Deutsche Wirtschaft:Eintritt in ein dunkles Zeitalter?

Deutsche Wirtschaft: Deutsche Bank, Volkswagen, Thyssenkrupp, Daimler, Bayer, BMW: Die Schlachtschiffe der deutschen Wirtschaft haben Probleme.

Deutsche Bank, Volkswagen, Thyssenkrupp, Daimler, Bayer, BMW: Die Schlachtschiffe der deutschen Wirtschaft haben Probleme.

(Foto: dpa/Reuters/AFP)

Die Situation wäre gar nicht so schlecht, hätten viele große deutsche Konzerne nicht mit hausgemachten Problemen zu kämpfen: Missmanagement, Betrug, Größenwahn.

Von Marc Beise

Jetzt ist es BMW, wo sich die Aktionäre zur Hauptversammmlung getroffen haben. Zuvor waren es Daimler, VW, Thyssenkrupp, Bayer, die Deutsche Bank - Tag für Tag schlagen sich Unternehmen mit schlechten Nachrichten herum, und auch im Mittelstand trüben sich Geschäftserwartungen ein. Weniger Aufträge, weniger Umsatz, weniger Gewinn - und auch die Konjunktur insgesamt schwächelt. Für dieses Jahr wird nur ein knappes Wachstum erwartet. Das wäre zwar kein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung, wie vielfach befürchtet, aber für die hochgezüchtete deutsche Wirtschaft trotzdem zu wenig, um alle Jobs zu erhalten.

Entsprechend lauter werden die Alarmrufe. Der Spiegel titelt: "Auslaufmodell Deutschland", der britische Economist verkündet das Ende eines "goldenen Zeitalters", und selbst die amerikanische Businessweek hat den hiesigen Verhältnissen eine sehr besorgte Aufmachergeschichte gewidmet. Tritt Deutschland jetzt in ein dunkles Zeitalter ein? Die gute Nachricht lautet: Das muss nicht so kommen. Die schlechte: Es kann aber durchaus sein.

Zunächst: Die aktuellen Unternehmenszahlen hängen meist am einzelnen Fall. Der Ruhrgebietskonzern Thyssenkrupp wollte seine krisenanfällige Stahlsparte auslagern, was die Kartellwächter unterbunden haben und was nun neue Probleme schafft. Der Chemiekonzern Bayer hat sich mit dem Kauf des übel beleumundeten US-Saatgutherstellers Monsanto in eine schier aussichtslose Lage manövriert, wie bekanntlich ebenso der VW-Konzern mit seinen Diesel-Betrügereien. Auch andere Unternehmen haben mit drohenden Schadenersatz- oder Kartellzahlungen in Milliardenhöhe zu rechnen, so erklären sich teilweise die derzeit schlechten Zahlen von BMW: Das Management muss viel Geld zurückstellen; wie viel davon am Ende wirklich gezahlt werden muss, wird man sehen.

Das gilt erst recht für die astronomisch hohen Schadenersatzforderungen gegen Bayer in den USA, die in der nächsten Instanz mit ziemlicher Sicherheit nach unten korrigiert werden. Äußerst schmerzhaft für Finanzen und Renommee des Konzerns wird das Ganze dennoch, zumal ein Ende dieser Prozesslawine ja nicht abzusehen ist. Auch die Deutsche Bank schlägt sich weiter mit ihrem juristisch und moralisch fragwürdigen Geschäftsgebaren früherer Dekaden herum.

Viele Probleme der Konzerne sind hausgemacht: Betrug, Missmanagement, Größenwahn

Das alles sind extrem ärgerliche Situationen mit bösen Folgen für das einzelne Unternehmen, seine Mitarbeiter und Aktionäre; für Deutschland insgesamt zählt viel mehr, wohin die großen Trends zeigen. Die Weltkonjunktur, so viel kann man sagen, steht an einem Wendepunkt. Nach einer längeren "Seitwärtsbewegung", wie die Experten es nennen, ist eine klare Reaktion wahrscheinlich - fragt sich nur, ob nach oben oder nach unten. Das hängt maßgeblich davon ab, wie der Zollstreit mit China eskaliert, wie sich die USA gegenüber den deutschen Autobauern positionieren und wie das Ringen um den Brexit ausgeht - von der drohenden Gefahr eines Krieges im Nahen Osten ganz zu schweigen.

Grundsätzlicher ist die jetzt rasch fortschreitende Digitalisierung der gesamten Wirtschaft. Sie schüttelt alle Geschäfte durch, wie man bestens am Beispiel der Autoindustrie erkennen kann. Die alte deutsche Autobauerherrlichkeit schwindet, nun geht es um alternative Antriebe, E-Autos, autonomes Fahren und mobile Dienstleistungen. Diese Trends sind von den hochbezahlten Spezialisten in Deutschland sträflich spät erkannt worden - jetzt aber dreht sich der Wind.

Für einen Abgesang ist es glücklicherweise noch zu früh

Deutschlands Ausgangslage in dieser epochalen Veränderung wäre gar nicht so schlecht, hätten die großen Konzerne, die an der Spitze der Entwicklung stehen, nicht mit hausgemachten Problemen zu kämpfen: Missmanagement, Korruption, Betrug, Größenwahn.

Immerhin aber ist eine interne Krise, das zeigt die Erfahrung, häufig auch ein Prozess der Läuterung. Bei VW etwa sind mit dem Dieselskandal verkrustete Führungsstrukturen gefallen; neue Chefs gehen mit anderem Blick und anderem Elan ans Werk. Auch bei BMW hat man den Warnschuss verstanden, ebenso bei Siemens, wo Konzernchef Joe Kaeser das Dickschiff mit brachialer Gewalt zu einem Digitalkonzern umbauen will. Auch bei Bayer darf man erwarten, dass die alte Führung, die den Konzern ins Monsanto-Abenteuer geführt hat, bald gehen muss und Platz macht für einen Neuanfang. Kurzum: Die Katastrophenberichte über Deutschland lesen sich flott und schlüssig, aber glücklicherweise ist es für einen Abgesang noch zu früh.

Und wie der Zufall so spielt, sind die neuesten Zahlen zur deutschen Konjunktur gar nicht mal so schlecht. Wo kürzlich noch vor einer Rezession gewarnt wurde, also einem kontinuierlichen Schrumpfen der Wirtschaftsleistung, zeigen die Daten, dass es im ersten Quartal wieder sanft nach oben ging, um allerdings spärliche 0,4 Prozent. Für den Moment ist Optimismus möglich, das immerhin.

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