Urheberrecht: Beckedahl vs. Voss:"Mit einer Schrotflinte auf Youtube geschossen und das halbe Internet getroffen"

re:publica 19 - Day 2; Re:publica 2019

Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org und Gründer der Republica, ist ein Gegner der EU-Urheberrechtsreform.

(Foto: Jan Zappner/re:publica/CC BY-SA 2.0)
  • Die Reform des EU-Urheberrechts trieb Hunderttausende auf die Straße. Am heftigsten gestritten wurde um sogenannte Upload-Filter.
  • Auf der Digitalkonferenz Republica diskutieren der zuständige EU-Berichterstatter Axel Voss (CDU) und Republica-Gründer Markus Beckedahl über Sinn und Unsinn der Reform.
  • Voss bleibt dabei, dass die Reform alternativlos gewesen sei. Beckedahl befürchtet Auswirkungen auf ganz normale Nutzer.

Von Jannis Brühl, Berlin

Nach dem großen Aufstand gegen seinen Plan, dem Streit, und den Drohungen, die er erhalten hat, bleibt die Frage: Würde Axel Voss sich das noch einmal antun? Noch einmal Berichterstatter des Europaparlamentes für die Urheberrechtsreform sein? "Das würde ich mir in der Tat stark überlegen, weil es schon eine sehr anstrengende Zeit war", sagt Voss und schaut nachdenklich von der Bühne in den Saal.

Axel Voss, 56, ist an diesem Dienstag der mutigste Mann in Berlin. Er ist auf die Republica gekommen, Deutschlands große Digitalkonferenz. Hier halten ihn praktisch alle für inkompetent, manche gar für den Zerstörer ihres heiß geliebten Internets.

Er hat jene neue EU-Richtlinie für das Urheberrecht vorangetrieben, die Plattformen in die Haftung nimmt. Weil das - wie auch Voss zugibt - dazu führen wird, dass Plattformen wie Youtube alle Beiträge mit Software vorfiltern werden. Nur so können sie sich vor ständigen Strafen schützen, wenn ihre Nutzer Filme oder Bilder hochladen, an denen ein anderer Künstler oder ein Unternehmen die Rechte hat.

Voss sitzt auf der Bühne Markus Beckedahl gegenüber. Der hat ein Heimspiel, er ist Republica-Mitgründer und Betreiber des Blogs netzpolitik.org - und er hat das Publikum auf seiner Seite. Die Schlange am Eingang ist lang, im vollen Saal herrscht leichte Kirmesboxkampfstimmung. Voss ist in der "Höhle des Löwen", wie der Moderator vor dem Streitgespräch sagt.

Beckedahl ist von sich selbst befugt, im Namen der "neuen Kreativen" zu reden. Jener Blogger und Künstler, die ohne große Strukturen wie Verlage und Verwertungsgesellschaften digital veröffentlichen. "Viele hier im Raum haben die Erfahrung gemacht, wie teuer es wird, wenn man ein Foto veröffentlicht und vielleicht falsche Lizenzangaben gemacht hat." Die Reform habe aber "nur die Rechte einer bestimmten gut organisierten Urheberrechtslobby berücksichtigt". Wer täglich im Netz unterwegs sei, müsse nun aufpassen.

Dann hält Beckedahl ein Blatt Papier hoch: Captain Jean-Luc Picard, die Hand fassungslos vor dem eigenen Gesicht. Das Bild, das eine Szene aus der Serie "Star Trek" zeigt, ist, kombiniert mit immer neuen Schriftzügen, zum Meme geworden. Viele im Netz verwenden es, um auszudrücken, dass sie konsterniert sind. Im Filter würde es hängen bleiben, sagt Beckedahl. Schließlich sei "Star Trek" ja urheberrechtlich geschützt.

Voss will Anerkennung für die Ausnahmen, die er nach der ersten Welle der Kritik in der Richtlinie untergebracht hat. Im Alltag ändere sich ja quasi nichts: "Ich glaube, dass der User keine Veränderung spürt, wir haben ihm ja die Haftung entzogen." Weiterhin möglich seien Remixe, Gifs, Memes - also die kreative Verwurstung geschützter Werke. Das Problem, dass Filtersoftware nicht "klug" genug ist, um Satire und Memes als solche zu erkennen, übergeht Voss.

Dann wird es kurz giftig. Juristen hätten ihm versichert, für so einen Beitrag halte die Regel keine Ausnahme bereit, sagt Beckedahl. Voss kontert: "Das sind wahrscheinlich Juristen, die Ihre Seite unterstützen wollen." Beckedahl darauf: "Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich beim Urheberrecht auf Ihre Expertise verlassen möchte."

Im Ganzen bleiben die Kontrahenten fair, das Publikum reagiert mehrfach mit Gelächter auf Voss' Äußerungen. Einmal muss er sich höhnische "Oohs" anhören, als er wieder einmal beklagt, niemand habe ihm vor der Reform zugehört. Aus seiner Perspektive war und ist es ein Kommunikationsproblem, kein inhaltliches.

"Jetzt mal ernsthaft, wie sollen wir es denn sonst regeln?"

Ja, das Urheberrecht brauche eine Reform, sagt auch Beckedahl - es sei zu kompliziert. "Selbst Sie als zuständiger Berichterstatter wissen es ja nicht in den Details." Voss hatte sich vor der Abstimmung in manchen Interviews widersprüchlich geäußert. Zwischenzeitlich hatte er den Eindruck erweckt, er wisse nicht wirklich, wie Google funktioniert. Das wirkt auf das Republica-Milieu, als würde jemand Astronomen erklären, warum die Erde eine Scheibe sei.

Hunderttausende demonstrierten in den vergangenen Monaten gegen die Reform, Befürworter und Gegner warfen einander vor, wahlweise vom Silicon Valley oder der Medienindustrie gesteuert zu sein. Das Gespräch auf der Republica hätte so etwas wie ein Friedensschluss sein können, doch keiner bewegt sich.

Voss bleibt dabei: Seine Reform sei alternativlos. "Die Frage dahinter ist, ob man fremdes Eigentum respektiert oder nicht." Dann fleht er fast in den Saal: "Jetzt mal ernsthaft, wie sollen wir es denn sonst regeln?" Wieder Gelächter.

Wenn Beckedahl nach Details der Umsetzung fragt, zieht sich Voss auf die Position zurück: Die liege jetzt bei den Ländern. Da hat er Recht, allerdings bleibt die Frage, warum die Möglichkeit zur allgemeinen Vor-Filterung dann nicht schon in der Richtlinie bewusst verhindert wurde. Der Europäische Gerichtshof sieht Uploadfilter seit Jahren kritisch.

Filter blockte Republica-Vortrag

Beckedahl hämmert seine Gegenargumente runter: Die Ausnahme für Start-ups, die jünger als drei Jahre sind und weniger als 10 Millionen Euro Umsatz machen, sei nicht weit genug gefasst, die Filterpflicht würde ihnen schaden. "Man hat mit einer Schrotflinte auf Youtube geschossen und das halbe Internet getroffen."

Wie Filter-Software funktioniert, erlebten die Republica-Organisatoren Montagnacht am eigenen Leib. Weil während eines Vortrags ein kurzer Ausschnitt aus einer Arte-Sendung gezeigt worden sei, blockierte Youtube die Aufzeichnung aus dem Republica-Kanal von Youtube. Der Arte-Inhalt war im Filter hinterlegt, und der erkannte kein Zitat, sondern eine Urheberrechtsverletzung. So erklärte es jedenfalls das ZDF. Kritiker wie Beckedahl sagen, dass dieses automatisierte, von Nutzern als erratisch empfundene Blockieren von Inhalten mit der neuen Urheberrechts-Richtlinie Alltag werde. Insbesondere, weil auch aus anderen, politischen Gründen, in der EU noch mehr Filterpflichten vorgeschlagen werden, etwa solche gegen "Terror-Propaganda".

Voss wirkt zwar nicht wie ein Gewinner, aber er hat sich in Straßburg und Brüssel durchgesetzt. Am Ende gibt er sich versöhnlich: "Lassen Sie uns weiter debattieren, und wenn es zu Übertreibungen kommt, dann kann man ja nachbessern." Dann müsste Axel Voss sich das vielleicht alles noch einmal antun.

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