Islamische Republik:Warum in Iran kein Aufstand in Sicht ist

Massendemonstration gegen Ergebnis der umstrittenen Präsidentenwahl

Die letzten Massenproteste in Iran gab es 2009, hier in Teheran. Seitdem ist es vergleichsweise ruhig geblieben.

(Foto: dpa)
  • Die ökonomische Situation der meisten Iraner wird von Woche zu Woche schwieriger.
  • Die großen Protestkundgebungen, die das Regime ernsthaft unter Druck bringen könnten, bleiben bislang allerdings aus.
  • Das hängt unter anderem mit der Angst vor den Revolutionsgarden und der Furcht vor einer militärischen Auseinandersetzung mit den USA zusammen.

Ganz gleich, mit wem man spricht, die Berichte der Menschen in Iran ähneln sich. Da ist etwa der Besitzer eines großen Restaurants. Er lebt mittlerweile vor allem von Touristen und den sehr wohlhabenden Bürgern. Die früheren Stammkunden mit mittlerem Einkommen aber bleiben weg. Oder der Student, der sich nur noch selten richtig satt essen kann. Oder der Hausmeister, dem mittlerweile sogar das Geld für die Schulhefte der Tochter fehlt.

Die ökonomische Situation der meisten Iraner wird von Woche zu Woche schwieriger. Eine unzureichende Wirtschaftspolitik und die Korruption machen vielen Bürgern schon lange zu schaffen; die Sanktionen der USA verschärfen die Lage nun erheblich. Zudem wächst in der Bevölkerung die Angst vor einer militärischen Auseinandersetzung mit den USA. All das führt bisher aber nicht dazu, dass passiert, was man sich in Washington wünscht: dass die Iraner massenhaft gegen ihre Regierung aufbegehren und diese zu Fall bringen. Zwar gibt es immer wieder Demonstrationen - Arbeiter, Lehrer oder Frauen protestieren hier und da gegen ihre Lebensbedingungen. Die großen Protestkundgebungen, die das Regime ernsthaft unter Druck bringen könnten, bleiben bislang allerdings aus.

Dafür, dass sich das durch die Politik der USA in absehbarer Zeit ändert, sieht Azadeh Zamirirad keine Anzeichen. Die Iran-Expertin von der Stiftung Wissenschaft und Politik erinnert daran, dass es vor der Eskalation, die Washington in Gang gesetzt hat, in Iran eine recht breite öffentliche Diskussion darüber gab, wie stark vor allem die wirtschaftlichen Probleme hausgemacht seien. Nach dem Ausstieg Washingtons aus dem Atomabkommen und mit Blick auf die jüngsten Sanktionen der USA könne das Regime in Teheran viel leichter die Verantwortung für Missstände von sich weisen, mit dem Finger auf den amerikanischen Präsidenten zeigen. Große Teilen der Bevölkerung, sagt Zamirirad, seien sehr enttäuscht darüber, dass Iran bestraft werde, obwohl es sich nachweislich an das Atom-Abkommen gehalten habe, "und diese Enttäuschung führt eher dazu, dass die Reihen im Land sich schließen, auch wenn viele Menschen nach wie vor mit der eigenen Regierung und dem System sehr unzufrieden sind".

"Wer nichts als raus will, der arbeitet nicht an einem Umsturz."

Katajun Amirpur, Professorin für Islamwissenschaft mit Schwerpunkt Iran an der Universität Köln, verweist wie Zamirirad auch darauf, dass viele Bürger sich zwar ziemlich offen kritisch über das Regime äußerten; in große, regierungskritische Demonstrationen, wie sie das Land 2009 erschüttert hatten, mündete diese Unzufriedenheit allerdings nicht. Das, sagt Amirpur, habe zum einen mit der Angst vieler Menschen vor den Revolutionsgarden zu tun, die sehr schnell und brutal reagieren würden, wenn es zu großen Protesten käme. Zum anderen führe auch die Furcht vor einer militärischen Auseinandersetzung mit den USA dazu, dass die meisten Iraner ihre Sicherheit nicht zusätzlich aufs Spiel setzen wollten, indem sie gegen das Regime kämpften.

Die Iran-Kennerin Charlotte Wiedemann, Autorin des Buches "Der neue Iran", lenkt den Blick auch darauf, dass es derzeit keine nennenswerte Opposition in Iran gibt, die solche großen Proteste organisieren könnte. Überhaupt hätten die meisten der mit dem Regime hadernden Menschen keine Hoffnung, dass die Regierung in absehbarer Zeit ernsthaft wanke. Wer es sich leisten könne, versuche, Iran zu verlassen oder wenigstens seine Kinder in den Westen zu schicken. "Und wer nichts als raus will, der arbeitet nicht an einem Umsturz."

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