Freie Theaterszene:Visionen für Europa

Axel Tangerding und andere präsentieren ein neues Buch

Von Peter Kees, Moosach

Am 10. November vergangenen Jahres rief der österreichische Schriftsteller Robert Menasse unter Mitwirkung vieler Kulturschaffender die "Europäische Republik" aus - eine Antwort auf den Vormarsch des Nationalismus von Schweden bis Italien. Beteiligt an der "Intervention" war auch das Moosacher Meta Theater. Vorab hatte der künstlerische Leiter des Hauses, Axel Tangerding, ein internationales Netzwerktreffen der freien Theaterszene in München namens IETM (International network for contemporary performing arts) veranstaltet. In Konferenzen beschäftigte man sich dort mit der Frage, wie es mit und in Europa weitergehen könnte.

Zu dieser Zusammenkunft ist nun ein Buch herausgekommen, das am Samstag im Meta Theater vorgestellt wurde: "Res publica Europa - Networking the performing arts in a future Europa". Herausgeber sind Christopher Balme, der Direktor des Instituts für Theaterwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und Axel Tangerding. In der Publikation geht es um Visionen für die Zukunft Europas. Robert Menasse, Ulrike Guérot, die am Manifest zur Einheit Europas beteiligt war, Kathrin Röggla sowie einige ehemalige Masterstudenten der Theaterwissenschaft zählen zu den Verfassern. Den einstigen Studenten wurde dazu in einem Seminar der Unterschied zwischen rein wissenschaftlichen und publizistischen Texten vermittelt.

In Moosach begann der Abend mit zwei kurzen Filmen, die das IETM-Treffen Revue passieren ließen. Im Publikum saßen mehrere der studentischen Autoren sowie Mitwirkende des Netzwerktreffens. Auch Christopher Balme war anwesend. Alles sei sehr schnell gegangen, erzählte Tangerding, nur ein paar Monate habe man gebraucht, um dieses Buch herauszubringen. "Heute, pünktlich um 12 Uhr, kam das erste gedruckte Exemplar in Moosach an." Seit Montag ist das Werk, erschienen im Verlag "Theater der Zeit", im Handel.

Das Nachdenken über Europa beschäftigt die Theaterwelt, vor allem die Frage, wie es besser werden kann in einem von Euroskepsis geprägten Klima. Unmissverständlich: Die Theaterleute stehen gegen nationale Ansätze - sie arbeiten längst transnational. Das Buch, so Tangerding, sei nicht nur für ein Fachpublikum, sondern auch für Politiker gedacht, die von den Künsten lernen könnten. Im Zentrum der Reflexionen rund um die Rolle der darstellenden Kunst in Europa stehen Themen wie Postkolonialismus und Diversität. Die Runde auf dem Podium, neben Balme und Tangerding drei ehemalige Studentinnen, verdeutlichte ihre Visionen für die Zukunft. Dabei kam auch der zunehmende ökonomische Druck in der freien Theaterszene zur Sprache. "Eine Theatervorstellung auf dem IETM-Treffen (neben der Konferenz gab es dort auch Produktionen zu sehen), mussten wir kurzfristig absagen, weil ein Darsteller zusammengebrochen war," erzählte Tangerding. Aus dem Publikum erhielt er regen Zuspruch: die Überlastung der freien Szene sei enorm. Einerseits gelte es, Qualität zu liefern, andererseits würden die wirtschaftlichen Bedingungen immer schwieriger. Der Leistungsdruck sei riesig, obwohl die Entscheidung, in der freien Theaterszene zu arbeiten, vollkommen freiwillig ist: Man müsse produzieren und produzieren.

Deutlich wurde an diesem Abend auch, dass zwischen Netzwerken und hierarchischen Strukturen, wie sie etwa an Stadt- oder Staatstheatern existieren, ein großer Unterschied besteht. "Hierarchische Strukturen hinterlassen zwar mehr Spuren als Netzwerke, Netzwerke aber sind flexibler und damit schlechter zu kontrollieren." Subversive Gefüge böten eben mehr Freiheit und Kreativität und brächten damit auch leichter neue Impulse. Der Abend endete wie er begonnen hatte, mit einem Video. Diesmal Bilder zu einem "Artistik Walk", der während des IETM-Treffens im Münchner Stadtraum inszeniert worden war.

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