Landtag:Mehr Ausgaben als Einnahmen

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Digitalministerin Judith Gerlach (links) muss mit dem geringsten Budget auskommen. Staatskanzleiminister Florian Herrmann kriegt etwas mehr. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Trotz unerwartet hoher Überschüsse ist der Haushalt in eine Schieflage geraten. Beschlossen wird er freilich trotzdem

Von Wolfgang Wittl, München

"Gemeinsam unterwegs sein", "Freunde finden", "Erfahrungen machen" - solche Appelle wie am Donnerstag vernimmt man selten im Landtag. Allerdings sind sie nicht im Plenum zu hören, sondern nebenan im Senatssaal. Bayerns Pfadfinderverbände präsentieren sich im Maximilianeum. Und siehe da, die meisten Abgeordneten sind zur selben Zeit wirklich gemeinsam unterwegs, wenn auch auf den verschlungenen Pfaden des Doppelhaushalts. Erfahrungen machen sie alle, Freunde finden dabei eher selten. Zumindest außerhalb der eigenen Fraktion.

Immer noch hallen die Sätze von Ministerpräsident Markus Söder nach. Er hatte den Landtag tags zuvor mit der Nachricht überrascht, dass die Rücklagen auf 6,5 Milliarden Euro wachsen. 4,2 Milliarden Euro betrugen die Überschüsse 2018, mehr als in all den Jahren vorher. Die Regierung begründet die hohe Summe mit einer defensiven Haushaltskalkulation. Hinzu kommt ein einmaliger Sondereffekt: Die 800 Millionen Euro Strafzahlung des Autobauers Audi nach Manipulationen im Abgasskandal wanderten bereits in die Staatskasse.

Die Opposition zeigt sich auch am Donnerstag noch erzürnt über Söders Manöver. FDP-Mann Helmut Kaltenhauser etwa wirft Söder Missachtung des Parlaments vor. Die Abgeordneten wären gerne früher informiert worden, nicht erst in der laufenden Debatte. Das Plündern der Rücklagen war als zentraler Kritikpunkt eingeplant, manche Rede musste kurzfristig umgeschrieben werden. Was nun mit dem Geld geschieht? Nicht viel. Den Regierungsfraktionen von CSU und Freien Wählern wurde intern bereits bedeutet, alle Begehrlichkeiten für zusätzliche Wünsche ruhen zu lassen. Auch die Anstrengungen bei der Schuldentilgung werden wohl nicht intensiviert. Eine Milliarde Euro wird in den nächsten zwei Jahren zurückbezahlt, dabei dürfte es bleiben. Da der Haushalt in eine strukturelle Schieflage geraten ist - die Ausgaben übersteigen die Einnahmen bei weitem -, werden für die kommenden Jahre erhebliche Reserven benötigt.

Der Konstrukteur des Zahlenwerks, Finanzminister Albert Füracker, kommt erstmals am Abschlusstag zu Wort. Er sagt: "Mir ist es wichtig, dass alles, was wir tun, hochseriös ist, nachvollziehbar und den Dingen entspricht." Der Haushalt enthalte nicht nur Rekordausgaben, sondern auch Rekordinvestitionen. "Hören Sie auf, das Land schlechtzureden", ruft er der Opposition zu. Kein anderes Land in Europa verfüge über ähnlich stabile Finanzen. "Überall dort, wo wir Defizite verspüren, sind wir längst auf dem Weg. Wir verbessern uns jeden Tag." Die CSU feiert ihren Finanzminister mit langem rhythmischen Applaus.

Drei Tage diskutierte das Plenum über den Haushalt, in dem stets die Politik der nächsten Jahre festgezurrt wird. 16 Einzelpläne, 249 Kapitel und 16 500 Einzeltitel wurden beraten, teilweise bis spät in die Nacht. Er habe die Debatte als jederzeit spannend und manchmal erwartbar empfunden, sagt Füracker. Mitunter war sie einfach witzig. Als Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sich zum Beispiel engagiert gegen die Vorwürfe verteidigt, an Bayerns Schulen herrsche nur "Chaos", sagt Thomas Gehring von den Grünen: "Sie reden, als ob Sie 20 Jahre Kultusminister wären. Aber von der CSU." Er verstehe Gehrings Beitrag nicht als Beleidigung, entgegnet Piazolo: "Bayern würde nicht dort stehen, wo es heute steht, wenn nicht auch die CSU das eine oder andere richtig gemacht hätte." Jubel bei der CSU, Stirnrunzeln beim Redner. "Ich weiß nicht, wann mich dieser Satz noch einholt in meinem Leben", sagt Piazolo. Nun, wenig später werden ihm die ersten CSU-Leute einen Aufnahmeantrag anbieten. Der abtrünnige AfD-Abgeordnete Markus Plenk bekommt zwar noch keine Schulterklopfer, er empfiehlt sich aber auch für seine erhoffte Zukunft bei der CSU. Fleißig stimmt er allen Anträgen der Regierungsfraktionen zu.

Historisch gerät der Abschluss der Beratungen. Zum ersten Mal in einem deutschen Länderparlament wird über den Haushalt eines Digitalministeriums diskutiert. Die Kritik lässt sich in dem Satz zusammenfassen: kaum Befugnisse, wenig Geld, keine Kompetenzen. Die Opposition könne sich auch nicht entscheiden, kontert Digitalministerin Judith Gerlach. Einmal werfe sie der Regierung zu hohe Ausgaben vor, dann wieder zu geringe. 165 Millionen Euro beträgt Gerlachs Budget, es ist das niedrigste aller Ressorts.

Was die Zahlen für die Bürger bedeuten, hat CSU-Mann Ernst Weidenbusch zum Auftakt vorgerechnet. 65 Milliarden Euro kostet der Haushalt in diesem Jahr, für jeden Bürger 5000 Euro. Am meisten Geld fließt in die Bildung (1000 Euro für Kultus und Schulen, 500 für Wissenschaft). Für soziale Aufgaben gibt jeder Bayer umgerechnet 470 Euro aus. Es folgen das Innenministerium (461), Bau, Wohnen, Verkehr (300), Finanzen (213), Justiz (191), Landwirtschaft (117), Wirtschaft (88), Umwelt (72), Gesundheit (55), die Staatskanzlei (9,12) und am Ende Gerlachs Digitalministerium (6,07 Euro). Der nächstes Jahr wegfallende Länderfinanzausgleich kostet pro Bayer 550 Euro, vergleichsweise günstig sind die Abgeordneten. "Lieb und teuer sind wir den bayerischen Bürgern sicher alle", sagt Weidenbusch. "Aber kosten tun wir nur elf Cent, die meisten sogar nur sechs Cent" - je nach Zusatzfunktion.

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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