Technologie:Die Zukunft sitzt auf der Nase

Technologie: Philipp Rauschnabel mit einer AR-Brille - noch werden diese meist für Spiele genutzt.

Philipp Rauschnabel mit einer AR-Brille - noch werden diese meist für Spiele genutzt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Wissenschaftler Philipp Rauschnabel beschäftigt sich mit Augmented-Reality-Brillen. "Sie werden sich durchsetzen wie Smartphones", meint er - und hat nun eine internationale Tagung nach München geholt

Von Sabine Buchwald

Noch sind die Geräte so groß wie Skibrillen und sehen nicht gerade vorteilhaft aus. Kaum vorstellbar, dass man sich im Alltag damit auf den Weg macht. Wenn es aber hilft, ein Ziel schneller zu erreichen? Wer weiß, womöglich setzt man sich dann eben doch gern eine Virtual- beziehungsweise Augmented-Reality-Brille auf die Nase. Philipp Rauschnabel, Wissenschaftler an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg, ist überzeugt, dass es nur noch wenige Jahre dauern wird, bis uns solche Brillen begleiten. "Sie werden sich durchsetzen wie Smartphones", glaubt er. Laut dem US-amerikanischen Pew-Forschungszentrum besaßen Anfang des Jahres weltweit fünf Milliarden Menschen ein Mobiltelefon, die Hälfte davon waren Smartphones. Tendenz steigend, dafür sorgen die Werbeoffensiven der Anbieter und die sinkenden Preise bei einigen Herstellern. Gleiches gilt für die sogenannten intelligenten Brillen. In zwei, drei Jahren, prognostiziert Rauschnabel, wird es richtig los gehen damit. Er geht davon aus, dass die Technik derart komprimiert werden kann, dass es schnell Modelle geben wird, die weniger als 100 Gramm wiegen. Entsprechend schick und unauffällig werden sie dann sein.

Die Firma Apple könnte schon 2020 eine Smart-Brille als Zubehör zum iPhone anbieten, wird in der Branche gemunkelt. Microsoft hat gerade eine zweite Version seiner "Hololense" präsentiert. Die wird in Kürze für umgerechnet 3100 Euro auf dem Markt sein. Bislang werden vor allem VR-Brillen, die Nutzer in eine komplett virtuelle Welt eintauchen lassen, hauptsächlich als Spielgeräte genutzt. AR-Brillen - das A steht für augmented, also erweitert - oder auch Mixed-Reality-Brillen genannt, vergrößern beziehungsweise ergänzen hingegen die eigene Wahrnehmung. Schon bald wird man beide Arten wohl schon nicht mehr explizit unterscheiden.

Was mit der Technologie bislang alles möglich ist, wird auf einer Konferenz im Juni an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg vorgestellt. Rauschnabel, 34, ist dort seit vergangenem Herbst Professor für Digitales Marketing und Medieninnovation an der Fakultät für Betriebswirtschaft. Er hat eine Tagung, die in der Vergangenheit viermal im englischen Manchester stattgefunden hat, nach München geholt. Erwartet werden mehr als 100 Redner aus Wissenschaft und Industrie, die Forschungsergebnisse und Anwendungsbeispiele diskutieren. Die Vorkonferenz am Mittwoch, 12. Juni, soll vor allem Manager ansprechen, aber auch Studierende.

Am 13. und 14. Juni geht es unter anderem um den Einsatz der Technik in spezifischen Berufszweigen, etwa im Tourismusbereich, in der Baubranche oder in der Museumspädagogik, aber auch um gesellschaftliche Fragen. Werden wir schon bald zum Aufbau eines Regals eine AR-Brille aufsetzen, die uns die Arbeitsschritte vorgibt? Werden Mechaniker bald nur noch damit arbeiten und keine fundierte Ausbildung mehr brauchen? Wer trägt die Verantwortung, wenn Mediziner ihre Patienten durch eine Brille betrachten und womöglich operieren? Und was passiert mit all den Daten, die über die Brille gesammelt und etwa mit Facebook-Profilen abgeglichen werden können?

"Ich versuche, die Technik nicht zu bewerten, sondern vor allem zu erklären, wie sie funktioniert und wie wir darauf reagieren", sagt Rauschnabel. Wie bei jeder neuen Technologie gebe es zwei Seiten: Man könne sie nicht grundsätzlich verbieten, sagt er, plädiert jedoch dafür, die Entwicklung genau zu beobachten. Eventuell sei es notwendig, mit Gesetzen frühzeitig einzugreifen - wie etwa beim Telefonieren mit dem Handy am Ohr während des Autofahrens, das inzwischen verboten ist.

Anders als viele Erwachsene reagieren Kinder offen und neugierig auf Innovationen. Rauschnabel wird an diesem Mittwochnachmittag im Rahmen der Bundeswehr-Kinderuni von Augmented Reality erzählen. Er sieht ihre Zukunft etwa im Biologieunterricht, um den Aufbau des Körpers begreifbarer zu machen oder Dinosaurier zum Leben zu erwecken. Auch beim Vokabelbüffeln oder beim Übersetzen könne die Technik helfen. Rauschnabel will die Kinder auffordern, über ihr Medienverhalten nachzudenken und sie fragen, was an den Innovationen gut oder schlecht ist.

"Pokémon Go war erst der Anfang! Die Zukunft mit Augmented Reality Apps", 8. Mai, 16.30 Uhr, Anmeldung über VHS Südost. 5. Intern. AR&VR-Konferenz, 12.-14. Juni, Anmeldung noch bis Juni online möglich, Bundeswehr-Universität, Werner-Heisenberg-Weg 39, Neubiberg

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