Hauptversammlung:Die Enkel haben keine Lust auf RWE

Protesters of the Fridays for Future movement march through the city of Essen to protest against German utility RWE during the company's annual shareholders meeting in Essen

Draußen protestierten hunderte junge Menschen, drinnen kritisierte die "Fridays for Future"-Vertreterin Luisa Neubauer den RWE-Vorstand auf dem Podium.

(Foto: REUTERS)
  • In den vergangenen Monaten ist RWE in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte gerückt. Erst wegen der Rodung des Hambacher Forstes, dann durch Proteste für mehr Klimaschutz.
  • RWE-Chef Rolf Martin Schmitz versucht die Aktionäre auf der Hauptversammlung zu überzeugen, dass der Konzern "grüner" wird.
  • Vor der Tür und im Saal protestieren Umweltaktivisten für ein schnelles Kohle-Aus.

Von Janis Beenen, Essen

RWE-Chef Rolf Martin Schmitz muss ertragen, wie die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer ihn vor den eigenen Aktionären angeht. "Kein Konzern in Europa trägt mehr Verantwortung für die Klimakrise als RWE", ruft die junge Frau aus der Rednerkanzel hoch zum Podium des Vorstands. Ihre kleine Gruppe von Unterstützern im Saal jubelt. Schmitz kann nur zuhören.

Neubauer, eine der Anführerinnen der Schüler- und Studentenproteste für Klimaschutz, darf das Rederecht des Dachverbands der Kritischen Aktionäre auf der Hauptversammlung des Energiekonzerns nutzen. Zeitgleich ziehen Hunderte ihrer Unterstützer von der Essener Grugahalle zur Zentrale des Unternehmens.

Proteste von Umweltschützern kennt das RWE-Management, schließlich erzeugt das Unternehmen einen Großteil seines Stroms mit Braun- und Steinkohle. Die Kraftwerke stoßen immense Mengen CO₂ aus. Doch dieser Freitagmorgen zeigt: In den letzten Monaten ist RWE in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte gerückt. Zunächst durch den Streit um die Rodung des Hambacher Forstes bei Köln. Nur ein Gerichtsbeschluss verhinderte vorerst, dass RWE seinen Tagebau auf die Fläche des Waldes ausweitet. Seit Wochen protestieren zudem junge Leute jeden Freitag für den Klimaschutz. RWE ist für sie das Symbol der Vergangenheit.

Schmitz gibt sich verständnisvoll. Er finde es gut, dass sich die Schüler interessieren, sagt der 61-Jährige. Doch neben den jungen Leuten muss er die Aktionäre überzeugen, dass sein Konzern tatsächlich grüner werden kann und wird. Er spricht über die "neue RWE". "Schon in einem Jahr werden Sie unser Unternehmen kaum wiedererkennen", sagt Schmitz. Dann soll RWE durch ein Geschäft mit dem Konkurrenten Eon der drittgrößte Ökostromproduzent Europas werden. RWE will seine Tochterfirma Innogy mit dem Netz- und Vertriebsgeschäft an Eon abtreten. Im Gegenzug soll RWE die Erzeugung erneuerbarer Energien von Innogy und Eon übernehmen. Noch müssen die Wettbewerbshüter der EU-Kommission der Übernahme von Innogy durch Eon zustimmen. Schmitz ist sicher, dass die Erlaubnis noch im zweiten Halbjahr kommt. Zusätzlich will RWE jährlich 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau der Erneuerbaren investieren.

Die Demonstranten vor der Tür glauben nicht an Schmitz' Wandel. Das Misstrauen ist riesig. Mit Protest wollen sie die Abkehr von der Kohle noch beschleunigen. Zwischenzeitlich blockieren die Fridays-for-Future-Leute mit einem Sitzstreik die U-Bahnstation nahe der Halle. Vor dem Eingang skandieren die Umweltschützer zwischen ihren bunten Bannern: "Hopp, hopp, Kohlestopp."

So schnell wird das aber nicht gehen: Trotz aller Versprechungen stellt Schmitz auf dem Podium klar: Die konventionelle Erzeugung habe einen entscheidenden Anteil am künftigen Erfolg des Unternehmens. Mit dem Ausstieg muss er sich dennoch auseinandersetzen. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hat empfohlen, dass die Kohleverstromung in Deutschland 2038 endet. RWE sei bereit, seinen Beitrag zu leisten, so Schmitz. Das möchte er sich aber zumindest gut bezahlen lassen. In einem ersten Schritt sollen bis 2022 rund drei Gigawatt Braunkohlekapazität zusätzlich vom Netz. Das würde vor allem RWE treffen. Auf 1,2 bis 1,5 Milliarden Euro Entschädigung pro Gigawatt möchte Schmitz bei anstehenden Gesprächen im Bundeswirtschaftsministerium dringen.

Die Umweltschützer applaudieren für einen Investor

Viele Investoren machen deutlich, dass sich RWE nicht mehr lange mit der alten Ausrichtung aufhalten sollte. Das heutige Geschäftsmodell sei "ein klares Auslaufmodell", sagt Thomas Deser von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Er begrüßt das Umdenken. Der Vertreter der Deka, des Wertpapierhauses der Sparkassen, kündigt an, gegen die Entlastung des Vorstands zu stimmen. Zu sehr habe der Vorstand im Streit um Hambach dem Image von RWE geschadet. Die Umweltschützer applaudieren - für einen Investor.

Mit ihrer kleinen Gruppe bestimmen sie die Stimmung im Saal. Immer wieder bringen sie Leute aus ihren Reihen auf die Rednerliste. Draußen dominieren sie ohnehin. "Die Bewegung ist im vergangenen Jahr bunter und breiter geworden", sagt Ronald Zoch. Der 64-Jährige demonstrierte auch in der Vergangenheit vor der Hauptversammlung "für eine enkeltaugliche Zukunft". Und er ist sicher, dass die Demonstranten auch in Zukunft wiederkommen müssen. "Der Dinosaurier hat jahrelang neue Entwicklungen verpennt", sagt Zoch. Noch sorgt der Titel "neue RWE" bei ihm und seinen Mitstreitern für Lacher.

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