Iran:Unter Zündlern

US-Präsident Donald Trump mag keinen neuen Krieg wollen. Doch die Falken in Washington wie in Teheran setzen auf Konfrontation. Die Europäer müssen alles tun, um eine Katastrophe zu verhindern.

Von Paul-Anton Krüger

US-Präsident Donald Trump soll seinen Sicherheitsberater John Bolton im Weißen Haus scherzhaft mit den Worten begrüßt haben, er müsse ihm versprechen, keine Kriege zu beginnen. Es spricht Bände, dass Bolton später dementierte, ein solches Versprechen gegeben zu haben. Jedenfalls machte er sich daran, die US-Politik gegenüber Nordkorea und Iran zu verschärfen. Ein Krieg mit Teheran gilt selbst wenig alarmistisch gesinnten Strategen in europäischen Hauptstädten wie Außenpolitikern im US-Kongress inzwischen wieder als ein ernst zu nehmendes Szenario.

Während der Präsident sich in den "kleinen Raketenmann" in Pjöngjang verliebt hat, war Bolton erfolgreich darin, seine aggressive Linie gegen Iran in der Regierung durchzusetzen. In Außenminister Mike Pompeo hat er einen Verbündeten. Mahnende Rufer hat er verdrängt. All das erinnert an das Vorgehen der Falken vor dem Irakkrieg 2003.

Und Trump spielt bislang treuherzig mit. Er hat das Atomabkommen mit Iran gekündigt, schon weil er diesen Erfolg seines Vorgängers Barack Obama im Wahlkampf als "schlechtesten Deal aller Zeiten" dämonisiert hatte. Die Einwände der Verbündeten scherten ihn nicht, vielleicht weil er den Europäern eine Lektion erteilen wollte, denen das Abkommen als Beleg gilt, dass ihre Strategie der multilateralen Diplomatie zentrale Konflikte lösen kann. Das Angebot, an gemeinsamen Folgeverhandlungen mit Iran zu arbeiten, schlug er in den Wind.

Trump verhängte lieber ein Ölembargo mit dem Ziel, Irans Wirtschaft zu strangulieren. Während offiziell die Rede davon ist, die Sanktionen sollten Iran zwingen, sein tatsächlich oft destabilisierendes Verhalten zu ändern, verhehlt Bolton nicht, dass er das ihm zutiefst verhasste Regime der Islamischen Republik kippen will. Bolton gilt als Anhänger der Theorie, dass aus Chaos Gutes entstehen könne. Allerdings haben die USA keinen Plan, was auf einen Sturz des Regimes in Iran folgen könnte.

Dessen ungeachtet treibt Trump, getrieben von Bolton, die "Kampagne des maximalen Drucks" voran. Er annullierte Ausnahmen von den US-Sanktionen gegen Iran für die zivile nukleare Zusammenarbeit - ein weiterer Versuch, den Vertrag auszuhebeln und die Europäer auf Kurs zu zwingen. Zudem erklärte Trump die Revolutionsgarden zur Terrorgruppe, ein Schritt ohne Vorbild, vor dem Pentagon und Geheimdienste gewarnt hatten.

Iran hat sich lange in Geduld geübt und sich dem Rat der Europäer folgend nicht provozieren lassen. Zu groß aber ist der innenpolitische Druck, zu schwerwiegend der Kollaps der Wirtschaft, als dass Präsident Hassan Rohani diesen Kurs weiter durchhalten könnte. Die Hardliner, der Oberste Führer Ali Chamenei und die Revolutionsgarden an der Spitze, haben immer schon in Irak, Syrien, Libanon oder Jemen ihre eigene Politik gemacht, die sicher nicht zur Stabilität in der Region beiträgt. Sie haben schiitische Milizen aufgestellt und die iranische Militärpräsenz in der Region ausgeweitet. Jetzt zwingen sie Rohani beim ihnen verhassten Atomabkommen auf eine konfrontative Linie.

Und Europa? Sieht all dem weitgehend ohnmächtig zu. Viel ist die Rede von einer eigenständigen Außenpolitik als Antwort auf Trump. Doch zeigen sich im Konflikt mit Iran wieder die Kräfteverhältnisse: Europa hat der militärischen und wirtschaftlichen Macht der USA außer Lippenbekenntnissen kaum etwas entgegenzusetzen. Wenn jetzt auch noch die Einigkeit in der EU bröckelt, wie man mit Rohanis Ankündigungen umgeht, reibt sich Bolton in Washington die Hände. Dann hat er es geschafft, Iran zu isolieren.

Es widerspricht Trumps Instinkten, einen neuen Krieg im Nahen Osten mit unkalkulierbaren Folgen vom Zaun zu brechen. Er will die US-Truppen aus der Region abziehen und weiß, dass es in der Bevölkerung keine Mehrheit für neue militärische Abenteuer gibt. Die Gefahr der Zuspitzung liegt jedoch darin, dass sich aus einem kleinen Zwischenfall eine Eskalation entwickelt, deren Eigendynamik nicht mehr zu stoppen ist. Auch in Iran setzt eine mächtige Fraktion auf Konfrontation. Und die Sorge ist berechtigt, dass Leute wie Bolton alles tun, um einen solchen Zwischenfall herbeizuführen. Sie warten darauf, dass Iran einen Vorwand liefert, um das umzusetzen, was Bolton jahrelang gefordert hat: Iran zu bombardieren.

Die Folgen wären kaum abzusehen. Iran hat sich eingestellt darauf, dass ein herkömmlicher Krieg gegen Amerika nicht zu gewinnen ist - und die USA werden anders als im Irak kaum in Iran einmarschieren. Teherans Antwort wird jedenfalls asymmetrisch sein und die ganze Region betreffen, sie womöglich vom Golf bis zur Levante für Jahre in Brand setzen. Für die USA ist das Chaos weit entfernt, sie sind nicht einmal mehr auf das Öl vom Golf angewiesen. Leidtragende wären die Europäer, die sich mit neuen Flüchtlingen und noch mehr Chaos im Nahen Osten herumschlagen müssten. Sie sollten alles dafür tun, eine Eskalation zu verhindern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: