Film:Die Kinder der Utopie

"Die Kinder der Utopie"
(Foto: S.U.M.O. Film Hubertus Siegert)

Von Martina Knoben

Es gibt keine Diagnosen in diesem Film; die Menschen, die darin zu Wort kommen, sollen nicht anhand von körperlichen Besonderheiten sortiert und womöglich auseinanderdividiert werden. Das ist Inklusion. Bereits 2004 hatte Hubertus Siegert in "Klassenleben" eine der ersten Schulklassen porträtiert, in denen Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam lernten. Zwölf Jahre später trifft er in "Die Kinder der Utopie" einige dieser Schüler wieder. Jenseits von bildungspolitischen Grabenkämpfen - Inklusion ist in Deutschland ein Reizthema - sammelt der Film Indizien, wie das gemeinsame Lernen die jungen Menschen geprägt haben könnte. Schön, wie unbefangen und respektvoll die Schulfreunde auch heute noch miteinander umgehen, wie unaufgeregt selbstbewusst alle sind.

Siegert hat seinem Film eine Reigen-Dramaturgie gegeben: Ein Schulfreund trifft den nächsten, der wiederum einen dritten trifft, bis sich der Kreis schließt. So entstehen sechs Kurzporträts von sympathischen jungen Erwachsenen. Gleichmacherei wird dabei nicht betrieben. Wenn etwa die drei Frauen aus der Gruppe auf dem Weg zum Eiscafé nebeneinander hergehen, sind die Unterschiede - und die unterschiedlichen Lebensperspektiven - nicht zu übersehen. Aber das bedeutet keine Wertung.

Ein anderes Schulsystem - das zeigt der Film sehr schön - bildet andere Menschen heran, die anders miteinander umgehen und die Welt womöglich ein bisschen anders gestalten. Es ist eine Aufforderung zur Utopie: Was alles möglich wäre!

Siegert hat seinen Film ohne Filmförderung und Fernsehbeteiligung produziert. Damit er in der Fülle der wöchentlichen Neustarts (mehr als 15 kommende Woche!) nicht untergeht, hat er eine ungewöhnliche Vermarktungsstrategie gewählt: "Die Kinder der Utopie" läuft - abgesehen von Festivals wie dem Münchner Dokfest - nur an einem Tag, am 15. Mai, im Kino. Und nur in solchen Städten, in denen Menschen vorab ihr Interesse daran bekundet haben. Dafür wurde eine Software namens "Nation Builder" verwendet, die sonst bei politischen Kampagnen eingesetzt wird.

Vielleicht ist das die Zukunft für solche Produktionen: Zielgruppenkino wie von den Streamingdiensten. Aber auf der großen Leinwand und mit anschließender Diskussion.

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