Eishockey-WM:Spaß verdorben

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Deja-vu auf dem Eis: Frank Mauer (li., gegen Thomas Chabot), bei Olympia noch Zaubertorschütze, bei der WM mit der DEB-Auswahl chancenlos gegen Kanada. Foto (Foto: Lukasz Laskowski/imago)

Die deutsche Eishockeymannschaft verliert nach dem 1:8-Debakel gegen Kanada auch gegen die USA. Allerdings lässt sich aus dem 1:3 wieder Selbstvertrauen schöpfen.

Von Johannes Schnitzler, Kosice

Eine Wette? Eine Wette gegen die Amerikaner wäre "nicht unbedingt die beste Idee", sagte Dominik Kahun bei der 83. Eishockey-Weltmeisterschaft in der Slowakei. Kahun, 23, verdient sein Geld in der nordamerikanischen NHL bei den Chicago Blackhawks, deshalb freute er sich auf das Duell mit dem Team USA am Sonntag. Auf der anderen Seite standen in Patrick Kane, dem Kapitän der Amerikaner und dreimaligen Stanley-Cup-Sieger, sowie Alex Debrincat zwei seiner Kollegen aus Chicago. Vor allem mit Debrincat, 21, sei er im ständigen Austausch: "Das ist ein lustiger Typ." Das Wiedersehen werde bestimmt ein großer Spaß werden.

Es gab nach dem scheppernden 1:8 am Samstag, der ersten Niederlage im Turnier für die Mannschaft von Bundestrainer Toni Söderholm, Stimmen, die prophezeiten, der Spaß werde sich auch gegen die USA in Grenzen halten. Den letzten Test vor der WM hatten die Deutschen 2:5 gegen eben dieses Team USA verloren. Zwar gingen die Amerikaner mit elf Punkten nur als Tabellenvierte der Gruppe A ins Spiel gegen den Dritten Deutschland (12 Punkte) und hatten sich beim 1:4 gegen Gastgeber Slowakei wie des Öfteren in den vergangenen Jahren als dankbarer Auftaktgegner erwiesen. Danach aber waren sie ins Rollen gekommen: vier Spiele, vier Siege. Trotzdem wäre es beinahe ein großer Spaß geworden. "Das war eine große Steigerung zu den beiden letzten zwei Spielen", sagte Söderholm. "Die Spieler haben die Chance genutzt, sich neu zu beweisen." Sie waren sogar nahe dran am Sieg, verloren aber durch zwei späte Gegentore 1:3 (1:1, 0:0, 0:2). Das Gute an der Niederlage sei, fand Söderholm: "Wir haben uns wieder ein Gesicht gegeben." Nach dem 1:8 gegen Kanada waren die Gesichter lang gewesen. Ein Stromausfall im Pressezentrum von Kosice hatte das passende Bild dazu geliefert: Blackout. "Ich hoffe, das war der Wake-up-Call, den wir gebraucht haben", sagte Kapitän Moritz Müller, sonst werde man "keinen Punkt mehr holen." Nach der knappen Niederlage gegen die USA sagte Müller: "Wir haben uns lange die Chance gegeben, das Spiel zu gewinnen. Am Ende haben wir vielleicht nicht konsequent genug unsere Chancen genutzt." Trainer und Kapitän waren sich aber einig: Das war die beste Mannschaftsleistung im Turnier. "Was am Samstag war, war furchtbar, das konnten wir nicht akzeptieren", sagte Kahun. "Heute haben wir Charakter gezeigt." Gegen die USA war Mathias Niederberger ins Tor zurückgekehrt. NHL-Profi Philipp Grubauer (Colorado) steht wegen muskulärer Probleme nach wie vor nicht zur Verfügung. Auch Verteidiger Moritz Seider fehlte. Stefan Loibl kam dagegen zu seinem ersten WM-Einsatz: Der Straubinger rückte für Leo Pföderl in die Aufstellung. Nach 22 Sekunden feuerte Kahun den ersten Schuss auf das von Cory Schneider bewachte Tor der Amerikaner ab, angetrieben von Tausenden Slowaken unter den Zuschauern, die jeden deutschen Angriff bejubelten wie ihr eigenes Team: Nur ein Sieg der Deutschen hätte dem Gastgeber die Tür zum Viertelfinale offen halten.

Nach zehn Minuten hatte das DEB-Team mehr Puckbesitz (55:45 Prozent), aber der Spielstand lautete noch 0:0. Kahun startete einen seiner beherzten Läufe ins gegnerische Drittel, über Leon Draisaitl fand der Puck den Weg zu Frederik Tiffels, und der Kölner überwand Schneider mit seinem zweiten Turniertreffer zum 1:0 (12.). Es dauerte aber nur 1:52 Minuten, bis James van Riemsdyk mit einem kunstvollen Abfälscher durch Niederbergers Schoner egalisierte (14.). Die beste Chance zur erneuten Führung eröffnete sich Denis Reul kurz vor der ersten Pause, aber der Pass war zu ungenau für den Mannheimer.

Söderholms Team war nach der Niederlage gegen Kanada anzusehen, dass es nicht zu offensiv agieren und vor allem die defensive Absicherung nicht vernachlässige wollte. "Wir haben heute so gespielt, wie man gegen solche Gegner spielen muss", sagte Korbinian Holzer.

Die Niederlagen wären angesichts der bereits sicheren Teilnahme am WM-Viertelfinale und der Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking zu verschmerzen. Aber die Ansprüche im Team sind nach der Olympia-Silbermedaille 2018 und vier Siegen aus den ersten vier WM-Spielen gewachsen. Müller hatte das deutlich gemacht, als er sich nach dem 3:2 gegen die Slowaken wunderte, wieso Medien und Fans offenbar so überrascht seien von den Auftaktsiegen: "Für uns war klar, dass wir diese Spiele gewinnen müssen, wenn wir bei diesem Turnier weiter unseren Weg gehen wollen." Sie empfanden diese Siege als Pflicht, der nun noch die Kür folgen soll. Aber nun müssten sie schnellstens begreifen, dass Partien wie gegen Kanada oder die USA "keine Selbstläufer" seien, sagte Müller: "Wir müssen extrem, extrem verantwortungsvoll unsere Defensivaufgaben erledigen, sonst hast du gegen solche Nationen keine Chance."

Im zweiten Drittel jubelten Deutsche und Slowaken, aber der Puck von Matthias Plachta war nur an der Latte, nicht aber im Tor. Und sie jubelten gleich noch mal, diesmal mit Recht, als Niederberger gegen Jack Eichel einen spektakulären Save mit der Fanghand zeigte. Auch gegen Kane war Niederberger zur Stelle, diesmal mit dem Fuß. Dazwischen war Yasin Ehliz zu einem Solo aufgebrochen, scheiterte aber an Schneider. Auch Marc Michaelis konnte den Schlussmann nicht überwinden. Das deutsche Team spielte mutig auf Augenhöhe und - defensiv verantwortungsvoll. Müllers Gesicht auf dem Videowürfel ließ ein zufriedenes Nicken erkennen.

Die Mannschaft von US-Coach Jeff Blashill war immer dann gefährlich, wenn sie ihre läuferischen Qualitäten ausspielte. Die Deutschen ließen indes kaum Konter zu und hatten durch Draisaitls Solo sogar noch einmal die Chance zur Führung (48.). Aber den Amerikanern reichte ein Wechselfehler der deutschen Abwehr, den Dylan Larkin zum 1:2 nutzte (51.). Jack Eichel erhöhte im Powerplay noch auf 1:3 (56.).

© SZ vom 20.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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