Richard Pappik, Sven Regener und Jakob Ilja (von links) im Lampenladen.

Lichtgestalten der Popmusik: die "Element of Crime"-Musiker David Young, Richard Pappik, Sven Regener und Jakob Ilja (von links) im Lampenladen.

(Foto: Charlotte Goltermann)

Seit 1982 wohnt er nun in Berlin, Ilja noch ein paar Jahre länger, beide in der Nähe des Mauerparks, da bleiben sie von den Touristen auch nicht verschont. Man kann Berlin besichtigen, man kann es aber schöner durch Sven Regeners verfilmten Erfolgsroman "Herr Lehmann" kennenlernen, der auf Englisch "Berlin Blues" heißt, und auch durch das neue Element-of-Crime-Album "Schafe, Monster und Mäuse". Nie in ihrer 34-jährigen Anti-Karriere hat die Band so viele Songs so genau verortet, dass man die Schauplätze aufsuchen und das Erzählte nacherleben möchte: Das allabendlich tobende Schüler-Besäufnis am Schlesischen Tor, die melancholische Freude am Alleinsein im Prinzenbad, die Holzauktion im Grunewald, den Kreislauf des Lebens auf der Aschenbahn im Sportpark Friedrich Ludwig Jahn, das Gewitter überm Halensee und wie Regener da so singt: "Und ich geh noch mal den Kurfürstendamm entlang, am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang."

Sven Regener

"Auch wenn man für das Songschreiben wie Bob Dylan einen Literaturpreis bekommen kann, ist es doch eine musikalische Handlung."

Gerade an dieser Kommerzmeile sieht man, wie das funktioniert mit den Orten im Pop, wie sich da jeder Hörer zur Musik sein eigenes Bild macht, Ilja, der um die Ecke aufwuchs, ein anderes als Regener, der den Ku'damm als zugezogener Punk verabscheute, und sie alle wiederum, nachdem sie ihn für ein Video zum ersten Mal mit einem Aussichtsbus auf- und abfuhren. "Jeder hat seinen Blick darauf, das ist stark." Auch Münchner, die vielleicht noch nie da waren. "Orte sind ein starkes Gewürz, das man einsetzt wie einen Geschmacksverstärker, da muss man schon aufpassen, sonst muss man das Album am Ende ,Berlin' nennen." Ob sie das bewusst gemacht haben? Regener hält kurz inne in seiner Pop-Theorie-Lektion, da fällt ihm sein Trip nach Lissabon ein, wo er das Fado-Museum besuchte: "Wenn du kein Portugiesisch kannst, bekommst du doch mit, dass jedes zweite Lied davon handelt, dass Lisboa offenbar die Stadt des Fado ist. Vielleicht hat mich das beeindruckt, dass ein ganzes Genre mit eigenen Regeln, Instrumenten, Sängerstars, die außer dem Genre keiner kennt, und seinem eigenen Museum nur von einer Stadt und sich selbst handelt. Das ist doch stark, da ist offenbar noch jede Menge machbar."

Letztlich drängten sich bestimmte Orte wie der Halensee phonetisch einfach eher auf als der Müggelsee, ergänzt der Gitarrist Jakob Ilja. Was singt sich hoffnungsloser als "Delmenhorst", ihre Durchbruchs-Single von 2005, seit der sie Abonnenten auf einen Platz in den Top Ten sind (mit der "Monster"-LP kamen sie auf Platz zwei). Letztlich sind Worte, und seien sie noch so poetisch gesetzt, wie Fans es in der Neuauflage ihrer Texte-und-Noten-Gesamtsammlung (Bosworth Music) nachlesen und -spielen können, auch "nur musikalische Handlungen". Und die Elements sind eben eine Band, die gerne mal verschleiert im Stück den Takt von 6/8 auf 8/8 wechselt ("Draußen hinterm Fenster"). Diesmal haben sie, deren erstes Album "Try To Be Mensch" John Cale produzierte, ein Angebot angenommen, sich ein paar Lieder arrangieren zu lassen: EoC-Keyboarder David Young kannte der Kalifornier Jeff Labis aus der Van-Morrison-Band, der ihrem raunzigen Folkrock etwa bei "Prinzenbad" einen weiten, schwebenden Easy-Listening-Streicher-Sound à la Burt Bacharach verlieh. Wer da in US-Westcoast-Bilder eintaucht, fragt sich vielleicht, was München fehlt, um in einem Elements-Stück aufscheinen könnte.

"Nichts", sagt Sven Regener. Sie mögen die Stadt, schon weil Bayern 2 hier regelmäßig Radiokonzerte mit ihnen veranstaltet, "aber wir machen ja kein Städtebesichtigungssongmarketing."

Element of Crime, Mi., 1. Mai, 20 Uhr, Circus Krone

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