Deutschland und die USA:Wahre Freunde

Bei seinem Vorhaben, das Gefangenenlager Guantanamo zu schließen, bekommt US-Präsident Obama ausgrechnet von den Berlusconi und Sarkozy Unterstützung. Und Berlin? Nichts!

Christian Wernicke

Das Sprichwort kommt US-Diplomaten zurzeit gerne über die Lippen: "Ein Freund in der Not, das ist ein wahrer Freund." Zu hören bekommen den Spruch all die alliierten Partner in der alten Welt, mit denen Washington um eine Aufnahme von Gefangenen aus dem allseits geächteten Schandlager Guantanamo verhandelt.

Die Europäer hatten, mit tiefster Abscheu und in hochmoralischem Ton, Amerikas karibischen Kerker stets missbilligt. Das kam an - beim eigenen Volk wie auch international, in einer von George W. Bush allerorten angewiderten Welt.

Die Kritik war billig, weil der republikanische Präsident nie ernsthaft daran dachte, Guantanamo zu schließen. Nun aber, da Barack Obama sein Versprechen einlösen will, bis Januar 2010 sämtliche noch 226 Insassen anderswo unterzubringen, klingen viele Europäer arg kleinlaut.

Schäuble sperrt sich

Beistand leisten dem neuen Präsidenten nur zwei Herren, die im EU-Kreis sonst wegen chronischer Großspurigkeit als Maulhelden geächtet werden: Nach Nicolas Sarkozy will nun auch Silvio Berlusconi mit Taten Wort halten - und drei Internierte aus Guantanamo befreien.

Und Berlin? Nichts! Außenminister Frank-Walter Steinmeier wünscht sich zwar eine transatlantische (und humanitäre) Geste. Aber Innenminister Wolfgang Schäuble sperrt sich, murmelt etwas von Sicherheitsbedenken wegen jener Uiguren, die nun auf den Bermudas gelandet sind oder demnächst im pazifischen Palau ankommen. Angela Merkel hält es nicht für nötig, sich da einzumischen. Nur: Sie sollte es tun. Kommende Woche wird sie im Weiße Haus vorstellig - und spätestens dann muss sie bekennen, wie viel ihre (und der Deutschen) Freundschaft wirklich wert ist.

© SZ vom 17.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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