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VfB Stuttgart - VfL Wolfsburg

Stuttgart mobilisiert alle Kräfte: Gonzalo Castro (von links), Nicolas Gonzalez und VfB-Maskottchen Fritzle demonstrieren Geschlossenheit.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Der vorletzte Spieltag der Fußball-Bundesliga ist tatsächlich einmal keiner dieser zuletzt so oft erlebten schwäbischen Chaos-Tage. Der VfB findet rechtzeitig vor der Relegation die Gier auf Erfolg wieder.

Von Anna Dreher, Stuttgart

Nico Willig hatte geklatscht, Anweisungen auf den Platz gerufen und zufrieden genickt. Und dreimal durfte er ausgelassen jubeln. Er umarmte, ballte die Faust, und jedes Mal sah er ein bisschen erleichterter aus am Samstag in diesem so wichtigen Spiel gegen den VfL Wolfsburg. Als der Interimstrainer des VfB Stuttgart später in der Pressekonferenz saß, wirkte er im Reinen mit sich und seiner Arbeit. Aber in die Zufriedenheits-Falle wollte der bodenständige Schwabe auf keinen Fall treten, seinem Gesichtsausdruck schickte er im Scheinwerferlicht mahnende Worte hinterher: "Wir wollen die Leistung von heute auch in den nächsten zwei Wochen hinbekommen", sagte der 38-Jährige. Dafür brauche es eine Mannschaft, "die diesen Hunger, diese Gier hat und auch diese Laufstärke wie heute."

Thomas Hitzlsperger bestätigt indirekt: Trainer Tim Walter von Holstein Kiel wird wohl kommen

Für Willig waren diese Komponenten entscheidend für den 3:0-Sieg gegen Wolfsburg, mit dem sich der VfB mit nur 27 Punkten - das hat seit der Einführung der Drei-Punkte-Regel nur der Hamburger SV vor fünf Jahren geschafft - die Relegation um den Verbleib in der ersten Liga sicherte. Am Praktischsten wäre es für den VfB, wenn er von diesem Spiel eine Kopie anfertigen könnte, die er dann über die Partien am 23. und 27. Mai gegen den Tabellendritten der zweiten Liga stülpen und dann auch bei den künftig folgenden Bundesligaspieltagen anwenden könnte. Woche für Woche so punkten, das ergäbe am Ende einer Saison ein schönes Gesamtkunstwerk, und Stuttgarts Fußballer wären wieder jenem Bild näher, das sie am liebsten von sich sehen und zeigen: das einer offensiv spielenden Erfolgsmannschaft, die nicht gegen den Abstieg oder um die Relegation kämpfen muss. Nur ist dieses Bild schon sehr vergilbt.

Der vorletzte Spieltag der Fußball-Bundesliga aber war keiner dieser zuletzt so oft erlebten schwäbischen Chaos-Tage. Es war ein Wir-wissen-worum-es-geht-und-treffen-auch-mal-das-Tor-Tag, an dessen Ende sich nicht nur der Sportvorstand Thomas Hitzlsperger fragte: Warum eigentlich nicht gleich so?

In der vierten Minute hatte Schiedsrichter Felix Brych dem VfB auch nach Rücksprache mit der Videozentrale in Köln zu Unrecht einen Elfmeter verweigert, aber statt zu hadern, stachelte diese Entscheidung die Stuttgarter Spieler an. Gonzalo Castro zog vor der Pause mit voller Wucht ab, zwei Mal abgefälscht prallte der Ball vom linken Innenpfosten zum 1:0 ins Tor (45.+1). Nach der Pause erhöhten Anastasios Donis (55.) und Daniel Didavi (83.). Dem VfB gab das nach einer ebenso turbulenten wie schlechten Saison mit zwei Trainerentlassungen und dem Rauswurf von Sportvorstand Michael Reschke neues Selbstvertrauen. Didavi war in der 53. Minute eingewechselt worden, er spielte Donis die entscheidende Vorlage zu, er traf selbst und setzte viele Akzente. Auch die unter Markus Weinzierl vernachlässigten Donis und Chadrac Akolo wirbelten Wolfsburg durcheinander, weil Willig ihnen die Chance gegeben hat. So einfach ist das manchmal.

Wenn das mit Willig so gut funktioniert, könnte die Zusammenarbeit doch fortgesetzt werden, oder? Das wurde auch Christian Gentner gefragt. "Ich kann nur sagen, dass die drei Wochen jetzt, die wir mit Nico arbeiten, ganz hervorragend sind. Es war ganz, ganz wichtig, dass der Impuls gesetzt wurde, das erhofft man sich bei einem Trainerwechsel immer", sagte Stuttgarts Kapitän. Es sei wichtig, auch nach der Saison eine gute Lösung für diese Baustelle zu finden. Dass der VfB sehr viel Energie bei der Besetzung dieses Postens lässt, ist inzwischen quasi Teil seiner Tradition. Der im April entlassene Weinzierl war der 15. Trainer in den vergangenen zehn Jahren. Willig aber soll sich nicht langfristig als Nummer 16 in diese Liste einreihen, sondern sich wieder um die U 19 kümmern. Stattdessen wird wohl Tim Walter von Holstein Kiel übernehmen. Zumindest bestätigte Hitzlsperger das indirekt - auch wenn weder er noch sonst ein Stuttgarter über die Zeit nach der Relegation sprechen wollte.

"Jetzt ist der falsche Moment, über Trainerkandidaten und deren Qualitäten zu sprechen", hatte der 37-Jährige vor dem Spiel gegen Wolfsburg gesagt: "Aber unterstellen wir Fabian Wohlgemuth mal, dass er nicht lügt, dann ist es auch okay." Zuvor hatte Kiels Sportgeschäftsführer Wohlgemuth bestätigt, dass ihm Walter seinen Wechselwunsch zum VfB mitgeteilt habe. Der 43-Jährige gilt als talentierter Trainer, der Wert auf offensiven, kreativen, ballbesitzorientierten Fußball legt. Und genau dafür will der VfB Stuttgart ja wieder stehen, um sich irgendwann endlich wieder konstant in anderen Tabellenregionen zu bewegen als zuletzt.

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