Arabellapark:Das grüne Haus von München

An der Arabellastraße soll Münchens erstes grünes Hochhaus entstehen.

Wachstum auf allen Etagen: An der Arabellastraße soll Münchens erstes grünes Hochhaus entstehen.

(Foto: Schluchtmann Architekten)

Stefan Pfender will im Arabellapark ein Hochhaus mit komplett bepflanzten Fassaden errichten. Er ist überrascht, "was für eine Energie Leute gegen Gebäudebegrünung aufbringen."

Von Sebastian Krass

Wer später in diesem Haus wohnt, wird einen guten Teil des Jahres sehr viel Grün zu sehen. Im Frühjahr und im Sommer, wenn es blüht, vielleicht auch Rosa oder Weiß. Im Herbst dann könnte aus dem Grün ein Rot werden. Und im Winter, wenn die Blätter gefallen sind, dürfte der Blick auch abseits der Fensterflächen ziemlich frei werden. Denn die Außenwände dieses kleinen Hochhauses im Münchner Osten werden weitgehend aus Glas bestehen, und davor wachsen Pflanzen.

In der Arabellastraße 26, in der Nachbarschaft des Hypo-Hochhauses und des Arabellahauses und in unmittelbarer Nähe zum Wohn- und Bürokomplex "Arabeska", soll "Münchens erstes Hochhaus mit begrünter Fassade" entstehen, wie der Bauherr Stefan Pfender sagt. Die Eckdaten: 52 Meter hoch, die unteren vier Geschosse für Gewerbe und Büros, die oberen zehn für 50 bis 60 Wohnungen, davon 16 bis 18 gemäß den Regeln der sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) als geförderter Wohnraum nach dem München-Modell Miete. Und ganz oben gibt es eine Dachterrasse für die Hausbewohner.

Grüne Architektur und insbesondere begrünte Fassaden sind ein Thema, das seit Jahren immer wieder propagiert wird, insbesondere für sich aufheizende Großstädte. Denn Pflanzen geben bei der Fotosynthese Feuchtigkeit ab und kühlen sich sowie die Umgebung. Zugleich spenden sie Schatten. Eine bewachsene Fassade kann bis zu zehn Grad kühler sein als eine nicht bewachsene. Zudem reinigen Pflanzen die Luft und sie dämmen Verkehrslärm. Klingt alles super. Aber warum gibt es nur hier und da ein altes mit Efeu oder Wein bewachsenes Haus und so gut wie keine Neubauten mit begrünter Fassade?

Ein Grund ist sicher der zusätzliche Aufwand: Das Fassadengrün muss geschnitten und, wenn es nicht seine Wurzeln in der Erde hat, auch gegossen werden. Auch die Bauphysik und der Brandschutz müssen bedacht werden. "Und es gibt immer Leute, die das ausbremsen wollen", sagt Gunter Mann, der Vorsitzende des Bundesverbandes Gebäudegrün. "Ich bin oft überrascht, was für eine Energie Leute gegen Gebäudebegrünung aufbringen." Manche warnen vor herabstürzenden Pflanzenteilen bei Sturm oder vor Tieren, die über die Begrünung in die Wohnung kommen könnten. Es gibt auch Stimmen, dass ein einzelnes Haus für das Stadtklima nichts bringe, es brauche schon ein Gesamtkonzept. Fragt man Gunter Mann nach den Vorteilen einer begrünten Fassade, dann sagt er: "Es sieht einfach schön aus, man fühlt sich wohler, wenn man das Grün sieht und vielleicht einen Schmetterling oder einen Vogel an der Wand." Deshalb ist er auch gespannt auf das Projekt in München: Ein fast komplett begrüntes Haus mit dieser Höhe, das sei "deutschlandweit etwas Besonderes".

Programme der Stadt

Wie lässt sich das Straßenbild grüner gestalten? Das ist in vielen dicht besiedelten Großstädten ein Thema, und in vielen gibt es dafür Förderprogramme, auch in München. Das hiesige Programm existiert schon seit 1977. Es konzentriert sich "in erster Linie auf Wohngebiete mit dichter Bebauung und wenig Grünflächen", wie es auf der Internetseite des Baureferats heißt. Wer auf eigenem Grund, ob privat oder gewerblich, Platz für Pflanzen schaffen will, kann eine Förderung beantragen.

Zuschüsse könne es geben für "eine Neugestaltung von Innenhöfen und Vorgärten, für die Begrünung von Dächern und Fassaden, die Entsiegelung von Flächen sowie für eine naturnahe Begrünung von Firmengeländen". Von 2015 bis 2017 habe der Umfang des Programms "deutlich zugenommen", erklärt das Baureferat. "So wurden 2015 Begrünungsmaßnahmen mit fast 40 000 Euro unterstützt. Im Jahr 2017 lag die Fördersumme deutlich über 100 000 Euro."

Zusätzlich veranstaltet die Stadt alle zwei Jahre den Wettbewerb "Mehr Grün für München", bei dem es um ähnliche Projekte wie beim Förderprogramm geht. Für Ausgezeichnete gibt es Urkunden und Geldpreise zwischen 125 und 500 Euro, für herausragende Leistungen einen mit 750 Euro dotierten Sonderpreis. Einsendeschluss ist der 31. Juli in jedem ungeraden Jahr, also auch 2019. Mehr Informationen gibt es auf der Website des Baureferats oder unter 233-60363.

Eine weitere Anlaufstelle zum Thema ist das "Begrünungsbüro" des Vereins Green City, das sich zur Aufgabe gemacht hat, Eigentümerinnen und Eigentümer zu beraten, wie sie ihre Immobilien etwas naturnäher gestalten können und welche technischen Möglichkeiten es auf Dächern oder an Fassaden gibt. Mehr Informationen unter www.begruenungsbuero.de.

Stefan Pfender kennt all die Bedenken und Einwände seit Jahren. 2012 hat er das Grundstück an der Arabellastraße gekauft, auf dem derzeit noch die Telekom ein Technikgebäude betreibt. Er wollte schon immer ein schönes Hochhaus bauen, und ja, "vielleicht auch ein Lebenswerk, das man mal zeigen kann", sagt Pfender, der mit seiner Firmengruppe Metropolian in München einige, stets eher hochpreisige Sanierungs- und Nachverdichtungsprojekte umgesetzt hat, aber dabei noch nie über die baurechtliche Hochhausgrenze von 22 Metern gegangen ist.

Bei den Gesprächen, wie das Hochhaus im Arabellapark aussehen soll, sei man bald bei einem grünen Hochhaus gelandet, erzählt Pfender. Der Entwurf für das Gebäude stammt vom Büro der Münchner Architektin Aika Schluchtmann. Das Begrünungskonzept ist in Zusammenarbeit mit der Fachfirma Vertiko aus Buchenbach bei Freiburg und mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf entstanden. Dort versuchen Pflanzenexperten im Auftrag Pfenders mit einem mehrjährigen Feldversuch zu ermitteln, welche Pflanzen für welche Himmelsrichtung am Gebäude geeignet sind und was sie brauchen, um zu gedeihen. Denn auch das ist eine Gefahr, die in der Diskussion um grüne Fassaden immer wieder genannt wird: dass alles wunderbar geplant ist, die Pflanzen unter den ungewöhnlichen Bedingungen aber partout nicht gedeihen wollen. "Das Türmchen soll aus jeder Perspektive unterschiedlich bunt sein", sagte Pfender, als er sein Projekt kürzlich auf einem Bauträgerkongress des Immobilienverbands Deutschland (IVD) in München vorstellte. "Und es soll ein positives Beispiel für hohe Dichte in der Stadt sein."

Die Unterhaltskosten für die Begrünung seien "zu vernachlässigen"

Die Gefahr herabstürzender Äste gebe es schon deshalb nicht, weil an dem Haus "keine Bäume, sondern Schling- und Rankpflanzen an Edelstahlgittern wachsen, und zwar nur jeweils ein Stockwerk hoch". Die Wurzeln stecken in Trögen und werden mit einem speziellen Bewässerungssystem versorgt. Es gebe auch ein Gutachten zum Einfluss des Windes, sagt Pfender, auch da drohe keine Gefahr. Und die Unterhaltskosten für die Begrünung? Die seien "zu vernachlässigen". Denn anders als etwa bei den zwei begrünten Hochhäusern "Bosco Verticale" in Mailand brauche es in Bogenhausen keine kostspieligen Hebebühnen oder Kletterer von außen. Stattdessen hat die Architektin auf jedem Stockwerk einen 40 Zentimeter breiten "Wartungsgang" eingeplant, der zwischen Glaswand und Begrünung liegt. Von dort aus sollen die Gärtner arbeiten, "man muss einmal pro Jahr die älteren Sachen wegschneiden", sagt Pfender. Und unten, ja, da müsse man ab und zu das Laub entfernen, "so als wenn ein paar dicke alte Eichen an der Straße stehen würden".

Derzeit läuft noch das Bebauungsplanverfahren für das grüne Hochhaus. Pfender rechnet damit, dass der Stadtrat ihn Anfang 2020 verabschiedet und dass er 2021 anfangen kann zu bauen. Drei Jahre später soll das Gebäude fertig sein. Pfender rechnet mit einem Investitionsvolumen von 80 Millionen Euro. Vermutlich wird er das Gebäude dann an einen Investor verkaufen. Und was ist zu erwarten, wenn es daran geht, die Wohnungen unter die Leute zu bringen? Die geförderten dürften wie bei jedem Neubau weggehen wie nichts. Aber die frei finanzierten, aus denen sich das Projekt zu einem guten Teil refinanzieren muss? "Ich gehe davon, dass es in der Vermarktung einiges an Kommunikationsbedarf gibt und dass viele Leute zumindest zunächst eher die Probleme als die Vorteile sehen", sagt Pfender. Aber, so die Hoffnung, es werden sich in einer Stadt wie München doch genug Leute finden, die Lust auf dieses ungewöhnliche Architekturkonzept haben.

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