Ökologie:Technik alleine wird den Klimawandel nicht stoppen

Bahn wartet Klimaanlagen in Reisezügen

Einfach einen Schalter umlegen, und der Klimawandel hört auf? Das wird nicht klappen.

(Foto: Jan Woitas / dpa)

Plastikstaubsauger für die Weltmeere oder Klimaanlagen, die CO2 einsaugen. Klingt schön, bringt aber nichts. Ohne Einschnitte im Alltag ist die Erde nicht zu retten.

Kommentar von Marlene Weiß

Jetzt sollen also Klimaanlagen die Welt retten. In einem kürzlich in Nature Communications erschienenen Artikel schlagen Forscher ernsthaft vor, solche Kühlgeräte mit einer Art CO₂-Staubsauger auszurüsten, der das Klimagas aus der Luft in Mineralöl umwandelt. Fein, warum nicht? Natürlich wäre es sinnvoll, die Abwärme der Anlagen zu nutzen - statt sie in die Luft zu blasen.

Trotzdem zeigt der Vorschlag auch, woran bislang noch jeder technische Ansatz zur Lösung globaler Umweltprobleme gescheitert ist: Es haut einfach nicht hin. Selbst wenn so eine Maschine funktionstüchtig wäre, für den Strombedarf müsste man ganze Bürogebäude mit Solarzellen umwickeln. Und hätte damit nicht mal CO₂ aus der Luft entfernt, weil es beim Verbrennen des erzeugten Öls wieder frei würde. Der CO₂-neutralen Lebensweise wäre man keinen Schritt näher.

Der Klimawandel ist ohne Einschränkungen im Alltag nicht zu stoppen

Ähnlich ist es mit dem Projekt Ocean Cleanup, mit dem der Niederländer Boyan Slat die Meere von Plastik befreien will. Das ist ein ehrenwerter Versuch, aber von Anfang an haben Wissenschaftler sehr begründete Zweifel geäußert. Und tatsächlich funktioniert Slats Plastikfänger nicht, nach wenigen Monaten musste er für Korrekturen zurück an Land. Ob er jemals seine Aufgabe erfüllen kann, ist fraglich.

Trotzdem lösen solche Ideen Begeisterung aus. Sie sind ja auch zu verlockend. Wer würde nicht lieber einen Knopf auf der Klimaanlage drücken, als über seine Autofahrten nachzudenken? Oder eben einen Müllschlucker im Pazifik installieren, statt seinen Plastikkonsum infrage zu stellen? Besonders die FDP hat das erkannt und positioniert sich als die Partei der smarten Techniker. Der heutige Lebensstil soll weiter möglich sein, fordert Parteichef Christian Lindner gern. Die Details werden Ingenieure schon richten.

Dabei ist den meisten Menschen längst klar, was viele Politiker nicht wahrhaben wollen: Diese Hoffnung wird auf einem Planeten beschränkter Ressourcen niemals in Erfüllung gehen. 85 Prozent der Befragten im aktuellen ARD-Deutschlandtrend meinen, dass der Klimawandel ohne Einschränkungen im Lebensstil nicht zu stoppen ist. Technik kann helfen, den Umbau zu gestalten, aber ohne grundsätzliche Veränderungen und Einschnitte geht es nicht.

Der Karikaturist Tom Toles hat einst für die Washington Post ein Bild gezeichnet, das leider jedes Jahr aktueller wird. Es zeigt Forscher der Zukunft, die noch immer an der technischen Antwort auf das Klimaproblem basteln. Es ist eine Zeitmaschine: Sie soll die Uhr auf jenen Moment zurückdrehen, an dem die Menschheit verpasst hat, für CO₂-Ausstoß Geld zu verlangen (statt über künftige Technologien zu schwadronieren). So einfach ist das, und so schwer.

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