Profil:Moncef Kartas

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(Foto: Handout/AFP)

Der UN-Diplomat sitzt aus rätselhaften Gründen in tunesischer Haft.

Von Paul-Anton Krüger

Als Moncef Kartas am 26. März am Hauptstadt-Flughafen Carthage nach Tunesien einreiste, legte er den Grenzbeamten neben seinem tunesischen Pass ein Reisedokument der Vereinten Nationen vor. Es verleiht seinem Träger Immunität; die UN haben bestätigt, dass der 43-Jährige, der auch deutscher Staatsbürger ist, in offizieller Mission unterwegs war. Nach Tunis kam er als Mitglied des Expertenpanels zur Überwachung der UN-Sanktionen gegen Libyen, dem er seit 2016 angehört. In einem Memorandum hatten die UN vorab dargelegt, welche Aufgaben Kartas wahrnehmen sollte. Für den Sicherheitsrat erstellt das Panel Berichte, in denen es Verstöße gegen Embargo-Vorschriften dokumentiert, etwa Waffenschmuggel. Doch statt solchen Rechtsbrüchen nachzuspüren, sitzt Moncef Kartas nun selbst seit fünf Wochen in Haft.

Noch am Flughafen nahmen ihn Zivilbeamte fest. Drei Tage später teilte das Innenministerium in einer Erklärung mit, zwei tunesische Staatsbürger seien nach Ermittlungen, die 2018 begonnen hätten, wegen Spionage und verdächtiger Kontakte zu einem anderen Land festgenommen worden. Am 11. April erließ ein Gericht auf Antrag der Antiterror-Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen Kartas. Sie wirft ihm den Besitz und Verrat von Geheiminformationen vor, die Tunesiens nationale Sicherheit betreffen - ein Delikt, das zur Todesstrafe führen kann. Ein Sprecher der Behörde, Sofian Sliti, sagte, die diplomatische Immunität greife nicht, weil der Fall Kartas "Privatinteressen" betreffe.

Die UN verlangten erneut seine Freilassung. Man sei bemüht, von den tunesischen Behörden mehr Informationen zu bekommen, habe aber bislang keine ausreichende Erklärung erhalten, hieß es in New York - und schon gar keinen Antrag auf Aufhebung der Immunität, wie er im Übereinkommen über die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen vorgeschrieben ist, dem Tunesien angehört.

Kartas, der als Sohn einer Deutschen und eines Tunesiers in Genf geboren wurde, hat sich einen Ruf als Experte im Kampf gegen Waffenschmuggel erworben - seine Familie, Kollegen und auch einige westliche Diplomaten vermuten politische Motive hinter seiner Verhaftung. Sein Vater war in hohen Funktionen für die UN in verschiedenen Ländern tätig. Kartas kam als Kind nach Deutschland und wuchs hier auf. Er studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Politik, wurde am Genfer Graduate Institute for International and Development Studies promoviert. Von 2013 bis 2016 leitete er in Tunesien ein Projekt für die Schweizer Organisation Small Arms Survey, das in einen wichtigen Bericht über den Waffenschmuggel über die Grenze nach Libyen mündete. Damals hatte er regelmäßig Kontakte zu hohen Beamten des Außen-, Innen- und Verteidigungsministeriums in Tunis und auch zur Präsidialverwaltung. Doch die helfen ihm nun offenkundig nicht.

Mehr als 100 Kollegen und Weggefährten aus den UN, Nichtregierungsorganisationen und Universitäten sowie seine Frau, mit der er einen Sohn hat, verlangen in einem offenen Brief seine sofortige Freilassung. Das Auswärtige Amt in Berlin bemüht sich um konsularischen Zugang, bislang vergebens. Deutschland hat derzeit den Vorsitz des Sanktionskomitees zu Libyen inne und damit eine besondere Verantwortung für den UN-Experten.

Die Verhaftung gilt als besorgniserregender Präzedenzfall, gerade weil in Libyen die Kämpfe um Tripolis heftiger werden und es ernstzunehmende Indizien gibt, dass ausländische Mächte in die Gefechte eingreifen und Waffen liefern. So gibt es Berichte, dass die Vereinigten Arabischen Emirate den Kriegsherrn Khalifa Haftar mit Drohnenangriffen unterstützen, aber auch Spekulationen über Hilfe für die Gegenseite. Umso dringender wäre es, dass Moncef Kartas wieder seiner Arbeit nachgehen könnte. Sie dient der Sicherheit der Weltgemeinschaft - und auch Tunesiens.

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