Bundesregierung:Familienministerin mit Mut zur Lücke

Vorstellung Kinderrechtebuch mit Ministerin Giffey

Immer mittendrin: Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), hier in einer Kita bei der Vorstellung eines neuen Pixi-Buches zu Kinderrechten und Privatsphäre.

(Foto: Christoph Soeder/dpa)
  • Familienministerin Giffey hat einige ehrgeizige Projekte versprochen.
  • Doch ein Blick in die interne Haushaltsplanung zeigt, dass im Etat dafür in den kommenden Jahren noch große Lücken klaffen.
  • Für die Erzieher- und Erzieherinnenoffensive etwa fehlen noch 100 Millionen Euro, eine Initiative für ein Jugendfreiwilligenjahr basiert lediglich auf Hoffnungswerten.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Als Franziska Giffey Ende November im Bundestag ihre Haushaltsrede hielt, streute sie ziemlich in der Mitte, zwischen dem Gute-Kita-Gesetz und den Pflegeberufen, eine kleine Danksagung ein. Sehr dankbar sei sie, sagte die SPD-Bundesfamilienministerin, dass die Haushaltspolitiker ein "Herzensanliegen" von ihr "noch mal verstärkt" unterstützt hätten. 40, statt wie ursprünglich vorgesehen 30 Millionen Euro seien es geworden, für den Start der Fachkräfteoffensive des Bundes, durch die mehr bezahlte Ausbildungsplätze für Erzieherinnen entstehen sollen.

Was Giffey aber nicht sagte: Ihr Programm ist eigentlich viel großformatiger angelegt, als es ihr Haushalt bislang hergibt. Das zeigen Berechnungen und interne Unterlagen zur längerfristigen Finanzplanung des Familienministeriums, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Und: Die Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen ist nicht das einzige Vorhaben Giffeys, das mittelfristig eher luftig finanziert ist. Gemessen an den Versprechen der Ministerin, jedenfalls.

Insgesamt kann Giffey im kommenden Jahr 11,23 Milliarden Euro ausgeben. Das ist die Summe, die Finanzminister Olaf Scholz für seine Parteikollegin in den Haushaltseckpunkten für 2020 vorgesehen hat. Große Teile von Giffeys Etat allerdings sind fest verplant; das Elterngeld etwa oder der Unterhaltsvorschuss. Variabel sind nur die Ausgaben für die zahlreichen Programme und Initiativen des Ressorts.

Besagte Erzieherinnenoffensive etwa, Kapitel 1710 Titel 68 402 in Giffeys Etat. Konkret geht es um Zuschüsse des Bundes für eine Vergütung angehender Erzieherinnen und Erzieher während ihrer Ausbildung. 5000 zusätzliche bezahlte Ausbildungsplätze sollen entstehen, 300 Millionen Euro hat Giffey Ende vergangenen Jahres versprochen, für die beiden kommenden Ausbildungsjahrgänge.

Für das laufende Jahr aber sind nur 40 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen, für das kommende Jahr laut Finanzplan 70 Millionen und für 2021 90 Millionen, danach nichts mehr, wie die Grünen-Haushaltspolitikerin Ekin Deligöz vorrechnet. Macht zusammen 200 Millionen Euro, nicht, wie versprochen 300. Und eigentlich müsste die Finanzierung auch bis 2023 vorausgeplant sein, dann nämlich erst beendet der zweite geförderte Jahrgang seine Ausbildung.

Die schwächere Konjunktur könnte zum Problem werden

Ohne gesicherte Finanzierung über die volle Förderperiode hinweg dürften die Träger Schwierigkeiten haben, die entsprechenden Stellen zu schaffen. "Im Familienministerium muss man sich noch gewaltig strecken, um die öffentlichen Versprechungen auch realisieren zu können", sagt Deligöz. "Zwischen Ministerin Giffeys Gestaltungsanspruch und der Finanzplanung klafft noch eine deutliche Lücke."

Das Ministerium versucht derweil, Zweifel an der eigenen Haushaltsplanung zu zerstreuen. Mit den derzeit zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln sollten "in einem ersten Schritt" zunächst 2500 statt 5000 vergütete Ausbildungsplätze gefördert werden. Eine Aufstockung und Verlängerung des Bundesprogramms um einen weiteren Ausbildungsjahrgang ab 2020 sei "geplant", sagt ein Sprecher.

Fakt ist aber, dass die Erzieherinnenoffensive nicht das einzige Projekt ist, das mittelfristig vor allem auf Hoffnungswerten basiert. Da wären zum Beispiel noch die Freiwilligendienste. Anfang Dezember hatte die Ministerin ihr Konzept für ein Jugendfreiwilligenjahr vorgestellt. Der Bundesfreiwilligendienst, das freiwillige soziale und das freiwillige ökologische Jahr sollten attraktiver werden. Die Kosten? Laut Giffey rund eine Milliarde Euro jährlich. In ihrem Haushalt allerdings fehlt von derart hochfliegenden Plänen jede Spur.

Internen Papieren für den Haushalt 2020 zufolge sind für kommendes Jahr für das freiwillige soziale und ökologische Jahr nur knapp 111 Millionen Euro vorgesehen, 15 Millionen mehr als ursprünglich geplant. In den weiteren Jahren bis 2023 stehen dann jeweils nur noch knapp 96 Millionen Euro im Finanzplan. Für den Bundesfreiwilligendienst gibt es in diesem Jahr bloß 207 Millionen Euro, von 2020 an gar nur noch jeweils gut 167 Millionen Euro.

Das Ministerium rudert angesichts dieser Zahlen erkennbar zurück und nennt Giffeys Jugendfreiwilligenjahr nur noch einen "konzeptionellen Gegenentwurf" zu Überlegungen, ein Pflichtjahr für Jugendliche einzuführen. In seiner "maximalen Ausbaustufe" würde dieser Entwurf eine Milliarde Euro im Jahr kosten.

Doch auch bei anderen Programmen sieht der bisherige Finanzplan sinkende Ausgaben vor. Etwa bei dem Titel "Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie", mit dem das von Giffey oft und hoch gelobte Bundesprogramm "Demokratie leben" gegen Rechtsextremismus finanziert wird. Für dieses Jahr sind noch knapp 116 Millionen Euro eingeplant, für nächstes Jahr schon 15 Millionen weniger. Für 2021 stehen sogar nur noch knapp 66 Millionen im Finanzplan, danach halbiert sich die Summe in etwa noch einmal für die beiden Folgejahre. Die Reaktion des Ministeriums: Man werde sich weiter dafür einsetzen, dass im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2020 wieder ausreichend Mittel für das Programm eingeplant werden.

Natürlich muss das alles nicht zwingend zu einem schwerwiegenden Problem für Giffey werden. Was heute noch eine unterfinanzierte Mittelfristplanung ist, kann morgen schon den Segen des Finanzministers und der Haushälter bekommen. Dennoch ist es nicht belanglos, ob für die kommenden Jahre steigende, sinkende oder gar keine Summen vorgemerkt sind im Finanzplan. Das zeigt schon die Tatsache, dass die Pflichtausgaben des Ministeriums bis 2023 solide durchfinanziert sind.

Erschwerend hinzu kommt noch etwas anderes: die schwächere Konjunktur. Der Finanzminister hat angesichts der weniger stark steigenden Steuereinnahmen schon vor einiger Zeit die Parole ausgegeben, die fetten Jahre seien vorbei. In einer solchen Situation aber schließen sich die Lücken zwischen Versprechungen und deren Finanzierung nicht mehr von alleine. Scholz hat zudem alle Ministerien verpflichtet, aus ihren Etats heraus einen Konsolidierungsbeitrag zu leisten. Damit die schwarze Null in den nächsten Jahren nicht wackelt.

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