VroniPlag Wiki:Plagiatsjäger beanstanden mehr als 70 Seiten von Giffeys Dissertation

Bundestag

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey steht seit Längerem wegen ihrer Dissertation in der Kritik.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)
  • Das Internetforum VroniPlag Wiki dokumentiert Plagiate auf mehr als einem Drittel der Seiten der Doktorarbeit von Familienministerin Giffey.
  • Vroniplag berichtet von "mindestens 72 Fällen", in denen Quellen "dem Anschein nach willkürlich gewählt sind oder mit denen sich diese (so) nicht belegen lassen".
  • Giffey habe an mehreren Stellen Nachweise "aufgepeppt" oder auch Texte aus dem englischen übersetzt wörtlich übernommen.
  • Die Sozialdemokratin hatte die FU Berlin nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe im Februar um eine Prüfung der Arbeit gebeten, diese läuft.

Von Roland Preuß

In der Doktorarbeit von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) soll es noch mehr plagiierte Textpassagen und Fehler geben als bislang bekannt. Zu diesem Ergebnis kommen die Rechercheure des Internetforums VroniPlag Wiki, die ihre Prüfung der Dissertation nun abgeschlossen haben. Demnach haben die Plagiatejäger auf 76 der insgesamt 205 Textseiten der Arbeit "Plagiate dokumentiert", wie es auf VroniPlag heißt, also auf mehr als einem Drittel der Seiten. Auf einer Seite habe Giffey sogar mehr als drei Viertel eines fremden Textes übernommen, ohne dies sauber zu kennzeichnen. Als erstes hatte der Spiegel darüber berichtet. Zudem fanden die Plagiatejäger weitere Stellen, in denen sie für ihre Aussagen offenbar Belege anführt, die diese Aussagen gar nicht stützen. "Es wirkt so, als ob Giffey systematisch Belege verwendet, die sie nicht überprüft hat", sagte einer der federführenden VroniPlag-Akteure, Gerhard Dannemann, der Süddeutschen Zeitung. Der Juraprofessor Dannemann lehrt an der Berliner Humboldt-Universität.

Vroniplag schreibt in seiner Zusammenfassung von "mindestens 72 Fällen", in denen die Quellen "dem Anschein nach willkürlich gewählt sind oder mit denen sich diese (so) nicht belegen lassen". Da es so viele Fälle sind, drängt sich der Verdacht auf, dass es nicht nur einzelne Versehen Giffeys waren, sondern ein Muster ihrer Arbeitsweise. Dannemann spricht von "simulierter Wissenschaft". Giffey habe an mehreren Stellen ihre Nachweise "aufgepeppt", indem sie seriöse Literatur angeführt habe und erst später die eigentliche Fundstelle, etwa aus einem Buch, das lediglich in die Materie einführt. Ein solches Vorgehen täuscht wissenschaftliche Tiefe nur vor.

Teilweise habe sie Belege aus der Sekundärliteratur samt Fehlern, wie etwa falsch geschriebenen Namen, einfach übernommen. Auch dies gilt als klares Indiz für Abschreiben.

Im Fall der besonders auffälligen Seite mit mehr als drei Vierteln übernommenem Text handelt es sich laut Dokumentation um einen aus dem englischen übersetzen Text. "Übersetzungsplagiate sind beliebt, keine Plagiatssoftware findet das", sagte Dannemann.

Die Vroniplag-Mitarbeiter, die in der Regel anonym bleiben, hatten die Dissertation in monatelanger Arbeit überprüft, Literatur abgeglichen und diskutiert, wie sie verdächtige Textstellen bewerten sollen - und dokumentieren ihre Befunde akribisch im Netz.

Dannemann will einer Entscheidung der zuständigen Freien Universität Berlin (FU), ob sie Giffey den Doktorgrad entziehen soll, nicht vorgreifen, sagte aber: "Es ist schon für geringere Verstöße der Doktorgrad aberkannt worden. Wenn die Uni Giffey den Grad entzieht, wird das vor dem Verwaltungsgericht Bestand haben."

Giffey hatte die FU nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe im Februar um eine Prüfung der Arbeit gebeten, diese läuft. Sie hat stets betont, sie habe die Arbeit "nach bestem Wissen und Gewissen verfasst".

Zur SZ-Startseite

Betrug im Studium
:Wird schon keiner merken

Akademischer Betrug ist an deutschen Unis alltäglich, Lehrende oft dagegen machtlos. Dabei könnten Hochschulen Plagiaten und Co. vorbeugen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: