Start-up:Einlesen per Handy

Start-up: Ausweise oder Adressdaten: Die App von Anyline erkennt sie aus Bildern.

Ausweise oder Adressdaten: Die App von Anyline erkennt sie aus Bildern.

(Foto: oh)

Anyline liefert der Polizei Software, mit der sich die Daten auf Ausweisen automatisch erfassen lassen.

Von Katharina Kutsche

Der europäische Polizeikongress ist nicht bloß ein Treffen von Experten und Politikern, die zusammen über Sicherheitsfragen beraten. Während im Kuppelsaal des Berliner Kongresszentrums diskutiert wird, werben Firmen draußen auf den Fluren für ihre Sicherheitstechnik - in der Hoffnung auf einen lukrativen Auftrag aus den Behörden. Für das österreichische Start-up Anyline hat sich die Präsenz auf dem Kongress gelohnt. Seit einigen Wochen helfen die vier Gründer um Jakob Hofer nun der bayerischen Polizei, digitaler zu werden.

Anyline bietet eine Anwendung, die offline auf Smartphones und Tablets läuft und mit OCR-Technologie arbeitet. Die Abkürzung steht für Optical Character Recognition, also die automatische Texterkennung in Bildern. Das ist für die Polizei hilfreich, wenn es darum geht, Ausweise, Pässe und Kennzeichen schnell auszulesen. Bisher ist das oft noch Hand- bzw. Schreibarbeit. Ein Beamter überträgt bei einer Verkehrskontrolle die Daten in ein Notizbuch oder, je nach Bundesland, schon in das Polizeisystem, das auch einem mobilen Endgerät läuft. Mit Anyline soll die manuelle Eingabe wegfallen. Die Software des Unternehmens scannt Ausweis oder Kennzeichen, erkennt automatisch, wo ein Text steht, oder wo nur blanke Fläche ist. Das neuronale Netz dahinter übersetzt den relevanten Bildausschnitt dann in Bits und Bytes, erklärt Hofer.

Eine solche Anwendung für eine Polizeibehörde zu entwickeln, ist eine Herausforderung. Die künstliche Intelligenz muss trainiert werden, doch Ausweisdaten sind sensibel - da ist es nicht leicht, an genügend Trainingsdaten zu kommen. Außerdem muss das Auslesen hundertprozentig sitzen. Und ein neuronales Netz auf dem Smartphone darf nicht zu groß werden, so Hofer, sonst werde das Gerät wegen der Datenmengen zu langsam.

Die Gründer kannten sich bereits aus dem Start-up mySugr, das Apps für Diabetiker entwickelt. "Wir sind vier Gründer und haben alle Technik studiert", so Hofer, "die Business-Seite mussten wir alle erst lernen." Ihre Philosophie ist, mit bestehender Hardware Dinge voranzutreiben - Smartphones können nicht lesen, dafür braucht es OCR.

Anyline hat derzeit 45 Mitarbeiter, von denen sich zwei Drittel um die Technik kümmern. Das Unternehmen will wachsen und seine Anwendungen ausweiten. Zum einen soll die Software lernen, mehr Ausweise aus unterschiedlichen Ländern zu erkennen. Aktuell funktioniert sie mit deutschen und österreichischen Pässen: Die OCR-Technologie muss für jedes Dokument lernen, wie die einzelnen Datenfelder angeordnet sind, muss zudem die Beschichtung erkennen. Zum anderen kann die Technik auch in ganz anderen Fällen zum Einsatz kommen.

Was es bereits gibt, ist "Cattle-Tag". Damit werden Viehmarken abgelesen, denn gerade auf den großen Ranches Nordamerikas können Farmer natürlich nicht jedes Rind beim Namen kennen. Die Idee stammt nicht vom Anyline-Team: "Auf solche Usecases kommen wir gar nicht. Das sind Anfragen von Menschen und Unternehmen, die uns darauf bringen", sagt Hofer.

Gegründet 2014, fokussiert sich das Team seit drei Jahren auf drei Themenbereiche. Erstens, eGovernment, also Anwendungen für Polizei und Behörden. Zweitens, Utility; das beinhaltet Versorgungsunternehmen wie Strom- und Gasversorger, deren Zählerstände ebenfalls mit der Anyline-Technologie abgelesen werden können. Drittens, Smart Factory, wo etwa Bauteile gescannt und so jeder Arbeitsschritt verfolgt werden kann - dafür arbeitet das System auf Kameras.

100 Millionen Scans pro Jahr kann das Start-up aus Wien verzeichnen. Was mit den Daten passiert, entscheidet jeder Kunde selbst; sie bleiben auf dem Mobilgerät und werden erst danach verarbeitet, je nach Anwendungsfall. Im Falle der bayerischen Polizei sei das ein geschlossenes System und laufe ausschließlich über deren Server.

Bisher läuft es gut für die Österreicher. In den vergangenen drei Jahren habe Anyline den Umsatz jeweils verdreifacht, inzwischen auf einen mittleren siebenstelligen Betrag. Zwar gebe es mit Microblink in Kroatien und in den USA Konkurrenten. Doch gerade letzteres sei kein Problem für Anyline, wie Hofer sagt: "Behörden gucken eher auf europäische Anbieter."

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