Bayerischer Hebammenverband:Die Netzwerkerin

Bayerischer Hebammenverband: Die langjährige Hebamme Mechthild Hofner hat sich von der Praxis verabschiedet - nun ist sie Vorsitzende des Bayerischen Hebammenverbands.

Die langjährige Hebamme Mechthild Hofner hat sich von der Praxis verabschiedet - nun ist sie Vorsitzende des Bayerischen Hebammenverbands.

(Foto: Toni Heigl)

Mechthild Hofner aus Karlsfeld kämpft als neue Verbandsvertreterin für die Interessen von Müttern, Kindern und Hebammen im Landkreis

Von Christiane Bracht, Dachau

Sie ist Hebamme mit Leidenschaft. Babys hat Mechthild Hofner zwar schon lange nicht mehr auf die Welt gebracht. Seit der Geburt ihres dritten Kindes 1995 hat sich die Karlsfelderin auf die Begleitung von Wöchnerinnen und Rückbildungskurse spezialisiert. In Feldmoching, Schleißheim, Obermenzing und der Fasanerie war sie sehr gefragt. Doch jetzt hat sie sich aus der Praxis verabschiedet. Seit September ist Hofner nun Vorsitzende des Bayerischen Hebammenverbands. Als solche hat sie den Sitz der Berufsorganisation nach Dachau geholt. Für Hebammen und Mütter hat das gewisse Vorteile. Als langjährige Gemeinderätin in Karlsfeld und Kreisrätin kennt sie die Behörden gut und kann das Netz nutzen, um Neuerungen hier sofort umzusetzen. So ist in Dachau jetzt eine der ersten Koordinierungsstellen in Bayern eingerichtet worden. Aufgabe dieser Institution ist es, eine Hotline zu haben für Frauen, die sofort Hilfe brauchen, und Vertretungen in Ferienzeiten zu organisieren, damit jede Hebamme Urlaub machen kann.

"Im Münchner Speckgürtel herrscht absoluter Hebammennotstand", sagt Hofner. In den vergangenen Jahren habe sie täglich in ihrem Bereich zehn Anfragen für Wochenbettbetreuungen gehabt, doch davon habe sie acht oder neun absagen müssen, weil sie keine Kapazität mehr hatte. Und was das Schlimmste sei: Trotz des Mangels dächten viele ihrer Kolleginnen darüber nach, ganz aus dem Beruf auszusteigen, denn "ein großer Teil arbeitet mehr, als er möchte". Die ständige Rufbereitschaft sei sehr belastend, weiß Hofner aus eigener Erfahrung. Oft müsse man aus dem Urlaub zurückkommen oder einen Ausflug abbrechen, um einer Schwangeren oder einer Wöchnerin zu helfen.

Aber nicht nur die selbständigen Hebammen arbeiten immer am Limit, auch die Geburtshelferinnen in den Kliniken klagen über Dauerstress. Statt eine Frau zu betreuen, müssen sie praktisch immer mindestens drei Entbindungen gleichzeitig im Auge haben, manchmal sogar bis zu sechs. Und das sei unmöglich, erklärt Hofner. Statt eine abgeschirmte ruhige Atmosphäre für die Frau zu schaffen, in der sie sich geborgen fühlt und ohne Angst ihr Kind zur Welt bringen kann, heiße die Realität im Kreißsaal: "Tür auf, Tür zu". Die Hektik führe dazu, dass sich die Niederkommende nur noch mit Befehlen konfrontiert sieht. Aber auch für die Hebammen sind solche Bedingungen "unbefriedigend". Die Folge ist oft ein schlechter Start für das Neugeborene. Denn nicht selten treten laut Hofner bei diesen Frauen Depressionen und physische Probleme auf, die eine gestörte Bindung zum Kind als Konsequenz haben. Die fehlende Liebesfähigkeit wirke sich auch auf die emotionale Entwicklung des Babys aus. Eine fatale Reaktionskette, die es dringend zu durchbrechen gilt.

Doch das Problem lasse sich nicht einfach damit beheben, dass die Krankenhäuser mehr Hebammen einstellen, so Hofner. Denn es fehlt inzwischen an Nachwuchs. Dazu hat eine ungenügende Ausbildung beigetragen, aber auch die hohen finanziellen Forderung der Berufshaftpflichtversicherung. Inzwischen sind die Härten zwar schon wieder etwas nivelliert. Die Hebammen bekommen nach vier Geburten bis zu 70 Prozent zurückerstattet. Allerdings müssen sie in Vorleistung treten und das kann belastend sein, denn es dauert etwa ein halbes Jahr, bis sie die Summe wiederbekommen.

Der Bayerische Hebammenverband kämpft seit Jahren darum, die Situation für seine 3050 Mitglieder zu verbessern. Auch Hofner hat schon seit längerem in Arbeitskreisen mitgearbeitet, auch die Vorstandsarbeit ist ihr keineswegs fremd. Sie freut sich über die Akademisierung des Berufs. Seit Anfang des Monats sollen Hebammen nun an Fachhochschulen ausgebildet werden. Ein großer Erfolg des Verbands und eine Chance für die Neuen. "Die Anforderungen an die Geburtshelferinnen sind so gestiegen, dass sie sich diesen oft nicht gewachsen fühlen", sagt die Vorsitzende. Im September werden die ersten jungen Frauen in München und Regensburg die Fachhochschule besuchen. Die Schulen, die bisher ausgebildet haben, sollen künftig für die praktische Ausbildung zuständig sein. Hofners Aufgabe wird es sein, den Übergang in das neue Ausbildungssystem zu ebnen und dafür zu sorgen, dass kein Fachwissen verloren geht. Außerdem ist ihr großes Ziel, die Bedingungen für den Berufsstand deutlich zu verbessern. "Es ist bereits fünf nach zwölf", sagt sie. Deshalb müsse man schnell handeln. Mit Hilfe der Koordinierungsstellen sollen die Hebammen entlastet werden. Dienstpläne werden künftig genau regeln, wer wann Bereitschaften übernehmen kann. Auf diese Weise hofft Hofner manch eine Kollegin davon abzuhalten, ihren Beruf aufzugeben und vielleicht andere wieder aus dem Ruhestand zu reaktivieren.

Ihre Vision ist, dass irgendwann eine Hebamme nur eine Geburt betreut. "Es ist schade, dass man dafür kämpfen muss", sagt die Karlsfelderin. "Aber wir sind nur ein kleiner Berufsstand mit geringer Lobby."

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