Mitten in Karlsfeld:Stöpselzieher mit Signalkelle

Wenn die Autofahrer verrückt spielen, dann muss der Schulweghelfer eingreifen

Kolumne von Walter Gierlich

Karlsfeld nur eine langweilige Schlafstadt? Von wegen. In einer knappen halben Stunde lässt sich hier schon morgens unheimlich viel erleben - Unterhaltsameres jedenfalls, als es ein durchschnittlicher Fernsehabend zu bieten hat. Etwa von einem Schulweghelfer, wenn er morgens am Kreisverkehr steht, an dem sich Krenmoos-, Falken- und Georg-Queri-Straße treffen. In letztere, die als Einbahnstraße vom Kreisel wegführt und deren linke Fahrbahnseite immer zugeparkt ist, fährt am vergangenen Freitag kurz vor halb acht ein riesiger Tieflader hinein, dessen Fahrer seinen Koloss in Millimeterarbeit zwischen abgestellten Autos links und der Bordsteinkante rechts hindurchmanövriert.

Nach circa fünfzig Meter aber, an einem Grundstück, in dem gebaut wird, stoppt er seinen Laster und schaltet die Warnblinkanlage ein. Die Straße ist somit dicht - und zwar absolut. Die meisten Autofahrer, die - mal blinkend, mal ohne zu blinken - aus dem Kreisverkehr in die Georg-Queri-Straße einbiegen, merken schnell, dass dort ein Stöpsel die Durchfahrt verhindert. Sie legen also den Rückwärtsgang ein und tasten sich langsam in den Kreisel zurück, um einen anderen Weg zu ihrem Ziel zu suchen.

Doch dann saust einer forsch auf das schwere Baustellenfahrzeug zu. Wohl in der irrigen Hoffnung, dass er, eine Parklücke nutzend, vorbeifahren könne. Diesen Optimismus des flotten Pkw-Lenkers teilen sogleich mehrere andere Fahrer. Bald stehen fünf Wagen in der Einbahnstraße und weitere schließen sich dem Stau nur deshalb nicht an, weil die Schlange mittlerweile bis fast in den Kreisel zurückreicht, was immerhin den Vorteil hat, dass inzwischen jeder schnell erkennen kann: Weiterkommen auf diesem Weg unmöglich! Wie aber soll es geordnet rückwärtsgehen, wenn zwar der erste Fahrer vorne inzwischen verstanden hat, dass er in einer Sackgasse feststeckt, die folgenden dieses aber noch längst nicht registriert haben?

Da ergreift den Schulweghelfer das Mitleid, schließlich sind es nur noch wenige Minuten bis Unterrichtsbeginn, so dass seine eigentliche Aufgabe erfüllt ist. Ausgestattet mit gelber Weste und rot-weißer Kelle winkt er die festgefahrenen Wagen zurück in den Kreisverkehr und hält solange die anderen Autos an, bis der Stau aufgelöst ist. Dass auf der Signalkelle "Vorsicht Kinder" steht, stört dabei wenig. Schließlich verhält sich im Straßenverkehr ja offensichtlich mancher Erwachsene genauso wie bisweilen trotzige Mädchen und Buben.

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