Verfassung:Ein Platz für die Jüngsten

Barrierefreier Spielplatz

Kinder sehen Dinge oft anders als Erwachsene. Umstritten ist, ob sie bei politischen Entscheidungen, die sie betreffen, mitreden können sollen.

(Foto: Christophe Gateau/picture alliance/dpa)

Kinderrechte sollen ins Grundgesetz, das steht fest. Wie weit sie reichen, debattieren die politischen Lager aber noch.

Von Annette Zoch

"Wir werden Kinderrechte im Grundgesetz ausdrücklich verankern. Kinder sind Grundrechtsträger, ihre Rechte haben für uns Verfassungsrang." So steht es auf Seite 21 des Koalitionsvertrages zwischen Union und SPD. Seit Juni vergangenen Jahres berät eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Familien- und Justizministerien von Bund und Ländern sowie des Bundeskanzleramts über Vorschläge, wie sich dieses Vorhaben umsetzen lässt. Inzwischen steht im Entwurf des Abschlussberichts eine Formulierung, auf die sich eine große Mehrheit der Teilnehmer verständigen konnte. Doch es gibt auch erheblichen Widerstand. Dieser kommt - wie aus Kreisen der Arbeitsgruppe zu vernehmen ist - vor allem aus dem Bundesinnenministerium sowie aus den von Union und FDP geführten Justizministerien der Länder.

"Jedes Kind hat ein Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte einschließlich seines Rechts auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit in der sozialen Gemeinschaft", heißt die Formulierung der Arbeitsgruppe, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Das Wohl des Kindes sei "bei allem staatlichen Handeln, das Kinder betrifft, wesentlich zu berücksichtigen". Besonders dieser letztgenannte Punkt stößt auf Vorbehalte, außerdem die Forderung auf mehr Beteiligung von Kindern bei politischen Entscheidungen - im Formulierungsvorschlag heißt es konkret, dass "jedes Kind bei staatlichen Entscheidungen, die seine Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf Gehör und auf Berücksichtigung seiner Meinung entsprechend seinem Alter und seiner Reife" haben solle.

Beide Forderungen sind Bestandteil der UN-Kinderrechtskonvention von 1989, die Deutschland 1992 unterzeichnet hat - und beide sollen abgespeckt werden. Der Vorrang des Kindeswohls stößt in Teilen der CDU auf Widerstand, weil man dadurch eine Schwächung der elterlichen Rechte und zu viel staatlichen Einfluss auf die Erziehung befürchtet. Auch der Präsident des Familienbunds der Deutschen Katholiken, Ulrich Hoffmann, sieht das so: Kinderrechte im Grundgesetz seien "wirkungslose Symbolpolitik". Stattdessen bräuchten Familien "deutlich höhere finanzielle Familienleistungen" und mehr Zeit für sich.

Auch Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) argumentiert gegen eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Kinder seien "bereits heute wie alle Menschen und alle Altersgruppen umfassend im Grundgesetz geschützt", sagte Krings der Rheinischen Post. Da, wo Kinder in der Praxis nicht ausreichend geschützt oder gefördert würden, liege das sicher nicht am Grundgesetz: "Wer ein zusätzliches umfassendes Grundrecht nur für Kinder einführen will, wird bald auch mit entsprechenden Forderungen für Senioren und andere Gruppen konfrontiert werden." Er sprach sich stattdessen für die Einführung eines "Staatszieles der Kinderförderung in Zusammenhang mit dem Ziel der Generationengerechtigkeit" aus. Die CSU hingegen hatte den Punkt "Kinderrechte ins Grundgesetz" schon in ihrem Landtagswahlprogramm 2013 festgeschrieben.

Auch die Jugend- und Familienminister der Länder haben sich auf ihrer Konferenz am vergangenen Freitag einstimmig für Kinderrechte im Grundgesetz ausgesprochen. Es gehe darum, die rechtliche Position von Kindern zu stärken und das Bewusstsein von Erwachsenen zu schärfen, Kinderrechte besser wahrzunehmen.

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe will ihren Abschlussbericht mit konkreten Vorschlägen im Juni verabschieden. Dann wird sich herausstellen, wie weit die Formulierung der Kinderrechte am Ende reicht.

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