Atomkonflikt:Die Europäer werden vorgeführt

Atomkonflikt: Eine Frau protestiert in Brüssel angesichts der neuerlichen Eskalation des Atomkonflikts zwischen den USA und Iran. Europa scheint alldem weitgehend machtlos gegenüberzustehen.

Eine Frau protestiert in Brüssel angesichts der neuerlichen Eskalation des Atomkonflikts zwischen den USA und Iran. Europa scheint alldem weitgehend machtlos gegenüberzustehen.

(Foto: AP)

Die USA zwingen Europa mit Brachialgewalt hinter ihre aggressive Iran-Politik, Teheran verfügt ebenfalls über erhebliches Erpressungspotenzial. Der Kontinent erlebt mal wieder eine harte Lektion in Sachen Machtverhältnisse.

Kommentar von Stefan Kornelius

Geradezu drollig wirkt es, dass die europäischen Garantiemächte des Nuklearabkommens das iranische Ultimatum "zurückweisen". 60 Tage hat Iran der EU gegeben, um vor neuen amerikanischen Sanktionen geschützt zu werden. Ansonsten werde man wieder Uran anreichern. Nun also will Europa dieses Ultimatum zurückweisen. Aber: Wie bitte soll das gehen? Und wer lässt sich von dieser Drohung beeindrucken?

Es liegt nicht in der Macht der EU, die USA von ihren Sanktionen abzuhalten. Genauso wenig liegt es in ihrer Macht, Iran auf den Pfad der Tugend zu zwingen. Europa ist ohnmächtig, und weil sowohl die USA wie Iran das wissen, nutzen sie die EU als Hebel. Für Europa ist das keine angenehme Lage, aber die Realität erteilt dem Kontinent mal wieder eine harte Lektion in Sachen Machtverhältnisse.

Die USA zwingen Europa mit Brachialgewalt hinter ihre aggressive Iran-Politik. Nach der einseitigen Aufkündigung des Vertrags will Washington auch Europa von der Erfüllung seiner Vertragspflichten abhalten. Das fällt nicht schwer, weil es neben dem europäischen politischen Interesse an Iran vor allem ein Wirtschaftsinteresse gibt. Das wird von Konzernen verfolgt, die gleichzeitig erheblich größere Wirtschaftsinteressen in den USA verfolgen oder deren Auslandsgeschäfte in aller Welt von US-Banken abgewickelt werden. Schon nach der Aufhebung der Sanktionen 2015 ist das Iran-Geschäft nicht wirklich angelaufen, weil keine Firma das Risiko eingehen wollte, ihr US-Geschäft wegen ein paar lumpiger Iran-Verträge zu riskieren.

Irans Erpressungspotenzial ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Natürlich ist die Wiederbelebung des Atomprogramms die eigentliche Bedrohung - auch für Europa. Die Stabilität in der Region und die Verlässlichkeit bei der Rüstungskontrolle sind keine dauerhaften Errungenschaften. Würde Iran wieder anreichern, kehrte das Risiko einer Nuklearisierung der Region blitzschnell zurück. Unter Präsident Obama war es den USA gelungen, nukleare Fantasien in Saudi-Arabien, aber auch der Türkei zu kontrollieren. In der unkontrollierbaren Trump-Zeit wächst das Risiko exponentiell.

Europa wäre nicht nur direkt davon bedroht. Ein radikalisiertes und konfliktbereites Iran kann Europa vor allem mit einer asymmetrischen Eskalation ein echtes Problem bereiten. Drei Millionen afghanische Flüchtlinge warten in Iran auf die Chance, nach Europa zu reisen. Und Teheran droht nur schlecht kaschiert damit, diese Menschen als Waffe einzusetzen.

Will sich Europa vor der Willkür der beiden Akteure schützen, bleibt nur ein Muskelaufbauprogramm. Es fehlt bislang eine glaubwürdige Strategie zur Abschreckung oder gar zum Gegenschlag - im Finanzsektor, mithilfe von Handelssanktionen, am Ende auch militärisch. Eine unabhängige europäische Finanzarchitektur mit einem starken Bankensektor wäre hilfreich, widerspräche aber auch allen Vorstellungen einer verflochtenen Wirtschaft.

Donald Trump agiert ja nicht nur aggressiv in der Welt, sondern reißt auch ein über Jahrzehnte hinweg gewachsenes Ordnungssystem ein. Dass die EU plötzlich auf Seiten Russlands und Chinas gegen die USA in Stellung geht, zeugt von der neuen Zumutung. Welch schwacher Trost, dass der Iran-Vertrag wenigstens ein paar Jahre gehalten hat.

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