Ermittler im Internet:Oberster Datenschützer kritisiert Darknet-Gesetzentwurf

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Ulrich Kelber (SPD), Bundesbeauftragter für Datenschutz. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Der Betrieb bestimmter anonymer Online-Dienste soll strafbar werden. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnt, dass Unschuldige so ins Visier der Polizei geraten könnten. Er fordert eine "Sicherheitsgesetz-Pause".

Von Max Muth, München

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) kritisiert den Entwurf eines Gesetzes, mit dem der Bundesrat gegen Webseiten im Darknet vorgehen will. Er sagte der Süddeutschen Zeitung, durch das geplante Gesetz würden Unschuldige ins Visier der Behörden geraten. Kelber kritisierte die große Zahl von Sicherheitsgesetzen der vergangenen Jahre, die unzulässig weit in Freiheitsrechte eingriffen: "Wir brauchen jetzt dringend eine Sicherheitsgesetz-Pause, auch um die Ergebnisse der bisherigen Gesetzgebung in der Praxis zu überprüfen," sagte Kelber.

Mitte März hatte der Bundesrat einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem ein neuer Straftatbestand eingeführt werden soll. Paragraf 126a besagt, dass sich strafbar macht, wer eine "technisch zugangsbeschränkte" internetbasierte Leistung anbietet, mit der rechtswidrige Taten ermöglicht oder gefördert werden.

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Damit zielen die Bundesländer auf Anwendungen des "Tor"-Browsers. Das Programm verschleiert die IP-Adresse seiner Nutzer und lässt sie so anonym im Netz surfen. Anhand der IP-Adresse können Ermittler normalerweise herausfinden, wer wann welche Webseite besucht hat. Der Tor-Browser verhindert das. Mit seiner Hilfe können auch spezielle Webseiten erreicht werden, im sogenannten Darknet, in dem die Webseitenbetreiber ebenfalls anonym bleiben. Sicherheitspolitiker suchen schon lange nach Möglichkeiten, dort betriebene Marktplätze für Drogen und andere illegale Güter loszuwerden.

Kelber warnte, durch das Gesetz müssten sich alle Anbieter von Anonymisierungssoftware künftig Gedanken machen, ob ihre Dienste bald für illegal erklärt werden. Das Tor-Netzwerk sei nicht pauschal mit dem Darknet gleichzusetzen. Dissidenten und Whistleblower in Unrechtsstaaten nutzten es als geschützten Kommunikationsraum. Auch für normale Bürger gebe es gute und legitime Gründe, den Tor-Browser zu nutzen. Sie können sich damit der Überwachung durch Unternehmen - sogenanntem Tracking - entziehen.

Wer die Dienste für Straftaten nutze, sei auch heute nicht vor Strafverfolgung geschützt, sagte Ulrich Kelber. Vor gut zwei Wochen hatte das BKA die Schließung eines der größten Drogenmarktplätze im Darknet verkündet, drei deutsche Staatsbürger wurden festgenommen. Sie werden verdächtigt, die Plattform gemeinschaftlich betrieben zu haben. Ihnen drohen laut der Cybercrime-Stelle der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bis zu 15 Jahre Haft wegen Beihilfe zu Betäubungsmitteldelikten. Unklar ist jedoch, welche konkreten Straftaten den Männern nachgewiesen werden können - weil sie die Seite anonym betrieben und wenige Spuren hinterließen. Dieses Beweisproblem soll der neue Paragraf 126a laut Gesetzesbegründung lösen.

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Kelber zufolge seien jedoch wichtige Fragen ungeklärt: "Wann ist der Dienst darauf ausgerichtet, die Begehung rechtswidriger Taten 'zu ermöglichen oder zu fördern'? Und wie konkret muss dies geklärt sein?" Der Gesetzgeber müsse genau umschreiben, welches Verhalten strafbar sei. "Wenn man nach einer Kneipenschlägerei nicht beweisen kann, wer sich daran mutwillig beteiligt hat, kommt man doch auch nicht auf die Idee, alle zu bestrafen, die in der Nähe herumstanden", sagte Kelber. Dass die Polizei schon aufgrund eines derart vagen Anfangsverdachts ermitteln dürfe, sei ein kaum zu rechtfertigender Eingriff in die Bürgerrechte.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte warnt vor einer seiner Aussage nach gefährlichen Entwicklung, Probleme mit bürgerrechtlich fragwürdigen Gesetzentwürfen lösen zu wollen. Der Staat mache es sich zu einfach. In einigen Fällen habe das Verfassungsgericht Gesetze wieder einkassiert. "Es ist relativ leicht, ein neues Gesetz zu schreiben. Viel schwieriger ist es, die Verwaltung gut zu strukturieren, zu kontrollieren und Vollzugsdefizite zu erkennen und zu beseitigen", sagte Kelber.

Damit der Entwurf des Bundesrates in Kraft treten kann, muss noch der Bundestag zustimmen. Parallel zum Bundesratsentwurf findet sich auch im angekündigten IT-Sicherheitsgesetz 2.0 von Bundesinnenminister Horst Seehofer ein ähnlicher Vorschlag, den Betrieb anonymer Webseiten strafbar zu machen. Dem Innenministerium zufolge soll sich das Kabinett noch vor der Sommerpause mit Seehofers Gesetzesvorlage befassen.

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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