Biosprit:Falsches Gemisch

Erst herangezüchtet, dann fallengelassen: Biosprit war einmal das Lieblingsthema der Politik. Nun steht eine ganze Branche vor dem Aus.

Michael Bauchmüller

Und sie bewegen sich doch, rein biologisch. Am Dienstag ist es ein Mercedes-Laster der Post am Potsdamer Platz in Berlin; er wird angetrieben vom neuesten Agrarsprit. Bis zu 80 Prozent weniger Kohlendioxid stößt der Lkw aus, verglichen mit herkömmlichem Kraftstoff. "Es gibt mehr als genug Motivation, sich mit biogenen Kraftstoffen zu beschäftigen", sagt Roland Dold, Entwickler bei der Truck-Sparte von Daimler, "schon des Klimas wegen."

Biodiesel, AP

Bund und Länder ringen um die Zukunft des Biosprits. Viele Hersteller bangen um ihre Existenz.

(Foto: Foto: AP)

Das Gleiche allerdings gilt auch für die Bundesregierung, die sich mit den Treibstoffen nun schon seit Jahren beschäftigt. Selten geriet eine Technologie, geriet ein Hoffnungsträger derart unter die Räder der Politik. Und es ist noch nicht zu Ende. Rot-Grün war der Biosprit so wichtig, dass die Koalition ihn gleich mal von der Steuer befreite - und damit einen ungeahnten Boom auslöste.

Wie Pilze schossen Rapsmühlen und Biosprit-Importeure aus dem Boden, was wiederum der Nachfolge-Regierung bald unheimlich wurde. Sie begrenzte, entgegen der ursprünglichen Absprachen, den Steuerbonus. Gleichwohl setzten sie weiter auf den Sprit aus erneuerbaren Quellen.

Branche auf den Barrikaden

Nur sollten nun Quoten dafür sorgen, dass der deutsche Sprit weniger klimaschädlich ist. Bis zu 17 Prozent Anteil prognostizierte die Bundesregierung in ihrem Meseberger Klimaprogramm für das Jahr 2020. Das war Ende 2007.

Eine Nahrungsmittelkrise und eine Debatte um die Nachhaltigkeit der Biorohstoffe später sieht die Welt anders aus. An diesem Mittwoch tritt der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zusammen. Er soll die Vorbehalte der Länder gegen ein neues, schärferes "Biokraftstoffquoten-Gesetz" ausräumen. Und die Branche ist, wie so oft in den vergangenen Jahren, auf den Barrikaden. Denn der Anteil des Agrarsprits soll auf 5,25 Prozent begrenzt werden -gegenüber 7,6 Prozent, die noch 2007 in Benzin und Diesel enthalten waren.

So will es der Bund. Viele Hersteller bangen um ihre Existenz. "Diverse Firmen sind schon insolvent", sagt Johannes Lackmann, Chef des Branchenverbandes VDB. "Weitere werden folgen." Die vielen Anlagen, die seit 2003 entstanden, sind nach Auffassung der VDB-Leute schon jetzt nur zu zwei Drittel ausgelastet. Kommt die Gesetzesnovelle, sind sie es nur noch zur Hälfte. "Dann werden 600.000 Tonnen weniger benötigt", sagt Lackmann, "ersetzt durch konventionellen Treibstoff unbekannter Herkunft."

Machtvolle Konkurrenz

Erst von der Politik herangezüchtet, dann fallengelassen: Eine ganze Branche steht vor dem Aus. Und die Konkurrenz ist machtvoll. Es ist der andere Biosprit, der synthetische. Die neue Diesel-Sorte etwa treibt den Mercedes-Laster der Post an, einen von 14 Lastwagen und Bussen, mit denen Daimler nun drei Jahre lang den neuen Kraftstoff testen will. Industriell gewonnen aus Palmöl und Biomasse, ist er dem fossilen Diesel verblüffend ähnlich.

Damit lässt er sich normalen Fahrzeugen problemlos in größeren Mengen verabreichen. Anders der bisherige Biodiesel: Er greift Dichtungen im Motor an und ist nur für umgerüstete Fahrzeuge bekömmlich - oder eben als Beimengung. Nur 200 deutsche Tankstellen verkaufen noch diesen reinen Biodiesel - gegenüber 1900 zu Zeiten der Steuerbefreiung. So sieht ein Absturz aus.

Vor allem aber ist der Synthetik-Sprit den Mineralölkonzernen sympathisch. War der bisherige noch vor allem in der Hand von Mittelständlern, lässt sich der synthetische Kraftstoff nur industriell herstellen - von der Mineralölindustrie. Die wettert schon jetzt nach Kräften gegen jede Erhöhung der Beimischung. Einstweilen fordern Autohersteller und Industrie nun eine "stringente und stabile Regulierung" für ihren neuesten Biosprit. Also das, was man der Vorgänger-Branche auch schon mal zugesagt hatte.

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