Psychologie:Hello darkness

Simon And Garfunkel

Das Popduo Simon and Garfunkel bei einem Konzert im Mai 1982.

(Foto: Getty Images)
  • Mernschen mit Depressionen hören besonders gern traurige Musik.
  • Forscher haben nun nach den Gründen gefragt: Offenbar finden die Betroffenen Ruhe und Entspannung in den melancholischen Melodien.

Von Sebastian Herrmann

Wenn Dunkelheit die Seele umhüllt, kann das manchmal, aber nur manchmal wie ein weicher Mantel Wärme spenden. Auf seltsame Weise schlummert etwas Tröstendes darin, sich dem milden Kummer hinzugeben, als sei man wieder ein unglücklich verliebter Teenager. In solchen Momenten balsamiert traurige, melancholische Musik auf besondere Weise die Seele. Simon and Garfunkel haben dieses Gefühl in der ersten Zeile ihres Folk-Klassikers "Sound of Silence" perfekt in Worte gefasst: "Hello darkness my old friend, I've come to talk with you again".

Die melancholischen Stücke wirkten ähnlich tröstlich wie die Gegenwart eines Freundes

In trauriger Stimmung fühlt es sich besonders gut an, traurige Musik zu hören. Diesen Effekt haben gerade Psychologen um Sunkyung Yoon von der University of South California in einer Stichprobe beobachtet, wie sie im Fachjournal Emotion berichten. Die Wissenschaftler verglichen dabei 38 Studentinnen, bei denen eine Depression diagnostiziert worden war, mit ebenso vielen, denen dieses seelische Leiden erspart geblieben ist.

Die Teilnehmerinnen hörten Musikstücke von unterschiedlicher emotionaler Färbung und sollten sich anschließend entscheiden, welche Melodien sie gerne noch einmal hören würden. Unter den depressiven Teilnehmerinnen war der Wunsch deutlich ausgeprägter, wieder traurige Stücke zu hören.

Die Psychologen stützen sich zwar auf eine recht überschaubare Stichprobe, doch die Studie ist aus zweierlei Gründen interessant. Zum einen replizieren die Forscher um Sunkyung Yoon die Ergebnisse einer Untersuchung aus dem Jahr 2015. Damals hatten Psychologen um Yael Millgram im Fachblatt Psychological Science ebenfalls berichtet, dass Menschen mit einer klinischen Depression traurige Musik bevorzugen.

Doch die Wissenschaftler um Millgram hatten ihre Probanden nicht gefragt, warum sie sich lieber melancholische Stücke anhören wollten. Und so schlussfolgerten die Forscher vor vier Jahren, dass depressive Menschen traurige Musik bevorzugen, weil es ihr seelisches Tief aufrecht erhalte. Das Fazit also lautete sinngemäß: Depressive handeln und entscheiden sich oft so, dass sie ihre Depression aufrechterhalten oder gar verstärken.

Dem aber widerspricht nun die neue Studie. Darin gaben die Probanden nämlich an, dass traurige Lieder stattdessen ihre Stimmung verbessern können und sie darin Ruhe und Entspannung fänden - nach dem Motto: "Hello darkness my old friend."

Ähnliche Hinweise hatten vor einigen Jahren bereits Wissenschaftlerinnen der irischen Universität Limerick entdeckt: Akut niedergeschlagene Menschen bevorzugten auch hier traurige Musik. Und sie sagten unter anderem, dass diese Klänge ähnlich auf sie wirkten wie die Gegenwart eines Freundes. Manchmal also lässt es sich in trauriger Musik regelrecht baden, sodass die Seele danach etwas erfrischt ist.

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