Panscherei in Apulien:Teuflisch gute Olivenöl-Fälscher

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Sieben Euro pro Liter: So viel kostet allein die Herstellung von kaltgepresstem Olivenöl, wenn alle Vorschriften befolgt werden. (Foto: imago stock&people)

In Apulien ist eine Bande aufgeflogen, die im ganz großen Stil billiges Öl aus Sojabohnen und Sonnenblumenkernen als kaltgepresstes Olivenöl ausgab. Erstaunlich, wie rudimentär ihre Masche war.

Von Oliver Meiler, Rom

Alles war erfunden, sogar die Ölpressen. Im süditalienischen Apulien ist eine Bande aufgeflogen, die über Jahre im ganz großen Stil billiges Öl aus Sojabohnen und Sonnenblumenkernen als kaltgepresstes Olivenöl ausgab und in den Rest des Landes und nach Deutschland verkaufte - als Extra Vergine also, die gefeierte Grundingredienz der mediterranen Küche.

Vier Jahre lang haben die Carabinieri ermittelt, 250 Polizisten waren dafür im Einsatz. Die europäischen Agenturen Eurojust und Europol halfen dabei. Die Operation "Oro giallo", gelbes Gold, ist zwar nicht die erste ihrer Art, doch sie gehört zu den größten der letzten Jahre. 24 Verdächtige wurden verhaftet. Vorgeworfen wird ihnen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, illegaler Handel und Fälschung von Lebensmitteln.

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Gesund, ländlich, traditionell - kaum ein Lebensmittel hat einen so guten Ruf wie Olivenöl. Doch seine Herstellung ist ein hart umkämpftes, mitunter kriminelles Geschäft, bei dem auch die Kunden betrogen werden. Was Sie über das Öl wissen sollten - und warum Sie es am besten erst in sechs Wochen kaufen.

Von Berit Uhlmann

Ihre Masche war recht simpel, umso erstaunlicher ist es, dass die Fahnder so lange brauchten. Das Kernöl kauften die Panscher in großen Betrieben in Norditalien, mehr als eine Million Liter jedes Jahr. Mit großbauchigen Lastern transportierten sie es nach Cerignola, San Severo und Lavello im Foggiano, der Produktionszentrale. Aus Apulien, muss man dazu wissen, kommt eines der besten, traditionsreichsten Olivenöle Italiens. Beim Sonnenblumenöl stimmte schon mal die Farbe nicht, mit Chlorophyll wurde es mattgrün. Die herbe, bittere Note erreichten sie mit künstlichen Geschmacksstoffen. Und wahrscheinlich mischten sie auch noch etwas bei, damit das Öl zäher fließt, wie das echte eben.

Beträchtliche Gewinnmarge

Auf die Etiketten druckten die Panscher Namen von Firmen, die es gar nicht gab. Die Unterstände mit den Ölmühlen? In Wahrheit schmuddelige Lagerhallen. "Frantoi fantasma" nennen sie italienische Medien, Phantompressen. Bekannte Restaurants überall im Land wurden mit dem Öl beliefert, meist direkt, von Haustür zu Haustür. Die Nachfrage war groß, die Bande bot das vermeintlich tolle Olivenöl ja für unschlagbar tiefe Preise an, fünf bis zehn Euro pro Liter. Da war die Gewinnmarge beträchtlich: In der Herstellung kostete das aufgegrünte Zeug 1,20 Euro. Alle paar Wochen gingen 23 000 Liter davon nach Deutschland, wo die Panscher ein fein eingespieltes Verteilnetz aufgebaut hatten, mit italienischem Personal. Die Leute im Ort sorgten auch dafür, dass die Fernfahrer nach langer Reise für die Nacht unterkamen. Zwei von ihnen wurden nun verhaftet. Sechs große Lastwagen waren im Einsatz zwischen Cerignola und Stuttgart, das war die Hauptachse ihres Handels. Distanz: 1300 Kilometer. Restaurants und Geschäfte in Stuttgart, Berlin und Frankfurt wurden mit dem Öl versorgt. Die Polizei hat jetzt auch die sechs Laster beschlagnahmt.

Der Landwirtschaftsverband Coldiretti warnt davor, dass gerade in diesem Jahr das Betrugsrisiko in Apulien besonders hoch sei. Eine Frostphase im vergangenen Frühjahr hat offenbar 60 Prozent der Ernte zerstört. Die Region kämpft zudem seit Jahren gegen Xylella, die Bakterie, die Olivenbäume hinwegrafft. Ein Drama sondergleichen. Da ist die Gefahr groß, dass sich unlautere Produzenten zum Beispiel mit Ware aus Tunesien und Spanien behelfen und das Öl dann doch so anpreisen, als wäre es aus "100 Prozent italienischen Oliven" gewonnen worden. Extra Vergine.

Natürlich kann man sich darüber wundern, dass sich selbst Profis von gefälschtem Öl täuschen lassen. Doch die Fälscher sind nun mal teuflisch gut. Oft gelingt es nur mit Tests im Labor, den Betrug zu entlarven. Für den Kunden im Einzelhandel gibt es eine einfache Faustregel: Will er sich einen Liter rundum italienisches, kalt gepresstes Olivenöl kaufen, muss er dafür mindestens sieben oder acht Euro bezahlen. Steht ein tieferer Preis auf dem Schild, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es kein kaltgepresstes italienisches Olivenöl ist. Sieben Euro pro Liter - so viel kostet allein die Herstellung, wenn alle Vorschriften befolgt werden.

© SZ vom 16.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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