Le Pen, Salvini & Co.:Rechter Gipfel ohne Strache

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Stelldichein des Rechtspopulismus: Geert Wilders, Matteo Salvini, Joerg Meuthen und Marine Le Pen (von links). (Foto: Francesca Volpi/Bloomberg)

Eine neue Allianz nationalistischer Parteien kommt in Mailand zusammen. Ihr Treffen verläuft weniger rund, als sie es erwartet hatten.

Von Oliver Meiler, Rom

Vielleicht lag es am Regen. Vielleicht lag es auch an den plötzlichen Schatten, die aus Österreich hinüberragten. Oder an beidem. Die Piazza del Duomo jedenfalls, so etwas wie das Wohnzimmer Mailands, wurde nicht voll. Obschon ein Mailänder gerufen hatte: Matteo Salvini. 100 000 Anhänger waren erwartet worden zum Gipfel der Souveränisten und extremen Rechten. Italiens Innenminister von der rechtsnationalistischen Lega hatte das Treffen zum Kampagnenende vor den Europawahlen organisiert. Busse und Sonderzüge waren gechartert worden für den Samstag, alles gratis. Am Ende kamen aber nur etwa 20 000.

Fast komplett war dagegen das Feld der geladenen Redner, elf insgesamt. Marine Le Pen war da, die Chefin des Rassemblement National, vormals Front National, die von einem "historischen Tag" sprechen sollte: "Europa erhebt das Haupt", sagte sie. Gekommen war auch Geert Wilders, der Chef der niederländischen Freiheitspartei, der sein Programm auf italienisch vortrug: "Basta Islam!" Die Alternative für Deutschland hatte ihren Europaabgeordneten Jörg Meuthen geschickt, der schimpfte auf die "arroganten Technokraten" und "Eliten" in Brüssel, die man nun auf politischem Weg zu Fall bringen wolle.

Demonstrationen für Europa
:Auf der Straße für "ein Europa für alle"

Um Zeichen gegen den Rechtsruck zu setzen, beteiligen sich Zehntausende in deutschen Großstädten an Demonstrationen - mit originellen Plakaten und Kostümen.

In Mailand traten außerdem Nationalisten aus Dänemark, Belgien, Finnland, Estland, Bulgarien, Tschechien und der Slowakei auf, je mit kurzen Einlagen. Auch die FPÖ entsandte einen Vertreter, allen Wirren zum Trotz. Dem Europaabgeordneten Georg Mayer fiel die undankbare Aufgabe zu, so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Natürlich war geplant gewesen, dass Heinz-Christian Strache vorbeischauen würde, der bisherige Star der Partei, ein Pfeiler dieses Bündnisses, das sich "Europäische Allianz der Völker und Nationen" nennt. Strache aber verabschiedete sich gerade aus der Politik, als sie in Mailand eine "neue Ära" ausriefen. Mayer erwähnte Strache mit keinem Wort.

Die Redner schien es nicht zu stören, dass am Pult "Prima l'Italia" stand, Italien zuerst. Der ganze Widerspruch dieser "schwarzen Internationalen", wie die italienische Presse den Verbund nennt, in einem Bild. Dieselben Parteien aus dem Norden und Osten Europas sind nämlich jeweils besonders unnachgiebig, wenn die Italiener in Brüssel um noch mehr Kulanz beim Budgetieren bitten. Gemein ist ihnen nur die harte Haltung gegen Immigranten, gegen Muslime und gegen die angebliche Arroganz der Eliten. Das zeigte sich auch daran, dass sich die "Superfraktion", die da im neuen Parlament entstehen soll, auf keinen Spitzenkandidaten einigen konnte.

Salvini aber ist ihr Held des Moments, der Rechtspopulist mit dem größten Zuspruch und dem größten politischen Einfluss. Jetzt, nach Straches Sturz, wächst die Rolle des italienischen Vizepremiers. Seine Lega, die in Umfragen bei etwa dreißig Prozent der Wahlabsichten liegt, wird von allen Parteien des Bündnisses wohl am meisten Parlamentarier stellen. Er sprach als Letzter, als Hauptakt. In der Hand hielt Salvini einen Rosenkranz, den er auch mal küsste. "Ich bin bereit, mein Leben zu geben für Italien", sagte er und empfahl sich und alle Anwesenden dem "unbefleckten Herzen" Marias. Es ist nicht das erste Mal, dass Salvini sich bei der Religion bedient, um sein Image zu runden.

Dann gab er den Papst den Pfiffen seiner Fans frei. "Mit unserer Regierung haben wir Tatsachen geschaffen. Ich sage das auch zu Papst Franziskus, der gerade heute wieder von der Notwendigkeit sprach, die Toten im Mittelmeer zu verhindern." Ein Teil der Piazza buhte, als wäre der Papst ein politischer Gegner. "Die Regierung", fuhr Salvini fort, "stellt die Zahl der Toten im Mittelmeer auf null - mit Stolz und christlichem Geist."

Die Gefahren für Flüchtlinge sind gestiegen

Die These, wonach seine Abschottungspolitik die Flüchtlingsdramen verringere, ist hoch umstritten. Es kommen zwar tatsächlich weniger Schiffe an, seitdem Italien die Häfen schließt und die NGOs behindert. Doch die Gefahren sind unterdessen gestiegen, weil weniger Retter zwischen Libyen und Italien kreuzen. Proportional, sagen internationale Organisationen und Menschenrechtsvereinigungen, kommen heute mehr Migranten um beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, als je zuvor. Einfach mit weniger Zeugen. Das meint der Papst, wenn er die Politik des Innenministers kritisiert.

Salvinis Auftritt galt vor allem der italienischen Wählerschaft, die er nach den jüngsten Korruptionsaffären in der Partei neu mobilisieren wollte. Die internationalen Gäste wirkten dabei wie Komparsen. So war auch der Gegengipfel in den Straßen Mailands in erster Linie gegen Salvini gerichtet. Tausende marschierten im Namen des Antifaschismus. An den Balkonen hingen Spruchbänder: "Mehr Brücken, weniger Mauern". Andere handelten von den 49 Millionen Euro öffentlicher Gelder, die Salvinis Partei auf offenbar mysteriöse Weise verschwinden ließ.

Die größte Öffentlichkeit aber wurde einem Gewerkschafter zuteil, der sich in ein Hotel hoch über der Piazza del Duomo einmietete und sich in ein Karnevalskostüm hüllte: Zorro - samt Hut und Maske. Eine Stunde lang fuchtelte er da oben mit einem Plastikdegen. Eine lustige Anspielung auf die jüngste Biografie Salvinis, eine Lobhudelei, in der der Innenminister erzählt, wie ihm im Kindergarten seine geliebte Zorro-Puppe gestohlen worden sei. Nach einer Stunde zwang die Polizei den Zorro, seine Parodie zu beenden. Sein Spruchband wurde entfernt, darauf stand: "Bleiben wir menschlich."

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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