Portrait:Das Selbst in die Hand nehmen

Kunstfigur oder Alter Ego? Egal: Angela Aux stellt das neue Album "In Love With The Demons" vor

Von Christian Jooß-Bernau

Vielleicht ist auch alles ganz anders. Wer ist Angela Aux, die mit langen blonden Haaren, Bart und sanften Songs am Rande des Nervenzusammenbruchs die Münchner Szene mit einer Eigenwilligkeit bezirzt, der man sich schwer entziehen kann? Auf dem Cover von "In Love With The Demons", einem Bild von Charlie Immer, sieht man ein gestreiftes Kegelwesen, das einem tropfenden, rosa Totenkopf gerade einen Augapfel aus der Höhle pflückt, dass sich die Sehnerven dehnen. Pflanzenzart wächst aus den ersten Tönen, die eiern wie ein Mellotron, der Rhythmus der akustischen Gitarre. Das "Killer Kid" beginnt zu singen, angefressen von allem, angefressen von Zweifeln. Angela Aux ist entspannt wie ein aufgeklapptes Taschenmesser. Florian Kreier steht zum Interview verabredet in der Wörthstraße. Wäre man nicht vor ihm da gewesen, er hätte sich noch kurz umgezogen, sagt er. Die Perücke aufgesetzt. Dann wäre er Angela Aux gewesen. Er bedauert das - ein bisschen. Und dann auch wieder nicht.

Florian Kreier ist und war so dies und das. Rapper, beispielsweise, bei L'egojazz, einer Gruppe die zeigte, dass aus dem Chiemgau neben LaBrassBanda auch cooler Hip-Hop kommt. Heiner Hendrix war er auch schon, ein Lyriker und Autor, der 2018 als Stand-up-Dichter auf dem Augsburger Friedensfest vor sich hin textete und dabei erstaunlich ähnlich wie Angela Aux aussah. Zwischenrein arbeitete er als Redakteur beim BR-Jugendsender Puls, gab das Foto-Design-Kunst-Literatur-Magazin Der Greif heraus und veranstaltete das Panama-Plus-Festival. Und dann ist da noch Aloa Input, seine Band, die noch existiert und so "vor sich hin glüht", wie er sagt. So eine Band, "das ist wie bei einem Haus. Man kann nicht links unten anfangen und dann bis zum Giebel weiterarbeiten." Kreier hat immer ein paar Eisen im Feuer, an denen er weiterschmieden kann. Mit so etwas wie einem Management, sagt er, verscherze er es sich gerne: "Ich hab immer Angst, dass mich irgendwas einschließt."

Angela Aux

Blonde Perücke, Leggins: Die Wandlung von Florian Kreier zu Angela Aux ist nicht aufwendig, aber effektiv.

(Foto: Sophie Wanninger)

Das Ding mit Angela Aux ragt aus dem Wust von Ideen und Projekten heraus. Vielleicht weil Kreier so Mühe hat, zu beschreiben, was es ist. Vielleicht, weil Angela Aux ihn fragen will, wer er eigentlich ist. Er, der Chiemgauer, der in München Politik und Philosophie studiert hat und seine Abschlussarbeit über Ton Steine Scherben schrieb. Der mit Sicherheit über alles zwischen Gender, Pop und Camp schon zweimal nachgedacht hat. Es passierte, als er die Fotos für sein letztes bei Millaphon Records erschienenes Album "Wrap Your Troubles In Dreams" machte. Fotografin Sophie Wanninger hatte die Inspiration, ihrem unlustigen Kunden eine blonde Perücke zu geben. Kreier blickte in den Spiegel und sah sich selbst als 17-, 18-Jährigen: "Ich war plötzlich in der Lage, einen Faden aufzugreifen, den ich irgendwann verloren hatte." Zur Perücke kamen Leggins. Und Kreier merkte, dass hier etwas geschah.

In "I Wanna Be A Woman" pfeift sich Angela eins. Fast überbordend ist diese Fröhlichkeit, mit der sie durch ihr Lied spaziert: "liquid and taff and green" und "rigid and ruff and cool". "Uhh... shalala", singt der Background wie einst die Fab Four. "Ich bin ein ganz schlechter Schauspieler", sagt Kreier. "Ich kann mich wenn, dann nur selbst spielen, glaub ich." Nach einer kleinen Runde Nachdenkens fällt ihm aber ein, dass dies eigentlich auf viele Schauspieler zutrifft, die er sehr gerne mag.

Kreier ist Profi im Verkörpern von Stimmungen. Was sich als Text manchmal sperrig liest, geht in seiner Musik auf wie Sahnewölkchen im Tee. Angela Aux hat Pop-Appeal. Und der lässt das Abgründige leicht scheinen. Wie anziehend das wirkt, merkt man, blickt man auf die Mitmusiker. Fest in der Band ist Maria Moling, einst bei Ganes, heute eine Hälfte von Me&Marie, am Schlagzeug. Saxofonist ist Peter Pazmandi, Henny Hertz spielt Bass. Aufgenommen haben sie bei Nico Sierig, der selbst bei Joahsino und Instrument spielt und für Angelas Album neben seinem Job als Produzent noch Schlagzeug, Synthies und Piano lieferte.

Für Kreier selbst ist das technische Gefummel nichts, ihm geht es um die Erzählung. Um Stimmungen. Den "Killer Kid" hat er geschrieben, nachdem er zwei Nächte nicht geschlafen hatte, ein Konzert mit Joahsino abgesagt hatte und morgens um fünf in randständiger Verfassung unter seinem Schreibtisch saß. Es ist nur so ein Gefühl, dass man im Umgang mit Kreier dann und wann gute Nerven braucht. Mit Eva Mair-Holmes, der Trikont-Chefin, die sein neues Album veröffentlicht, aber kommt er gut klar: "Die macht einfach klare Ansagen, und die kann auch mal mit Nachdruck sprechen." Angela Aux trifft auf ein Label, das sich gerade neu justiert und sich jungen anglofonen Liedermachern mit Eigensinn öffnet. "Ich werde keine Kugel abfeuern", singt sie in "Heaven is loaded with oceans": "Ich werde gegen niemanden kämpfen, außer gegen mich". Ist das so? Man darf Angela Aux nicht mit Florian Kreier verwechseln. Die zwei teilen sich nur einen Kopf.

Angela Aux, Montag, 20. Mai, 20 Uhr, Einstein Kultur, Einsteinstraße 42

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