Spannung im Nahen Osten:Wie gefährlich ist Iran wirklich?

Spannung im Nahen Osten: Der Flugzeugträger USS Abraham Lincoln 2019 im Arabischen Golf.

Der Flugzeugträger USS Abraham Lincoln 2019 im Arabischen Golf.

(Foto: AFP)

Unbestritten spielt Teheran eine destabilisierende Rolle in der Region. Möglich ist aber auch, dass die US-Regierung die Bedrohung durch das Land gezielt aufbauscht.

Von Paul-Anton Krüger

Das Briefing war lange angesetzt. Per Video-Schalte aus Bagdad sollte der Vizekommandeur der Operation Inherent Resolve, der Brite Chris Ghika, die im Pentagon akkreditierten Journalisten informieren über den Kampf der US-geführten Militärkoalition gegen die Terrormiliz IS im Irak und in Syrien. Aber wegen der Spannungen zwischen den USA und Iran wurde er natürlich nach der Bedrohung durch schiitische Milizen gefragt. Ihretwegen hat das US-Militär immerhin einen Flugzeugträger, eine Bomberstaffel und eine Batterie Patriot-Luftabwehrsysteme in die Region verlegt. Der britische Generalmajor Ghika antwortete: "Nein, es gibt keine gesteigerte Bedrohung durch von Iran unterstützte Kräfte im Irak und in Syrien."

Es folgten ungläubige Nachfragen und ein halbes Dutzend Mal dieselbe Antwort. Ja, es gebe eine Bedrohung durch schiitische Milizen, diese werde beobachtet, der Eigenschutz der Truppen entsprechend angepasst. Aber es gebe keine gestiegene Bedrohung, und da sei er mit den Amerikanern ganz und gar auf derselben Seite. Was die offenbar deutlich anders sehen.

Denn der Sprecher des Central Command, des für die Region zuständigen Regionalkommandos der US-Streitkräfte, veröffentlichte eine ebenso knappe wie scharfe Erklärung. Die Einlassungen Ghikas "widersprechen identifizierten glaubwürdigen Bedrohungen, die den US-Geheimdiensten und Verbündeten bezüglich iranischer Kräfte in der Region vorliegen". Deswegen sei die Alarmstufe der Truppen auf "hoch" heraufgesetzt worden. Am Mittwoch dann ordnete US-Außenminister Mike Pompeo an, nicht zwingend erforderliches diplomatisches Personal aus der Botschaft in Bagdad und dem Konsulat in Erbil abzuziehen, und zwar so schnell wie möglich.

Das wirft die Frage auf, ob die Iran-Falken in Washington eine Bedrohung aufbauschen, um eine harte Linie bis zu möglichen Militärschlägen durchzusetzen, etwa Trumps Sicherheitsberater John Bolton oder Außenminister Mike Pompeo . Seine Haltung zur Islamischen Republik hatte Bolton vor seiner Rückkehr in die US-Regierung im April 2018 unmissverständlich deutlich gemacht: Man müsse Iran bombardieren, um das Atomprogramm zu stoppen, schrieb er in der New York Times. Und als bezahlter Redner der Volksmudschahedin, einer fragwürdigen Gruppe der iranischen Exil-Opposition, rief er zum Regimewechsel in Teheran auf.

Die Amerikaner haben bisher wenig von dem öffentlich gemacht, worauf sie ihre Warnungen stützen. Auslöser sei die Entdeckung gewesen, dass Iran Behältnisse mit ballistischen Raketen an Bord mindestens einer Dhau gebracht habe, wie einfache hölzerne Segelschiffe genannt werden, die im Golf üblich sind. Es gibt im Irak mehrere schiitische Milizen, die de facto von den iranischen Revolutionsgarden kontrolliert werden. Auch lasten die USA nach einer vorläufigen Einschätzung Iran die Angriffe auf vier Öltanker vor dem emiratischen Ölhafen Fudschaira an. Zudem reklamiert die von Iran unterstützte Huthi-Miliz in Jemen die Drohnen-Attacke auf eine Pipeline in Saudi-Arabien für sich.

Die US-Vorwürfe haben Plausibilität, mehr nicht

Unbestritten ist auch unter europäischen Diplomaten, dass Iran eine destabilisierende Rolle in der Region spielt. In Syrien, in Libanon, mit der Unterstützung der Hisbollah und militanter Palästinenser-Gruppen, die Israel bedrohen, im Irak, in Jemen, mit seinem Raketenprogramm. Vor diesem Hintergrund sind die Vorwürfe der Amerikaner nicht ohne Plausibilität - aber auch nicht mehr. Die Huthis schießen seit Jahren Raketen auf zivile Ziele in Saudi-Arabien. Allerdings widersprechen unabhängige Experten ebenso wie europäische Diplomaten und Geheimdienstler der in Riad und Washington gängigen Darstellung, die Huthis würden von Iran kontrolliert und gesteuert, so wie die Hisbollah.

Fast zeitgleiche Sabotage-Attacken auf vier Tanker in den gut gesicherten Gewässern vor Fudschaira bedürfen militärischer Planung und würden in den Modus Operandi von Spezialeinheiten der Revolutionsgarden passen. Haftminen, die einen Abschreckungseffekt erzielen sollen, ohne Iran direkt zu inkriminieren.

Sie könnten aber auch, wie Irans Außenminister Mohammad Jawad Zarif sagt, ein Versuch sein, einen Konflikt zu provozieren. Er habe "diese Art von Aktivitäten vorhergesagt, die darauf abzielen, Spannung in der Region eskalieren zu lassen", und das "Team B" unter Verdacht gestellt: Israels Premier Benjamin Netanjahu, Saudi-Arabiens Kronprinzen Mohammed bin Salman und US-Sicherheitsberater Bolton.

Bis zu 120000 US-Soldaten könnten in die Region verlegt werden

Dieser hat sich laut US-Medien vom Pentagon vergangene Woche aktualisierte Planungen für Militärschläge vorlegen lassen. Sollte Iran US-Truppen in der Region attackieren oder sein Atomprogramm wieder derart starten, dass sich die Zeit bis zum möglichen Bau einer Bombe auf deutlich unter ein Jahr verkürzt, könnten bis zu 120 000 US-Soldaten in die Region verlegt werden. Noch ist die US-Truppenpräsenz dort auf einem Niveau, das nicht über dem der vergangenen Jahre liegt. Auch damit aber könnten die USA begrenzte Angriffe auf Ziele in Iran ausführen, etwa mit seegestützten Marschflugkörpern.

Irans Oberster Führer Ali Khamenei hat im Staatsfernsehen beschwichtigt, es werde keinen Krieg mit den Amerikanern geben, weil diese wüssten, dass dies nicht in ihrem Interesse wäre. Iran aber werde den "Weg des Widerstands" gegen die USA fortsetzen. Er scheint in der Drohkulisse aus Washington einen Nervenkrieg zu sehen, und nicht einen, der mit Waffen ausgefochten wird.

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